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Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M.
Rechtsanwalt und Advocaat
Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel

Aktuelles zum Kartellrecht und EU-Recht

EuG: Deutsche Rettungsbeihilfe an Condor mit Unionsrecht vereinbar

28.11.2022

Die von der Bundesrepublik Deutschland an das Luftfahrtunternehmen Condor Flugdienst GmbH gewährte Rettungsbeihilfe ist mit dem EU-Beihilfenrecht vereinbar, die Klage des Wettbewerbers Ryanair DAC wies das EuG ab (Urteil T-577/20 vom 18.05.2022).

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Brüssel, Herrn Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., vanderhout@cbbl-lawyers.de, Tel. +32 - 2 - 234 11 60, www.kapellmann.de

(Urteil T-577/20 vom 18.05.2022: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=6F86A68E97E0AC7967C41813D7AEC6D2?text=&docid=263476&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=680415)

Am 25.09.2019 beantragte Condor die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgrund der Insolvenz ihrer britischen Muttergesellschaft Thomas Cook Group plc. Die Liquidation der Muttergesellschaft hatte aufgrund eines Liquiditätsbündelungssystems innerhalb der Unternehmensgruppe erhebliche negative Auswirkungen auf die finanzielle Lage der 100%igen Tochtergesellschaft Condor. Die Bundesrepublik meldete am selben Tag eine Rettungsbeihilfe (380 Mio. EUR KfW-Darlehen verbunden mit Garantien des Landes Hessen und der Bundesrepublik) bei der Europäischen Kommission an. Die auf sechs Monate begrenzten Maßnahmen zielten darauf ab, den Geschäftsbetrieb bis zu einer Einigung mit den Gläubigern aufrechtzuerhalten, um die Auswirkungen auf die Fluggäste und Mitarbeiter abzufedern.

Ohne das förmliche Verfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen, erklärte die Kommission die staatliche Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV und den Leitlinien für staatliche Beihilfe zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 2014, C 249, S. 1, „Leitlinien“) als für mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Wie bereits zuvor in 16 anderen Verfahren gegen Corona-Beihilfen von anderen Wettbewerbern erhob Ryanair Nichtigkeitsklage gegen den Kommissionsbeschluss. Die Fluglinie argumentierte unter anderem, dass die Schwierigkeiten von Condor die Folge einer willkürlichen Kostenverteilung innerhalb der Unternehmensgruppe gewesen seien. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das EuG wies die in der Sache gerügten Verstöße gegen die Leitlinien zurück und bestätigte damit das rechtsfehlerfreie Vorgehen der Kommission und die Vereinbarkeit der Beihilfe mit Unionsrecht.

Die Kommission musste kein förmliches Prüfverfahren eröffnen

Die Kommission habe zu Recht kein förmliches Prüfverfahren eröffnet und daher keine Verfahrensrechte von Ryanair verletzt. Der Kommission obliegt es gem. Art. 4 der Beihilfenverfahrensverordnung (VO Nr. 2015/1589) zu prüfen und beschließen, ob es objektiv Bedenken gegen die Vereinbarkeit und Vertragskonformität einer Beihilfe gibt und ob deshalb das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen ist. Sie ist aber nicht verpflichtet, ohne Anhaltspunkte alle Informationen zu ermitteln und zusammenzutragen. Die beweisbelastete Klägerin konnte keine derartigen Bedenken hinsichtlich des Nicht-Vorliegens der Voraussetzungen der Leitlinien substantiiert vortragen, die ein förmliches Verfahren erforderlich gemacht hätten.

Schwierigkeiten nicht durch eine künstliche Kostenverteilung innerhalb der Unternehmensgruppe

Nach den Leitlinien der Kommission können Mitgliedstaaten Unternehmen, die sich in Schwierigkeiten befinden, befristete Beihilfen gewähren, sofern diese zu einem Ziel von gemeinsamem Interesse beitragen. Die Leitlinien definieren, wann ein Unternehmen als ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im beihilfenrechtlichen Sinn anzusehen ist. Gehört ein Unternehmen einer größeren Unternehmensgruppe an, kommt es für Beihilfen nur dann in Frage, wenn es sich bei den Schwierigkeiten des betreffenden Unternehmens nachweislich um Schwierigkeiten des Unternehmens selbst handelt, die nicht auf eine willkürliche Kostenverteilung innerhalb der Gruppe zurückzuführen sind und die so gravierend sind, dass sie von der Gruppe selbst nicht bewältigt werden können.

Der mit dieser Regelung verfolgte Zweck ist es, zu verhindern, dass eine Unternehmensgrup-pe durch eine künstlich geschaffene Kostenverteilung innerhalb der Gruppe den Staat die Kosten für eine Rettungsmaßnahme tragen lässt. Nach Ansicht des EuG sind vorliegend die Schwierigkeiten der Condor zwar auf die Muttergesellschaft zurückzuführen, aber nicht Folge einer künstlichen Gestaltung und Umverteilung von Liquidität zur Schwächung der Condor. Einen ursächlichen Zusammenhang der Schwierigkeiten der Condor mit dem Liquiditätsbündelungssystem innerhalb der Unternehmensgruppe konnte Ryanair nicht darlegen. Die Liquiditätsbündelung innerhalb einer Gruppe sei eine gängige und verbreitete Praxis, die die Finanzierung der Unternehmensgruppe dadurch erleichtern solle, dass den Gesellschaften dieser Gruppe Einsparungen bei Finanzierungskosten ermöglicht werde. Zudem sei die Muttergesellschaft zur Zeit des Beschlusses bereits in Liquidation und daher nicht in der Lage gewesen, die Schwierigkeiten zu beheben.

Die Condor erbrachte einen wichtigen Dienst

Auch im Übrigen ist die Beihilfe mit Unionsrecht vereinbar. Bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV ist das Beheben eines ohne die Beihilfe eintretenden Marktversagens ein maßgeblicher Gesichtspunkt. Gemäß Rn. 44 der Leitlinien ist ein solches u.a. gegeben, wenn ohne die Beihilfe die Gefahr einer Unterbrechung der Erbringung eines wichtigen Dienstes gegeben ist, der nur schwer zu ersetzen ist und es für Wettbewerber schwierig wäre, die Erbringung der Dienstleistung einfach zu übernehmen. Das EuG kam zu dem Ergebnis, dass die Kommission zu Recht festgestellt habe, dass bei einem Marktaustritt der Condor unter Berücksichtigung von Umfang, Komplexität und Dringlichkeit des wichtigen Dienstes die Gefahr eines schweren Marktversagens bestanden habe. Die Rückholung von 200.000 bis 300.000 Fluggästen der Condor aus 50-150 verschiedenen Zielorten könne eine solche Gefahr begründen. Auch die Übernahme durch Wettbewerber sei gemäß Begründung der Kommission nicht möglich gewesen.

Das EuG beschäftigt sich in seinem Urteil vertieft mit den Voraussetzungen der Beihilfegewährung an ein Unternehmen in Schwierigkeiten anhand einer wörtlichen und teleologischen Auslegung der Leitlinien. Er bestätigt damit eine ständige Kommissionspraxis im Zusammenhang mit Rettungsbeihilfen zugunsten von Fluggesellschaften. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

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