Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in Argentinien
CBBL Rechtsanwalt in Argentinien, Federico Guillermo Leonhardt, Kanzlei Leonhardt & Dietl
Federico Guillermo Leonhardt
Abogado
Leonhardt & Dietl
Buenos Aires

Aktuelles zum argentinischen Wirtschaftsrecht

Vertragliche Beziehungen in Argentinien im Rahmen der Gesundheitskrise durch COVID-19

30.03.2020

In Anbetracht des weltweiten sanitären Kontextes als Folge des Covid-19-Ausbruchs und nach der Erklärung des globalen sanitären Notstands und der sich daraus ergebenden Notwendigkeits- und Dringlichkeitsverordnung Nr. 297/2020 per Erlass der Nationalexekutive in der Republik Argentinien, welche die Zirkulation der Personen i. allg. einschränkt, erscheint es angebracht, kurz die vorgesehenen allgemeinen Bestimmungen und die betreffende Unmöglichkeit ihrer Erfüllung in Fällen höherer Gewalt gem. der argentinischen Gesetzgebung zu analysieren.

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Partneranwalt Herrn Martin Dietl, Argentinischer Rechtsanwalt, dietl@cbbl-lawyers.de, Tel. +54 - 11 3221 9650, www.leodi.com.ar

Auf dieser Grundlage bezwecken diese Ausführungen folgendes:

  • Die allgemeinen Prinzipien festzulegen, welche dazu verhelfen können, die Verantwortung in einem Fall der Nichterfüllung im gegenwärtigen Kontext zu bestimmen.
  • Allgemeine Empfehlungen in Zusammenhang mit unter argentinischer Gesetzgebung geltenden Verträgen anzubieten.

Die im Anschluss aufgezeigten Grundsätze ziehen keine Sondersituationen in Betracht und stellen auch keine rechtliche Meinung dar. Sie sind gem. ihren eigenen Merkmalen zu analysieren, da sie von Sonderbestimmungen oder durch vertragliche Vorkehrungen beeinträchtigt werden können.

Was ist im argentinischen Gesetz unter höherer Gewalt zu verstehen?

Als zufälliges Ereignis oder höhere Gewalt wird die Tatsache betrachtet, die nicht vorhersehbar war oder die zwar vorgesehen wurde, aber nicht vermieden werden konnte. Die überkommene, objektive, absolute und definitive Unmöglichkeit der Dienstleistung auf Grund des zufälligen Ereignisses oder der höheren Gewalt, löscht die Verbindlichkeit ohne Verantwortung.

Ist die überkommene Unmöglichkeit temporär, so hat diese eine erlöschende Auswirkung, wenn die Frist ausschlaggebend ist oder wenn ihr Fortdauern das Interesse des Gläubigers unumkehrbar frustriert.

Wie weiter oben festgelegt, enthebt i. allg. das zufällige Ereignis oder die höhere Gewalt der Verantwortung, es sei denn, es bestehen anderslautende Bestimmungen. Dessen ungeachtet ist in Betracht zu ziehen, dass das zufällige Ereignis oder die höhere Gewalt nicht automatisch zur Anwendung kommen, weshalb derjenige, der sich gezwungen sieht, einer zuvor eingegangenen Verpflichtung nachzukommen, sich ausdrücklich darauf zu berufen und deutlich das Verhältnis zwischen der Situation höherer Gewalt und seiner Nichterfüllung darzulegen hat.

Welche anderen Institute können in diesem Kontext gem. argentinischer Gesetzgebung angewandt werden?

In der argentinischen Gesetzgebung gibt es außer des zufälligen Ereignisses und der höheren Gewalt weitere Institute, die im gegenwärtigen Kontext als Folge des COVID-19-Ausbruchs angerufen werden könnten.

(i) Unvorhersehbarkeit. Wenn im Rahmen einer nicht zufälligen Vertragsbeziehung mit nachträglicher oder ständiger Ausführung, die Dienstleistung einer der Parteien auf Grund einer außerordentlichen Verzerrung der zum Zeitpunkt der Vertragsschließung herrschenden Umstände aus den Parteien fremden Gründen und wegen des eingegangenen Risikos, das sie beeinträchtigt, übermäßig kostspielig wird, so hat diese Partei das Recht, die Auflösung des gesamten Vertrags oder von Teilen davon oder seine Anpassung zu beantragen. Die gleiche Regel gilt für den aleatorischen Vertrag, wenn die Dienstleistung aus zufälligen Gründen übermäßig kostspielig wird.

Im Unterschied zu den Fällen höherer Gewalt und aufkommender Unmöglichkeit, fordert die Unvorhersehbarkeit nicht, dass die Erfüllung der Verpflichtung unmöglich ist; es reicht dazu aus, dass sie übermäßig kostspielig ist, dass sie nicht Teil des bei Vertragsschließung eingegangenen Risikos ist und dass sie nicht auf das eigene Handeln zurückzuführen ist.

(ii) Aufhebung der Erfüllung. Bei bilateralen Verträgen, bei denen die Parteien ihre Verpflichtungen simultan zu erfüllen haben, kann eine der Parteien die Erbringung der Leistung unterbrechen, bis die andere ihre Verpflichtung erfüllt oder sich anbietet, diese zu erfüllen.

(iii) Präventiver Rechtsschutz. Eine Partei kann ihre eigene Erfüllung aufheben, wenn ihre Rechte durch einen schwerwiegenden Schaden bedroht werden, weil die andere Partei eine bedeutende Beeinträchtigung ihrer Fähigkeit zu erfüllen oder ihrer Solvenz erlitten hat. Die Aufhebung wird wirkungslos, wenn die andere Partei ihren Teil erfüllt oder ausreichende Sicherheiten bietet, dass die Erfüllung erfolgen wird.

Kann das COVID-19 eine der Parteien von der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen befreien?

Das Vorhandensein einer Befreiungsursache auf Grund höherer Gewalt oder überkommener Kostspieligkeit im gegenwärtigen Kontext der COVID-19-Pandemie wird aus dem Zusammenhang mit der Folge zwischen dem COVID-19 und den demzufolge getroffenen Maßnahmen und der Nichterfüllung zusammenhängen.

In Anbetracht der besonderen Bedeutung, welche die argentinische Rechtsordnung dem guten Glauben in Ausübung der Rechte einräumt, und des ausdrücklichen Verbots ihrer missbräuchlichen Anwendung, wird angesichts des Szenarios eines Streitfalls die vorherige und nachträgliche Verhaltensweise des Säumigen ebenfalls besonders ausschlaggebend sein.

Die Situation der Nichterfüllung im Rahmen des sanitären Notstands auf Grund von COVID-19, kann – im Allgemeinen – auf zwei Voraussetzungen fußen:

  • (i) Bestimmungen der Regierung, wie eine allgemeine oder besondere Einschränkung der Aktivitäten, Befehl Anlagen oder Geschäftslokale zu schließen und Pflichtquaräntenen mit Einschränkung der Anzahl Mitarbeiter.
  • (ii) Faktische Sachlagen, wie Unterbrechungen der Lieferkette, allgemeine Erkrankung der Belegschaft, Beschränkungen der Fernarbeit.

Im ersten Fall wird der Beweis des zufälligen Ereignisses oder der höheren Gewalt einfacher ausfallen, da sie auf objektiven Umständen und auf staatlichen Beschlüssen fußen. Im zweiten Fall wird der Beweis schwieriger sein, da das Eintreten des zufälligen Ereignisses unmittelbar mit Entscheidungen der Parteien in einem ungünstigen Rahmen zusammenhängt. Wie weiter oben bereits erklärt, ist in Betracht zu ziehen, dass sowohl die Pflicht des guten Glaubens, als auch die Beschränkung des Rechtsmissbrauchs und die Pflicht den Nächsten nicht zu schädigen implizieren, dass die betroffene Partei vernünftige Maßnahmen ergreift, um die vom Kontext aufgezwängten Auswirkungen einzudämmen.

Ist höhere Gewalt in Argentinien in allen Fällen eine Befreiungsursache?

Weder die höhere Gewalt noch die übertriebene Kostspieligkeit wirken automatisch, wobei die Vertragsbestimmungen, welche freiwillig die Beziehung zwischen den Parteien regeln, - falls vorhanden -, von besonderer Bedeutung sind.

Es ist in Betracht zu ziehen, dass selbst bei einem zufälligen Ereignis oder angesichts der Unmöglichkeit der Erfüllung, der Schuldner in folgenden Fällen verantwortlich ist:

a) wenn er die Erfüllung selbst bei Eintreten eines zufälligen Ereignisses oder einer Unmöglichkeit verantwortet hat;

b) wenn aus einer gesetzlichen Bestimmung hervorgeht, dass er nicht wegen eines zufälligen Ereignisses oder der Unmöglichkeit der Erfüllung befreit wird;

c) wenn er im Verzug ist, es sei denn, dieser ist für das Eintreten des zufälligen Ereignisses oder der Unmöglichkeit der Erfüllung nicht von Bedeutung;

d) wenn das zufällige Ereignis oder die Unmöglichkeit der Erfüllung aus seinem Verschulden eintreten;

e) wenn das zufällige Ereignis oder ggfs. die Unmöglichkeit der Erfüllung, die daraus hervorgeht, eine Kontingenz darstellen, die dem Risiko der Sache oder der Aktivität eigen sind;

f) wenn er als Folge einer Straftat verpflichtet ist zu ersetzen.

Sachverpflichtungen: Es ist wichtig hervorzuheben, dass das zufällige Ereignis nicht als Befreiungsursache bei Verpflichtungen greift, Sachen nur auf Grund ihrer Gattung oder Menge zu geben (z.B. Sachverpflichtungen), sofern die geschuldete Sache nicht zuvor individualisiert worden ist. Zum Beispiel, wenn Geldbeträge oder eine bestimmte Menge Getreide zu geben sind, dann befreit die Ursache der höheren Gewalt den Schuldner nicht, es sei denn, die Geldscheine oder das Getreide sind bereits ordentlich individualisiert worden. Im Fall von Medikamenten könnte interpretiert werden, dass die Lieferung einer bestimmten Menge Wirkstoffe eine Sachverpflichtung darstellt, die demnach nicht von höherer Gewalt betroffen ist, bis die geschuldete Sache nicht ordnungsgemäß individualisiert worden ist.

Strafklausel: Schließlich ist in Bezug auf Verträge mit festgelegten Strafklauseln in Betracht zu ziehen, dass der Befreiungsumstand wegen zufälliger Ereignisse restriktiv auszulegen und anzuwenden ist. Selbst wenn die Partei evtl. von der Erfüllung der Verpflichtung auf Grund des Kontextes durch Ausbrechen des COVID-19 befreit wird, der Vertrag aber eine spezifische Strafe bei Nichterfüllung vorgesehen hat, ist die Befreiungsursache näher zu analysieren und deshalb mit größerer Bestimmtheit zu begründen.

Allgemeine Empfehlungen in Zusammenhang mit geltenden Verträgen nach argentinischer Gesetzgebung.

1) Untersuchen, ob die laufenden Verträge spezifische Vorkehrungen in Bezug auf höhere Gewalt oder auf Unvorhersehbarkeit enthalten. Im Allgemeinen ist es so, dass die Verträge, welche diese Situationen vorsehen, Mechanismen zu ihrer Anwendung festlegen, so wie eine Mitteilung binnen einer vorbestimmten Frist, vorläufige Aufhebung der Nichterfüllung und Auflösung nach Ablauf der Aufhebungsfrist.

2) Alle getroffenen Maßnahmen zur Linderung der Auswirkungen der sanitären Krise ordentlich protokollieren, und diejenigen außerordentlichen und unvorhersehbaren oder unlösbaren Situationen, welche eine Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich machen. Die Fähigkeit, diese Tatsachen zu beweisen, wird für den Erfolg ausschlaggebend sein, wenn die Gegenpartei sich weigert zu akzeptieren, dass man von höherer Gewalt betroffen war. Wenn man selbst die höhere Gewalt abstreitet, dann können die getroffenen Maßnahmen, um die Kosten auf Grund der Nichterfüllung durch den Dritten zu schmälern, bei einem Streitfall vom Richter günstig aufgenommen werden.

3) Wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung bei einem selbst liegt, dann ist die Situation guten Glaubens der anderen Partei mitzuteilen, und ein Zeitplan mit Aktivitäten festzulegen, um die Auswirkungen der höheren Gewalt zu lindern.

4) Sollten Sie von der Gegenpartei eine Mitteilung über höhere Gewalt erhalten, fordern Sie, dass spezifisch klargestellt wird, welche Ursache sie beeinträchtigt und wie sich diese auf ihre Erfüllungsfähigkeit auswirkt.

5) Im Fall von Verpflichtungen, eine bestimmte Menge oder Qualität Sachen zu geben, ist festzulegen, ob die geschuldete Sache ordentlich individualisiert wurde oder nicht.

6) Wenn die Situation der höheren Gewalt oder Unmöglichkeit nicht permanent ist, ist – soweit möglich – guten Glaubens eine zumutbare Frist zur Erfüllung auszuhandeln. Auf Grund der Natur der COVID-19-Krise ist es höchstwahrscheinlich, dass die Situation der Nichterfüllung vorrübergehend ist. Aus diesem Grund wäre es ratsam Vertragsergänzungen zu unterzeichnen, um den eingegangenen Verpflichtungen ein neues Profil zu verleihen, sofern die Aushandlung dieser Dokumente die Beziehung zu der anderen Partei nicht beeinträchtigt.

7) Wenn Sie nicht die von der Gesundheitskrise beeinträchtigte Partei sind, sollte die Möglichkeit erwogen werden, das Institut des präventiven Rechtsschutzes anzuwenden, falls zumutbar angenommen werden kann, dass die andere Partei ihren Verpflichtungen nicht nachkommen können wird.

Dieses Dokument stellt weder eine rechtliche Meinung noch einen Ratschlag für einen Sonderfall dar. Sollten Sie Zweifel haben, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.

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