Das neue Bürgerliche Gesetzbuch bringt Neuerungen für beinahe alle Bereiche des Privatrechts. Nur wenige sind jedoch so grundlegend wie die des Schadenersatzrechts.
Das Vertrauen des Käufers in Gutachten
In der Anwaltspraxis treffen wir leider sehr häufig auf den folgenden Fall: Der Eigentümer einer Immobilie, der seine Immobilie verkaufen möchte, beauftragt einen Gutachter zur Bewertung seiner Immobilie. Nach der Erstellung des Gutachtens legt er dieses als Verkäufer dem Käufer vor. Im Vertrauen auf das Gutachten, welches von einem Fachmann erstellt wurde, stimmt der Käufer dem durch das Gutachten festgelegten, als Marktpreis deklarieren Immobilienpreis zu. Nach einigen Monaten bemerkt der Käufer jedoch, dass der Zustand der Immobilie nicht der Beschreibung im Wertgutachten entspricht, und dass der Immobilienwert niedriger ist als im Gutachten aufgeführt. Daraus ergibt sich die Frage, wie der Käufer gegen den Gutachter vorgehen kann.
Weitreichender Ansatz des bisherigen Gesetzes...
Das aktuelle Bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet nicht zwischen der Verletzung von Vertragspflichten und gesetzlichen Pflichten. Das Oberste Gericht hat daher in ähnlichen wie dem oben beschriebenen Fall entschieden, dass es nicht entscheidend ist, ob der entstandene Schaden die Folge einer Verletzung von gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten ist, und hat dritten Personen ohne weiteres das Recht auf Schadensersatz gegen den Gutachter zuerkannt.
… und die bedingtheit des Schadenersatzrechts im neuen Gesetzbuch
Das neue Bürgerliche Gesetzbuch, welches am 1. 1. 2014 in Kraft tritt, hat sich durch das deutsche BGB inspirieren lassen, und unterscheidet nunmehr die Verletzung von gesetzlichen und vertraglichen Pflichten. Bis auf Ausnahmen wird daher gelten, dass die Verletzung von vertraglichen Pflichten eine Schadensersatzpflicht nur gegenüber den Vertragspartnern begründet, jedoch nicht gegenüber dritten Personen. Für den oben beschriebenen Fall würde dies also bedeuten, dass dem Käufer kein Recht auf Schadensersatz gegen den Gutachter zusteht, da dieser auf der einen Seite keine gesetzliche Bestimmung verletzt hat, und auf der anderen Seite in keinem Vertragsverhältnis mit dem Käufer steht, und deshalb ein Schadensersatz für die Verletzung von Vertragspflichten nicht in Betracht kommt.
Dieses Ergebnis würde in der Praxis jedoch zu unangemessenen Härten führen, weshalb der tschechische Gesetzgeber nach dem Vorbild der deutschen Rechtsprechung die Ausnahme eingeführt hat, nach der eine Vertragspartei zum Schadensersatz gegenüber einer dritten Partei dann verpflichtet ist, wenn die Erfüllung der Vertragspflicht offensichtlich zum Schutze der dritten Partei dienen sollte. Schon auf den ersten Blick ist offensichtlich, dass die Formulierung „offensichtlich dienen sollte“ sehr abstrakt ist und nicht verrät, ob unserem Käufer ein Recht auf Schadensersatz gegen den Gutachter zusteht oder nicht. Trotzdem ist es nicht angebracht, sich in das oft verwendete Sprichwort „bis die Rechtsprechung einen Hinweis gibt, wie diese Bestimmung zu verstehen ist“ zu flüchten; für die Entschlüsselung der zitierten Bestimmung genügt nämlich die Kenntnis des deutschen Rechts.
Suche nach Inspiration in Deutschland
Der deutsche Bundesgerichtshof erlaubt in der oben genannten Fallkonstellation die Schadensersatzpflicht des Gutachters für Schäden gegenüber dem Käufer unter der Voraussetzung, dass sich der Gutachter bewusst ist, dass sein durch den Verkäufer in Auftrag gegebenes Gutachten einer dritten Person vorgelegt werden könnte. Die Tatsache, dass dem Gutachter die Verwendung seines Arbeitsergebnisses gegenüber dritten Personen offensichtlich ist, folgt oftmals aus dem Text des Gutachtens, in welchem meist gleich zu Beginn der Zweck der Erstellung des Gutachtens benannt wird. Es ist also nicht notwendig, dass dem Gutachter die Anzahl oder die Namen der Personen bekannt sind, denen ein Recht auf Schadensersatz zustehen soll. Dem Bundesgerichtshof hat es beispielsweise genügt, dass in einem Immobilienwertgutachten erwähnt war, dass dieses für die „Zwecke der Planung und Finanzierung“ bestimmt war, um einen Schadensersatzanspruch einem weiten Kreis von Personen zuzusprechen, welche dem Auftraggeber des Gutachtens Kapital zur Verfügung gestellt haben.
Wenn wir zu unserem Käufer zurückkommen, so würde diesem ein Schadensersatzrecht gegen den Gutachter beispielsweise dann zustehen, wenn das vorgelegte Gutachten eine Bestimmung enthält, nach dem das „Gutachten für die Zwecke des Immobilienverkaufs erstellt“ wird, bzw. eine ähnliche Formulierung,
Das Leben bringt natürlich auch weit kompliziertere Fälle. In der Praxis passiert es nicht selten, dass der Gutachter sich auf falsche Behauptungen des Auftraggebers verlässt, woraufhin sein Gutachten nicht den wahren Tatsachen entspricht.Als Beispiel können etwa Fälle aufgeführt werden, bei denen der Eigentümer eines Automobils den Gutachter darüber täuscht, dass das Fahrzeug unfallfrei ist und der Gutachter diese Information mit in das Gutachten aufnimmt. Die Frage ist dann folglich, ob der Gutachter dem Käufer dafür zum Schadensersatz verpflichtet ist. Der Anstoß für die Lösung dieses Falles kann wiederum in der deutschen Rechtsprechung gefunden werden, welche entschieden hat, dass sich der Gutachter in einem solchen Falle nicht auf sein Vertrauen auf die Richtigkeit der Behauptungen des Auftraggebers (des Fahrzeugeigentümers) berufen darf, da dritte Personen legitimer Weise auf sein Gutachten vertrauen und es die Verantwortung des Gutachters ist, die durch den Auftraggeber oder eine andere Person mitgeteilten Informationen zu beurteilen. Nur zur Vollständigkeit fügen wir hinzu, dass falls im Gutachten aufgeführt ist, dass das Gutachten teilweise auf ungeprüften Informationen beruht, es nach unserer Einschätzung nicht zu einer Verantwortlichkeit des Gutachters aus diesem Aspekt des Gutachtens kommen würde.
In diesem Beitrag werden freilich nicht alle Fragen behandelt, die mit dem dargestellten Problemkreis in Zusammenhang stehen. Die deutschen Gerichte schließen beispielsweise grundsätzlich die Verantwortlichkeit des Gutachters gegenüber dritten Personen aus, wenn diesen Personen (beispielsweise die Käufer) „eigene“ Rechter gegenüber ihren Vertragspartnern zustehen (beispielsweise gegen den Verkäufer). Ferner wiederholt auch die ausländische Rechtsprechung ständig, dass an die Fälle der Verantwortlichkeit von Fachleuten gegenüber dritten Personen individuell herangegangen werden muss und warnt vor der Verallgemeinerung einzelner Fälle.
Und was sagen dazu die tschchischen Gerichte?
Selbstverständlich kann heute nicht mit Sicherheit vorhergesehen werden, welche Richtung die Entscheidungspraxis der tschechischen Gerichte einschlagen wird. Wir halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Rechtsprechung bedeutend von den Ergebnissen unserer westlichen Nachbarn abweichen wird, wenn der tschechische Gesetzgeber sich doch offensichtlich von ihnen hat inspirieren lassen.
Es ist jedoch unzweifelhaft, dass anstatt das Sprichwort zu verwenden, nachdem erst die Rechtsprechung einen Hinweis gibt, wie die gesetzliche Bestimmung auszulegen ist, und anstatt sich über die Abstraktheit des neuen Gesetzes zu beklagen, wir uns bei der Suche nach Lösungen für die Auslegung der Bestimmungen des Neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs an unseren Nachbarländern orientieren sollten. Wie auch dieser Beitrag zeigt, existieren bereits Dutzende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und hunderte Seiten Literatur zu dem angesprochenen Problemkreis – des Öfteren präsentieren uns ausländische Quellen die Lösungen geradezu auf einem silbernen Tablett. Des Weiteren ermöglicht uns diese Herangehensweise nicht nur die Lösung unserer Probleme mit dem neuen Gesetzbuch, sondern oftmals sogar von vornherein deren Vermeidung.