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CBBL Anwalt in Brasilien, Gustavo Stüssi Neves, Kanzlei Stüssi-Neves Advogados
Gustavo Stüssi Neves
Advogado
Stüssi-Neves Advogados
São Paulo, Rio de Janeiro

Aktuelles zum brasilianischen Wirtschaftsrecht

Vorläufiger Kündigungsschutz von Arbeitnehmern mit Behinderungen in Brasilien aufgrund der Pandemie

13.07.2021

Ende 2019 und Anfang 2020 musste die Welt den tragischen Weg des Coronavirus Sars-Cov-2 miterleben, das Tausende von Menschen in der Stadt Wuhan in China infizierte und sich über verschiedene Provinzen Chinas schließlich in der ganzen Welt ausbreitete.

Von unseren deutschsprachigen CBBL-Anwältinnen in São Paulo, Renata Gallo Tabacchi Gava de Oliveira, gallo@cbbl-lawyers.de, und Patrícia Salviano Teixeira, salviano@cbbl-lawyers.de, Tel. +55 - 11 - 309 366 12www.stussi-neves.com

In Brasilien veröffentlichte das Gesundheitsministerium am 03. Februar 2020 den Erlass Nr. 188/2020, in dem es wegen der Infektion von Menschen durch das neue Coronavirus (2019-nCoV) den Öffentlichen Gesundheitsnotstand von nationaler Tragweite (ESPIN) erklärte.(1)

Am 06.02.2020 wurde das Gesetz Nr. 13.979/2020 mit Maßnahmen für die Bekämpfung des Öffentlichen Gesundheitsnotstand von nationaler Tragweite aufgrund des Virus verabschiedet, das später einige Änderungen erfuhr.

Am 11. März 2020 erklärte der Generaldirektor die Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, die Existenz einer Pandemie aufgrund von COVID-19, was den brasilianischen Kongress dazu bewog, durch das Gesetzgebungs-Dekret Nr. 6/2020 bis zum 31. Dezember 2020 den Notstand auszurufen. Der Präsident erließ danach eine Reihe von Notverordnungen (MPs), um die Pandemie zu bekämpfen.

Eine der Notverordnungen des Präsidenten war die MP Nr. 936, die am 06. Juli 2020 in das Gesetz Nr. 14.020/2020 umgewandelt wurde, mit der das sogenannte Notprogramm zur Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen und Einkommen implementiert wurde. Artikel 1 regelte die ergänzenden Maßnahmen für die Bekämpfung des Öffentlichen Gesundheitsnotstandes aufgrund des Coronavirus.

Bei der Umwandlung der MP Nr. 936 in das Gesetz Nr. 14.020 wurde Artikel 17 eingefügt, der die Entlassung von Personen mit Behinderungen ohne triftigen Grund untersagte, solange der Notstand andauert. Diese Kategorie von Arbeitnehmern wurde in den Texten der erwähnten MP oder des Gesetzes Nr. 13.979/2020 und ihrer späteren Änderungen nicht gesondert behandelt.

Es ist jedoch eindeutig, dass es der gesonderten Behandlung von Personen mit Behinderungen bedarf, damit deren Schutz, ihre Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt gewährleistet wird, wie vom Gesetz Nr. 8.213/91 verlangt, das die Pflicht zur Beschäftigung dieser Bevölkerung im Einklang mit einer vorgegebenen Quote vorsieht.

Die Sozialgesetze sehen im Gegensatz zu Artikel 17 des Gesetzes Nr. 10.020/2020, der diese Gruppe von Arbeitnehmern nur für die Dauer des Notstandes aufgrund der COVID-19-Pandemie schützt, eine permanente Pflicht des Arbeitgebers vor, eine bestimmte Anzahl von Menschen mit Behinderung zu beschäftigen.

Der Notstand des Gesetzgebungsdekrets Nr. 06/2020 wurde vom Nationalen Kongress jedoch nicht verlängert. Der Bundesverfassungsrichter Ricardo Lewandowski des Bundesverfassungsrichters (STF) entschied bei der Prüfung der Direkten Klage auf Verfassungswidrigkeit ADI Nr. 6.625 MC/DF, dass einige Artikel des Gesetzes Nr. 13.979/20 weitergelten, er erwähnte jedoch nicht die Bestimmung, die die Personen mit Behinderung behandelt. Angesichts dessen konnte nicht vom Kündigungsschutz für diese Kategorie von Arbeitnehmern gesprochen werden.

Auf der anderen Seite beendet das am 31.12.2020 abgelaufene Gesetzgebungsdekret Nr. 6/2020, an das das Gesetz Nr. 13.979/20 gebunden ist, leider nicht den Notstand durch das Coronavirus Sars-Cov-2, von denen die Medien täglich berichten. Im Gegenteil, Brasilien sieht sich bei der Bekämpfung von COVID-19 mit großen Schwierigkeiten konfrontiert, die zahlreiche Menschen täglich das Leben kostet und so viele andere schwer beeinträchtigt.

Auf diesen Umstand wies der Bundesverfassungsrichter Ricardo Lewandowski in der Entscheidung ADI Nr. 6.625 MC/DF hin, der es als umsichtig und ratsam ansah, die im Gesetz Nr. 13.979/2020 für die Bekämpfung der Pandemie vorgesehenen außerordentlichen Maßnahmen beizubehalten. Der STF hat sich ferner dahingehend geäußert, dass die Bundesländer die Aufrechterhaltung des öffentlichen Notstandes dekretieren können, was in Minas Gerais (Verordnung Nr. 48.102/2020), Paraná (Verordnung Nr. 6.543/2020) und Tocantins (Verordnung Nr. 6.202/2020), sowie in verschiedenen brasilianischen Gemeinden geschehen ist.

An dieser Stelle gilt es, sich einem weiteren Aspekt zu widmen. Gilt vor dem Hintergrund der Landes- und/oder der Gemeindedekrete, die den öffentlichen Notstand verlängern, der in Artikel 17 V des Gesetzes Nr. 10.020/2020 vorgesehene Kündigungsschutz von Behinderten.

Die in Art. 22, I, der Bundesverfassung von 1988 vorgesehene ausschließliche Zuständigkeit des Bundes für arbeitsrechtliche Regeln, hindert die Landes- oder Gemeindegesetzgeber an einer solchen Regelung. Im konkreten Fall existiert allerdings ein Bundesgesetz, das in den betreffenden Bundesländern und Gemeinden theoretisch angewendet werden kann, da der Notstand dort verlängert wurde.

Die Diskussion über das Thema ist noch lange nicht vorbei, klar ist jedoch, dass nach und nach Klagen auf Wiedereinstellung von behinderten Arbeitnehmern die Gerichte erreichen, die nach der Verkündung des Gesetzes Nr. 10.020/2020 entlassen wurden.

Bei der Behandlung des Themas sollte man Vorsicht walten lassen, insbesondere sollten tarifliche Normen dieses Zeitraums geprüft werden, in denen diese Angelegenheit in gleicher oder sogar in weitergehender Form behandelt wurden, als in dem hier behandelten Gesetz.

(1) Erlass Nr. 188 vom 03. Februar 2020, Gesundheitsministerium, abgerufen am 10.02.2021.
(https://www.in.gov.br/en/web/dou/-/portaria-n-188-de-3-de-fevereiro-de-2020-241408388)

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