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CBBL Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., Kanzlei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M.
Rechtsanwalt und Advocaat
Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel

Aktuelles zum Kartellrecht und EU-Recht

Neue Sicherheitsmerkmale für in der EU verkaufte Arzneimittel

20.03.2019

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Brüssel, Herrn Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., vanderhout@cbbl-lawyers.de, Tel. +32 - 2 - 234 11 60, www.kapellmann.de

Seit dem 9. Februar 2019 gelten in der EU neue Sicherheitsvorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die bereits vorhandene Regelungen ergänzen.

Ziel der neuen Vorschriften ist es, die Zahl an gefälschten Arzneimitteln in der legalen Lieferkette zu reduzieren. Gefälschte Arzneimittel stellen nicht nur ein erhebliches Risiko für Patienten dar, sondern führen auch zu massiven Umsatzverlusten in der Pharmaindustrie: Dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) zufolge entgehen der Branche dadurch jährlich bis zu 10,2 Mrd. EUR.

Konkret schreibt die delegierte Verordnung (EU) 2016/161 in Verbindung mit der Richtlinie 2011/62/EU vor, dass ab dem 9. Februar 2019 in Verkehr gebrachte Arzneimittel ein individuelles Erkennungsmerkmal sowie einen Erstöffnungsschutz tragen müssen. Zusätzlich zu den neuen Sicherheitsmerkmalen wurde ein EU-weites System zum systematischen Datenabgleich geschaffen. Jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel wird nach Herstellung in einer nationalen bzw. EU-weiten Datenbank aufgeführt und kann somit bis zur Abgabe an den Patienten verfolgt werden. Die nationalen Datenbanken - in Deutschland von securPharm e.V. betrieben - sind in einem „EU-Hub“ eingebettet, der für den Datenaustausch zwischen Mitgliedstaaten der EU, des EWR und der Schweiz sorgt.

Des Weiteren beruht das neue EU-weite System auf dem sogenannten „Ende-zu-Ende“-Prinzip. Demnach spielen beide Enden der Logistikkette eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle der Echtheit von Arzneimitteln. An einem Ende stehen die pharmazeutischen Unternehmen, die Arzneimittel in Verkehr bringen und am anderen stehen die zur Abgabe von Arzneimitteln befugten Einrichtungen, wie z.B. Krankenhäuser oder Apotheken. Für beide Akteure sowie für Großhändler entstehen durch das Inkrafttreten der Regelung neue Pflichten.

Hersteller müssen seit dem 9. Februar 2019 nicht nur die Datenübermittlung an die nationale bzw. europäische Datenbanken gewährleisten, sondern auch sicherstellen, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel die neuen Sicherheitsmerkmale tragen: Einerseits einen Erstöffnungsschutz („anti-tampering device“), der zur Überprüfung der Unversehrtheit der äußeren Verpackung dient und somit eine mögliche Manipulation erkennen lässt. Dabei muss der Hersteller den einheitlichen europäischen Standard DIN EN 16679 erfüllen. Andererseits ein individuelles Erkennungsmerkmal („unique identifier“), das in Form eines zweidimensionalen Codes auf die Verpackung gedruckt wird. Durch die individuelle Packungsnummer wird jede Packung zum Unikat und verhindert somit das Eindringen von gefälschten Produkten in die Lieferkette.

Großhändler sind gesetzlich dazu verpflichtet bei Arzneimitteln, bei denen ein höheres Fälschungsrisiko besteht, das individuelle Erkennungsmerkmal zu überprüfen. Dies gilt insbesondere für Arzneimittel, die von einer zur Abgabe befugten Einrichtung (z.B. Krankenhäuser oder Apotheken) zurückgegeben werden oder bei solchen, die von Personen vertrieben werden, die weder Hersteller noch Großhändler mit Genehmigung für das Inverkehrbringen sind. Auch ist zu beachten, dass in manchen Fällen das individuelle Erkennungsmerkmal von Großhändlern deaktiviert werden muss, beispielsweise bei einem Vertrieb außerhalb der EU, bei Vernichtung eines Arzneimittels oder bei Abgabe an Personen, die zwar zur Abgabe von Arzneimitteln befugt, aber nicht in einer Gesundheitseinrichtung oder Apotheke tätig sind.

Zur Abgabe befugte Einrichtungen, z.B. Apotheken und Krankenhäuser, sind dazu verpflichtet, die Unversehrtheit des Erstöffnungsschutzes zu überprüfen. Auch muss vor Abgabe eines Arzneimittels an den Patienten das individuelle Erkennungsmerkmal mit der Datenbank abgeglichen werden und die Packungsnummer aus dem System gebucht werden. Bei Fälschungsverdacht ist die verdächtige Packung bis zur endgültigen Klärung separat zu lagern.

Bestandsware, die vor dem 9. Februar 2019 in Verkehr gebracht wurde und nicht den neuen Sicherheitsmerkmalen entspricht, kann bis Ablaufen des Verfallsdatums weiterhin verkauft werden. In den kommenden Jahren werden sich somit die neuen verifizierten Arzneimittel mit der Bestandsware vermischen, was zu Konflikten bei der Systemabgleichung führen kann. Trotz dieser möglichen Schwierigkeiten ist jedoch zu betonen, dass das neue Sicherheitssystem zu den größten Infrastrukturprojekten der Arzneimittelversorgung in Europa gehört und einen großen Beitrag zur Arzneimittelsicherheit leistet.