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CBBL Rechtsanwalt / Advokat Dr. Roland Mörsdorf, Kanzlei Advokatfirmaet Grette AS, Oslo
Dr. Roland Mörsdorf
Rechtsanwalt / Advokat
Advokatfirmaet Grette AS
Oslo

Aktuelles zum norwegischen Wirtschaftsrecht

Arbeitsrecht - Betriebsübergang

26.10.2018

Asset Deal

Hintergrund

Unternehmenskäufe können als Share Deal oder als Asset Deal strukturiert werden. Im Falle eines Share Deals erwirbt der Käufer die Gesellschaftsanteile (Shares) an der Gesellschaft, die das Unternehmen betreibt. Im Falle eines Asset Deals kauft er von der Gesellschaft die einzelnen Vermögensgegenstände (Assets), die zusammen das Unternehmen ausmachen. Arbeitsrechtlich wird der Asset Deal als Betriebsübergang (Virksomhetsoverdragelse) bezeichnet.
Sowohl das deutsche als auch das norwegische Recht regeln die Folgen, die sich für die Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ergeben. Diese Regelungen sind zwingend und können daher durch Verkäufer und Käufer nicht abbedungen werden. Grundlage für diese Regeln ist die Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG des Rates der Europäischen Union vom 12. März 2001. Die deutschen Bestimmungen, die in § 613a BGB festgeschrieben sind, entsprechen in weiten Bereichen den norwegischen Bestimmungen, die in Kapitel 16 des norwegischen Arbeitsschutzgesetzes (Arbeidsmiljøloven) festgelegt sind. Die norwegischen Regelungen zum Betriebsübergang hat der norwegische Oberste Gerichtshof (Høyesterett) durch eine neue Entscheidung (HR-2018-1944-A) vom Oktober dieses Jahres präzisiert.

Übergang der Arbeitsverhältnisse

Im Falle eines Betriebsübergangs gehen sowohl nach deutschem als auch nach norwegischem Recht die dem Betrieb zugehörigen Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes auf den Käufer über. Sowohl die deutschen als auch die norwegischen Arbeitnehmer können aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf den Käufer widersprechen. Ein solcher Widerspruch schließt den Übergang der betroffenen Arbeitsverhältnisse auf den Käufer aus. Die weiteren Wirkungen des Widerspruchs sind im deutschen und norwegischen Recht jedoch unterschiedlich ausgestaltet.

Nach deutschem Recht bleiben die Arbeitsverhältnisse mit dem Verkäufer nämlich bestehen. Die Arbeitnehmer, die dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprochen haben, können also weiterhin ihre Ansprüche und Rechte aus ihren Arbeitsverhältnissen gegenüber dem Verkäufer geltend machen. Sie müssen aber damit rechnen, dass der Verkäufer die Arbeitsverhältnisse aus dringenden betrieblichen Erfordernissen kündigt. Gemäß norwegischem Recht bleiben demgegenüber die Arbeitsverhältnisse nicht mit dem Verkäufer bestehen, sondern enden im Falle des Widerspruchs.

Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse (Wahlrecht)

Die norwegischen Arbeitnehmer können aber verlangen, dass ihre Arbeitsverhältnisse mit dem Verkäufer fortgesetzt werden, wenn der Betriebsübergang und damit der Übergang der Arbeitsverhältnisse auf den Käufer zu wesentlichen nachteiligen Änderungen für die Arbeitnehmer führen würde. Sie können also in einem solchen Fall wählen, ob sie einen Widerspruch erheben oder die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Verkäufer verlangen. Letzteres mag vor allem dann in Betracht kommen, wenn bei dem Verkäufer ausreichende – offene – Arbeitsplätze vorhanden sind. Dieses Wahlrecht ist nicht gesetzlich verankert, sondern durch die norwegische Rechtsprechung entwickelt worden. Die Voraussetzungen des Wahlrechts hat der norwegische Oberste Gerichtshof durch seine neue Entscheidung vom Oktober dieses Jahres weiter ausgestaltet.
Der Gerichtshof führt zunächst aus, dass das Wahlrecht nur in Ausnahmefällen bestehe und begründet das damit, dass der Gesetzgeber mehrmals bewusst davon abgesehen habe, das Wahlrecht gesetzlich zu verankern. Aufgrund des Ausnahmecharakters des Wahlrechts müsse stets eine Abwägung im Einzelfall vorgenommen werden, in deren Rahmen verschiedene Elemente berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden müssten. Dabei komme u.a. es darauf an, ob ein selbstständiger Betrieb übertragen werde, was letztlich zu keinen oder nur zu unwesentlichen Änderungen in dem Betrieb und für die Arbeitnehmer führe (kein Wahlrecht), oder ob einzelne Betriebsteile oder unselbstständige Einheiten übertragen und bei dem Käufer eingegliedert werden, was erhebliche Änderungen für die Arbeitnehmer mit sich bringen mag (Wahlrecht).

Wahlrecht wegen Verlusts von Rentenanwartschaften

Weiterhin kann auch der Verlust von Rentenanwartschaften das Wahlrecht zu Gunsten der Arbeitnehmer begründen. Diesbezüglich müsse berücksichtigt werden, wann eine Auszahlung der Rente frühestens in Betracht komme und auf welche Höhe sich die Rente belaufe. Um diese Fragen ging es in der neuen Entscheidung. Im konkreten Fall hätte der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Auszahlung der Rente nach einem Jahr und zwei Monaten, gerechnet ab dem Betriebsübergang, gehabt, falls das Arbeitsverhältnis bei dem Verkäufer – mangels Betriebsübergangs – fortgesetzt worden wäre. Zudem hätte die Rente bei einem erwarteten Lebensalter von 85 Jahren insgesamt ca. NOK 1,3 Millionen (ca. EUR 130.000) betragen. Ein solcher Verlust stelle eine wesentliche nachteilige Änderung für den Arbeitnehmer dar, die dessen Wahlrecht begründe und ihn demnach berechtige, die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses mit dem Verkäufer zu verlangen.
Abschließend ergänzt der Gerichtshof, dass die wesentliche nachteilige Änderung, die ein Wahlrecht zu Gunsten des Arbeitnehmers auslösen kann, im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen müsse. Private Umstände, die in keiner Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis stehen, spielten daher keine Rolle. Deshalb sei – jedenfalls gemäß der schriftlichen Begründung der Entscheidung – von keiner Bedeutung gewesen, dass der Arbeitnehmer Kreditschulden von ca. NOK 1,5 Millionen (ca. EUR 150.000) gehabt habe, deren Grund in einer Krankheit des Ehegattens lag, auch wenn dies die Wichtigkeit der Rente für den Arbeitnehmer unterstreiche.