Aufnahme von Tätigkeiten: Gesellschaftsrechtliche Aspekte
Eine ausländische Gesellschaft kann in Belgien grundsätzlich direkt aus dem Ausland agieren und rechtlich relevante Handlungen vornehmen. Sie kann in Belgien klagen und dort auch verklagt werden. Auch kurzfristige Standorte einer Gesellschaft in Belgien unterliegen keinen besonderen gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen. Eine ausländische Gesellschaft, die langfristig in Belgien tätig sein möchte, muss sich entscheiden, ob sie eine Zweigniederlassung errichten oder eine Tochtergesellschaft gründen möchte.
1. Eröffnung einer Zweigniederlassung
Die Vorteile der Zweigniederlassung liegen auf der Hand: Die Zweigniederlassung ist kein Unternehmen mit getrennter Rechtspersönlichkeit. Sie hat daher kein eigenes Gesellschaftskapital und keine eigenen Organe. Das belgische Gesellschaftsgesetzbuch („Ges.G“) sieht in Bezug auf die belgische Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft eine Reihe von Offenlegungs- und Buchhaltungspflichten vor. Konkret müssen sowohl bei der Eröffnung als auch während des Betriebs der Zweigniederlassung Informationen sowohl über das Mutterhaus als auch über die Zweigniederlassung offengelegt und der Jahresabschluss bei der belgischen Nationalbank hinterlegt werden. Dies kann einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand mit sich ziehen.
2. Gründung einer Tochtergesellschaft
Die ausländische Gesellschaft kann daher erwägen, in Belgien eine eigenständige Tochtergesellschaft zu gründen. Dies hat den Vorteil, dass eine getrennte Rechtsperson entsteht und die Gläubiger der Tochter nicht auf das Vermögen der Mutter durchgreifen können. Ferner entsteht eine belgische Gesellschaft, was im belgischen Markt von Vorteil sein kann, wenn die belgischen Vertragspartner möglicherweise leichter mit einem belgischen Unternehmen Geschäftsbeziehungen aufbauen und Verträge abschließen.
3. Die häufigsten in Belgien verwendeten Gesellschaftsformen sind:
die Aktiengesellschaft, abgekürzt „AG“,
die Privatgesellschaft mit beschränkter Haftung, abgekürzt „PGmbH“ ,
die Genossenschaft mit beschränkter Haftung, abgekürzt „Gen.mbH“.
Bei diesen drei Gesellschaftsformen ist die Haftung der Gesellschafter auf ihre Gesellschaftseinlage beschränkt.
4. Darüber hinaus kennt das belgische Gesellschaftsrecht die folgenden Gesellschaftsformen:
- die Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung, abgekürzt „Gen.mubH“,
- die einfache Kommanditgesellschaft, abgekürzt „EKG“,
- die Kommanditgesellschaft auf Aktien, abgekürzt „KGaA“,
- die wirtschaftliche Interessenvereinigung, abgekürzt „WIV“ und die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, abgekürzt „EWIV“,
- die Societas Europaea , abgekürzt „SE“,
- die europäische Genossenschaft, abgekürzt "SCE".
5. In der Regel wird die ausländische Gesellschaft zwischen der belgischen PGmbH und der belgischen AG wählen, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass die Gesellschaftsform der AG in Belgien – ungleich zum deutschsprachigen Ausland – regelmäßig auch für kleinere und mittlere Unternehmen genutzt wird.
6. Der Gründungsprozess kann wie folgt zusammengefasst werden
Die Gründung einer belgischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (AG oder PgmbH z.B.) erfolgt notariell. Die Gründungsurkunde der Gesellschaft enthält u.a. folgende Angaben:
- die Rechtsform, Name und Gesellschaftszweck,
- Sitz und Art der Sitzverlegung,
- Dauer der Gesellschaft (befristet / unbefristet),
- Identität der Gründer und der Gesellschafter,
- Höhe des Gesellschaftskapitals, Höhe des eingezahlten Betrages,
- Anzahl und Nennwert der Anteile und gegebenenfalls Bedingungen für deren Übertragung,
- Anfang und Ende des Geschäftsjahres,
- Funktionsweise der Organe (Generalversammlung, Verwaltungsrat/Geschäftsführung) und Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis.
Die Dauer des ersten Geschäftsjahres sowie die erste Bestellung der Organe erfolgt in den Übergangsbestimmungen.
7. Diese Angaben sowie weitergehende Bestimmungen, die sich aus den konkreten Bedürfnissen der Gründer und ihrem Geschäftsmodell ergeben, sollten mit einem deutschsprachigen, in der Materie vertrauten Rechtsanwalt im Vorfeld besprochen werden.
8. Die Gründer müssen vor der Beurkundung der Gründung einen Finanzplan erstellen und diesen beim beurkundenden Notar hinterlegen. Der Finanzplan legt dar, wie die Gesellschaft durch das Kapital, die Erträge sowie externe Finanzierung den ordentlichen Geschäftsverkehr für mindestens 2 Jahre bewerkstelligen möchte. Sollte das Kapital bei Gründung eindeutig unzureichend sein um die normale vorhersehbare Tätigkeit der Gesellschaft für mindestens 2 Jahren zu ermöglichen, kann dies zur Haftung der Gründer führen.
9. Eine Ausfertigung der Gründungsurkunde wird bei der Kanzlei des örtlich zuständigen Handelsgerichtes (elektronisch) hinterlegt, was die Erlangung der Rechtspersönlichkeit bewirkt. Die Gründung sowie die Bestellung der Organe der Gesellschaft werden durch die Kanzlei innerhalb von 14 Tagen ab Hinterlegung auszugsweise in den Anhängen zum Belgischen Staatsblatt veröffentlicht (Drittwirksamkeit).
10. Schließlich muss sich die neu gegründete Gesellschaft vor Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit über einen Unternehmensschalter („guichet d’entreprise“/“ondernemingsloket“) bei der Zentralen Unternehmensdatenbank des Föderalen Dienstes Wirtschaft („Banque-Carrefour des Entreprises“ / “Kruispuntbank van Ondernemingen“) eintragen lassen. Sie erhält dort die sogenannte Unternehmensnummer mit dem Format „0XXX.XXX.XXX“, die bei Kontakten mit den belgischen Behörden angegeben werden muss und ihrer Identifikation dient.
11. Art und Größe des belgischen Unternehmens werden anschließend weitere Rechtshandlungen und Bedürfnisse entstehen lassen: Anmietung von Büro-, Produktions- oder Lagerflächen, Einstellung von Personal, Buchhaltung, Erstellung von Steuer-, Mehrwertsteuer- und Gehaltserklärungen, Lohnabrechnungen usw. Hier sollte das deutschsprachige Unternehmen in einer ersten Phase auf kompetente deutschsprachige Dienstleister zurückgreifen, bevor es im Zuge des Aufbaus der belgischen Tochtergesellschaft die Erledigung dieser Aufgaben durch eigenes Personal vornehmen lässt.
12. Über diese allgemeinen Themen hinaus entstehen oftmals spezifische Bedürfnisse: Einholung von Umwelt- oder Betriebsgenehmigungen, Anmeldung, Zulassung und Überwachung von festen oder mobilen Baustellen, o.Ä., was möglicherweise weiteren Beratungsbedarf mit sich zieht.
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Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt in Brüssel, Herrn Rechtsanwalt Oliver Weinand, berät Sie gerne: o.weinand@cbbl-lawyers.de, Tel. +32 - 2 - 787 70 72
Stand der Bearbeitung: April 2017