Zauber des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches

oder „Mein Bau gehört mir nicht mehr?“

Das Inkrafttreten des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches rückt unaufhaltsam näher und mit ihm auch eine große Menge verschiedenster Veränderungen, kleinerer und größerer. Zweck dieses Artikels ist es, den Leser über eine der wenigen grundlegenden Änderungen zu informieren, die jeden, auch nur potentiellen, Immobilieneigentümer betrifft. Gemeint ist die Wiedereinführung des Prinzips superficies solo cedit, also die rechtliche Verbindung von Überbau und Grundstück in eine einzige immobile Sache.

Was ändert sich eigentlich?

Für Anwälte ist der lateinische Lehrsatz superficies solo cedit das Alpha und Omega des Immobilienrechts. Für alle anderen hört sich das eher nach einem Zauberspruch an.

Was ändert sich also in der Praxis? Das neue Bürgerliche Gesetzbuch regelt, dass als immobile Sache nur Grundstücke behandelt werden können. Ein auf ihnen stehender Bau wird künftig keine eigenständige Sache mehr bilden, sondern wird Bestandteil des Grundstücks. Der Bau als Bestandteil des Grundstücks kann künftig nicht mehr eigenständig übertragen werden, übertragen wird nur das Grundstück.

Der Bau als Bestandteil des Grundstücks – Vorteil für Grundstückseigentümer?

Besitzen Sie einen Bau auf fremdem Grundstück und sind bereits in Panik verfallen, dass Ihnen der Gesetzgeber mit schwenkendem Zauberstab und gleichzeitigem Aussprechen des Zauberspruchs superficies solo cedit das Eigentumsrecht am Bau zu Gunsten des Grundstückseigentümers entzieht? Keine Angst. Die absolute Durchsetzung des Prinzips superficies solo cedit ist natürlich ausgeschlossen, da dies einem Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Eigentumsrecht gleichkommen würde. Damit es zu keinen solchen Verletzungen kommt, hat der Gesetzgeber die problematischen Situationen in den Übergangsbestimmungen geregelt. Diese Regelung basiert auf der deutschen Regelung, wo nach der Wiedervereinigung Deutschlands das Prinzip superficies solo cedit auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wiederbelebt werden musste.
Der Überbau verschmilzt nur dann mit dem Grundstück, wenn Überbau und Grundstück einen gemeinsamen Eigentümer, bzw. Miteigentümer haben. Sind Eigentümer von Bau und Grundstück unterschiedliche Personen, bleibt das Eigentum auch weiterhin getrennt. Der Bau verschmilzt also nicht mit dem Grundstück, wird nicht sein Bestandteil und bleibt auch weiterhin eine eigenständige Sache, solange nicht beide Immobilien vom gleichen Eigentümer erworben werden. Absicht des Gesetzgebers ist jedoch, dass dem Prinzip superficies solo cedit Schritt für Schritt Rechnung getragen wird. Hierzu wird ein gesetzliches Vorkaufsrecht bestellt, sowohl für den Eigentümer des Grundstücks, als auch für den Eigentümer des Baus. Will der Eigentümer des Baus ihn auf eine andere Person übertragen, besitzt der Eigentümer des Grundstücks ein Vorkaufsrecht (was natürlich auch umgekehrt gilt, d.h. dass Verkäufer der Grundstückseigentümer ist). Dieses gesetzliche Vorkaufsrecht kann vertraglich weder eingeschränkt und schon gar nicht ausgeschlossen werden.

Vorkaufsrecht beachten! Und die praktischen Folgen? 

Der Eigentümer des Grundstücks bzw. Baus wird die betroffene Immobilie zunächst dem Eigentümer des Baus, bzw. Grundstücks anbieten müssen, und zwar zu dem zwischen Verkäufer und Drittem (nach der neuen Terminologie „Kauflustigem“) vereinbarten Preis, wobei dieses Angebot schriftlich zu unterbreiten ist. Der Vorkäufer (oder die aus dem Vorkaufsrecht berechtigte Person) hat bei Interesse dem Verkäufer den Kaufpreis binnen drei Tagen ab dem Tag der Angebotsunterbreitung zu zahlen. Wie wird eine Verletzung des Vorkaufsrechts belangt? Gelangen auf das gesetzliche Vorkaufsrecht die Bestimmungen über das Vorkaufsrecht zur Anwendung, so gestaltet sich die Situation wie folgt: da das Vorkaufsrecht in das Grundbuch eingetragen wird und der Kauflustige daher von ihm Kenntnis haben musste, wird der Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Kauflustigem mit der auflösenden Bedingungen der Ausübung des Vorkaufsrechts geschlossen, d.h. dass die aus dem Vorkaufsrecht berechtigte Person die Möglichkeit hat wird, binnen drei Jahren ab dem Zeitpunkt, an dem er sie von einem solchen Kaufvertrag Kenntnis erhält, ihr Vorkaufsrecht auszuüben, so dass die Folgen des Kaufvertrages erlöschen. Das gesetzliche Vorkaufsrecht sollte daher nicht auf die leichte Schulter genommen werden, da dies unabsehbare Folgen haben könnte. 

Das Gesetz zwingt den Vorkäufer jedoch nicht, das Vorkaufsrecht auch auszuüben. In diesem Fall bleiben Bau und Grundstück auch weiterhin eigenständige Sachen und ihr Eigentum getrennt. Die flächendeckende Umsetzung des Prinzips superficies solo cedit wird somit Dutzende, vielleicht sogar Hunderte von Jahren dauern. Wichtig ist auch der Hinweis, dass die gesetzliche Beschränkung des Baueigentümers in Form des Vorkaufsrechts nicht für Eigentümer von Wohn- oder Gewerberäumen gilt.

Baueigentümer, Augen aufhalten!

Die Eigentümer von auf fremden Grundstücken errichteten Bauten sollten ab dem neuen Jahr wachsam sein und darauf achten, dass ihr Eigentumsrecht ordnungsgemäß im Grundbuch eingetragen ist. Anderenfalls wäre folgende Situation vorstellbar: Der Eigentümer des Grundstücks, auf dem der fremde Bau steht, verkauft das Grundstück an einen Dritten, wobei dieser Dritte im guten Glauben sein wird, dass der Bau Bestandteil des Grundstücks ist (zum Beispiel gerade deshalb, da der Bau nicht im Grundbuch eingetragen ist). In diesem Fall verschmelzen Bau und Grundstück. Der neue Eigentümer erwirbt somit in sein Eigentum auch den Bau als Bestandteil des Grundstücks, das er erworben hat. Dem ursprünglichen Eigentümer des Baus bleibt, neben Tränen in den Augen, nur der Anspruch auf finanziellen Ersatz des verursachten Schadens. Erst recht auf ihr Eigentumsrecht achten müssen Eigentümer von Bauten, wie Schuppen, Zäune und anderen kleineren Bauten, die in das Grundbuch überhaupt nicht eingetragen werden.
Eine sinngemäße Regelung finden wir auch im Zusammenhang mit der Bestellung dinglicher Rechte zu Gunsten Dritter. Bestellt ein Grundstückseigentümer zu Gunsten eines Dritten ein dingliches Recht (z. B. ein Pfandrecht) und erwirbt diese Person (Pfandgläubiger) das dingliche Recht im guten Glauben, dass sein Bestandteil auch der Bau auf dem Grundstück ist, gilt gegenüber dieser Person der Bau als Bestandteil des Grundstücks. Der Eigentümer des Baus wird gegenüber der Person, die dieses dingliche Recht bestellt hat, nur einen Ersatz für die Wertminderung seines Eigentums fordern können.

Ein paar Worte zum Schluss

Das Prinzip superficies solo cedit gilt in der Mehrzahl der EU-Mitgliedsstaaten und kehrt nach mehr als siebzig Jahren auch in unsere Gefilde zurück. Schlussendlich wird dies sicher zu einer Vereinfachung der Hypothekenfinanzierung, zu höherer Attraktivität und Vereinfachung des Immobilienmarktes für in- und ausländische Investoren führen. Auf der anderen Seite kann es im Übergangszeitraum zu einer Vielzahl von vorstehend angedeuteten problematischen Fällen kommen. In diesem Zusammenhang ist daher der konsequenten Prüfung der rechtlichen Historie der Immobilien erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen, um mögliche Risiken zu eliminieren, die fatale Folgen haben können.
Zuallerletzt bleibt hinzuzufügen, dass der Zauberspruch superficies solo cedit Sie nie um Ihr Eigentum bringen wird, wenn Sie sich durch den Zauber vigilantibus iura oder „Das Recht ist für die Wachsamen geschrieben“ schützen werden.

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