Aktuelles zum Wirtschaftsrecht in Belarus
Änderungen im weißrussischen Gesetz über Kapitalgesellschaften
01.04.2021
Am 28. April 2021 tritt die Neufassung des belarussischen Gesetzes über Kapitalgesellschaften in Kraft – Auswirkungen für ausländische Investoren in Belarus
Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Minsk, Herrn Pavel Pankratov, LL.M. oec.int., pankratov@cbbl-lawyers.de, Tel. +37 - 5 - 173 96 39 75, Mobil +37 - 5 - 29 661 97 17, www.bbpartners.ru
Am 28. April 2021 wird die Neufassung des belarussischen Gesetzes über Kapitalgesellschaften in Kraft treten. Neuerungen und Veränderungen betreffen nahezu alle Geschäftsbereiche von Kapitalgesellschaften. Unter anderem folgende Bereiche: Gründung, Umwandlung, Liquidation, Kompetenzen und Tätigkeit von Gesellschaftsorganen, Regelungen für verbundene Unternehmen sowie Großgeschäfte.
Welche Neuerungen kommen, was sich konkret verändert und welche Regelungen von besonderer Bedeutung sind, fassen wir im Folgenden für Sie zusammen:
1. Kapitalgesellschaften in Belarus: Gründung und Organschaft
Seit Inkrafttreten der Neufassung des belarussischen Gesetzes über die Kapitalgesellschaften darf eine Kapitalgesellschaft mit nur einem Gesellschafter/einer Gesellschafterin Alleingesellschafterin einer belarussischen GmbH bzw. ein Aktionär/eine Aktionärin Allein-Aktionär(in) einer belarussischen Aktiengesellschaft werden. Derzeit darf Alleingesellschafterin/ Allein-Aktionärin nur eine juristische Person mit mindestens zwei Gesellschaftern werden. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesnovelle wird diese Beschränkung aufgehoben.
Zudem wird der Kreis der Personen, welche neben den Gesellschaftern/Aktionären einer Kapitalgesellschaft berechtigt sind, an der Steuerung dieser Kapitalgesellschaft und folglich an der Gesellschafterversammlung/Hauptversammlung teilzunehmen, klargestellt und erweitert. So sind unter anderem teilnahmeberechtigt:
- Personen, die das Nutzungs- und/oder Verwaltungsrecht an Geschäftsanteilen (Teilen hiervon) oder Aktien auf vertraglicher Grundlage erworben haben;
- Personen, die im Fall des Todes eines Gesellschafters/Aktionärs oder im Fall der Erklärung eines Gesellschafters/Aktionärs als verstorben zur Verwaltung des ererbten Vermögens befugt sind;
- sonstige Personen.
Hier ist interessant zu erwähnen, dass in der Neufassung des belarussischen Gesetzes über Kapitalgesellschaften nicht konkretisiert wird, wer unter den Begriff „sonstige Personen“ fällt. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Liste von Personen, die neben den Gesellschaftern/Aktionären zur Führung der Kapitalgesellschaft berechtigt sind, offen ist und mit der Zeit ausgeweitet werden kann.
2. Organe der belarussischen Kapitalgesellschaft
Die meisten Änderungen und (oder) Ergänzungen durch die Gesetzesnovelle betreffen die Vorbereitung, Einberufung und Abhaltung der Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung sowie die Zuständigkeiten der Geschäftsführungsorgane von Kapitalgesellschaften.
Hauptversammlung / Gesellschafterversammlung
Die ausschließlichen Zuständigkeiten der Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung wurden ergänzt, indem weitere Aufgaben, wie Bildung von Gremien einer Kapitalgesellschaft, Wahl einer Zählkommission (insbesondere Anzahl ihrer Mitglieder, Kandidaten, Zusammensetzung) sowie die vorzeitige Beendigung der Amtszeit ihrer Mitglieder in ihren Zuständigkeitsbereich aufgenommen wurden.
Die aktuelle Fassung des belarussischen Gesetzes über Kapitalgesellschaften spricht die Frage hinsichtlich der Beendigung der Amtszeit von Mitgliedern einer Zählkommission überhaupt nicht an, die anderen o.g. Fragen, obwohl sie jetzt unter die Zuständigkeit der Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung fallen, gehören nicht zu ihrer ausschließlichen Kompetenz.
Geändert wird die Ausschlussfrist, vor deren Ablauf die Teilnehmer einer Hauptversamm-lung/Gesellschaftsversammlung spätestens über ihre Einberufung informiert werden müssen:
- Die Frist für die Einladung zu einer Jahresversammlung darf höchstens 30 Tage vor Beginn betragen;
- Die Frist für die Einladung zu einer außerordentlichen Versammlung darf höchstens 10 Tage vor Beginn betragen;
- Frist für die Einladung zu einer Versammlung, auf deren Tagesordnung die Wahl der Mitglieder des Vorstandes, des Exekutivorgans oder der Prüfungskommission (Abschlussprüfer) gestellt wird, darf höchstens 20 Tage vor Beginn der Versammlung betragen.
Außerdem erweitert die Gesetzesnovelle den Umfang von Informationen, die vor der Jahreshauptversammlung vorbereitet werden und den Teilnehmern zur Einsicht ausliegen müssen.
Ab dem 28. April 2021 sollen die Informationen über die Geschäftstätigkeiten einer Kapitalgesellschaft im betreffenden Geschäftsjahr unter anderem mit folgenden Informationen ergänzt werden:
- Jahresvergütungen für Mitglieder des Vorstandes;
- Jahreshonorare für Mitglieder des Exekutivorgans;
- unentgeltliche Übertragung (Verkauf) von Geschäftsanteilen am Stammkapital einer GmbH (Aktien am Grundkapital einer Aktiengesellschaft) an Mitglieder ihrer Führungsorgane und (oder) an ihre Mitarbeiter;
- Wertänderungen des Nettovermögens und des Stammkapitals einer GmbH/Grundkapitals einer Aktiengesellschaft in den letzten drei abgeschlossenen Ge-schäftsjahren (einschließlich des Berichtsjahres).
Die Frist für die Einreichung von Vorschlägen zu den Punkten der Tagesordnung einer außerordentlichen Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung wird klargestellt. Die Neufassung des Gesetzes über Kapitalgesellschaften enthält eine allgemeine Regelung hierüber: Solche Vorschläge sind spätestens 7 Tage vor Beginn einer außerordentlichen Versammlung einzureichen.
Handelt es sich um Vorschläge zur Aufstellung der Kandidaten für den Vorstand, das Exeku-tivorgan, die Prüfungskommission (Wirtschaftsprüfer), so sind diese spätestens 10 Tage vor Beginn einer solcher Versammlung einzureichen.
Auch die Frist für die Prüfung der eingegangenen und der Tagesordnung einer Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung gewidmeten Vorschläge durch das befugte Gremium wird geändert.
Ist die Rede von einer Jahresversammlung, müssen die zu ihrer Tagesordnung gemachten Vor-schläge spätestens 10 Tage nach Ablauf der für den Eingang gesetzten Frist geprüft werden.
Ist die Rede von einer außerordentlichen Versammlung, so müssen Vorschläge zu ihrer Tagesordnung innerhalb von 3 Tagen nach Ablauf der für den Eingang der Vorschläge gesetzten Frist geprüft werden.
Derzeitige Frist für die Prüfung von Vorschlägen, die zur Tagesordnung jeglicher Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung eingegangen sind, beträgt 10 Tage nach Ablauf der für deren Eingang vorgesehenen Frist.
Es wird möglich, für die Einberufung und Vorbereitung einer Hauptversamm-lung/Gesellschafterversammlung Fernkommunikationstechnik zu verwenden (online, per E-Mail oder mithilfe von anderen Kommunikations- bzw. Informationstechnologien).
Eine wichtige Voraussetzung für die Nutzung von Fernkommunikationsmitteln: Die Anwendungsfälle und das Verfahren müssen durch die Satzung festgelegt werden. Diesbezügliche Satzungsänderungsbeschlüsse müssen von den Gesellschaftern/Aktionären der Kapitalgesellschaft einstimmig gefasst werden.
Darüber hinaus wird näher bestimmt, dass die Fernkommunikationstechnik bei jeder Form der Stimmabgabe, darunter die offene, auch bei Hauptversammlungen/Gesellschafterversammlungen verwendet werden kann, die als Präsenzveranstaltungen abgehalten werden.
Das bedeutet, dass man ab dem 28. April 2021 auch aus der Ferne an einer offenen Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung teilnehmen kann.
Das bislang bestehende Verbot, Entscheidungen über Fragen zu treffen, die auf der Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung zur Diskussion gestellt werden und bezüglich derer während der Versammlung Beschlüsse durch Briefwahl getroffen werden müssen, wird ab Ende April 2021 aufgehoben. Nun bedarf die Beschlussfassung über solche Fragen ausschließlich einer offenen Abstimmung.
Dies betrifft folgende Fragen:
- Wahl der Vorstandsmitglieder;
- Wahl der Prüfkommissionsmitglieder;
- Feststellung von Jahresberichten, Jahresabschlüssen der Kapitalgesellschaft sowie
- Gewinnausschüttung und Verlustvortrag.
Daraus lässt sich schließen, dass die Beschlussfassung im Umlaufverfahren während einer Jahresversammlung ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesnovelle nicht mehr beschränkt wird.
3. „Großgeschäfte“ belarussischer Kapitalgesellschaften
In der Neufassung des Gesetzes über Kapitalgesellschaften wird die Frage, wie und inwiefern die Bedingungen eines sogenannten „Großgeschäfts“ geändert werden können, näher geregelt.
Unter „Großgeschäft“ versteht das belarussische Gesellschaftsrecht ein Geschäft oder mehrere wechselseitig verbundene Geschäfte der Gesellschaft, die den Erwerb oder die Veräußerung der Gesellschaft oder die Ermöglichung eines solchen Übertragungsgeschäfts durch die Gesellschaft zur Folge haben sowie Geschäfte, durch welche direkt oder indirekt das Vermögen der Gesellschaft veräußert werden kann, sofern der zu veräußernde Wert 20% oder mehr des Bilanzwertes der Aktiva der Gesellschaft ausmacht. Dieser Wert wird auf der Grundlage der Angaben aus den Finanzberichten der letzten Berichtsperiode, die dem Tage der Beschlussfassung über die Schließung dieses Geschäftes vorgeht, ermittelt.
Die bereits geltende allgemeine Regel "Wer ein Großgeschäft beschlossen hat, der muss auch dessen Änderung beschließen", bleibt von der Novelle unberührt. Zudem ist die Hauptversammlung/ Gesellschafterversammlung nach wie vor berechtigt, Befugnisse zur Änderung eines solchen Großgeschäfts an den Vorstand zu delegieren.
Gleichzeitig werden hierbei aber Möglichkeiten erweitert: Die Frage nach der Änderung der Bedingungen eines Großgeschäfts kann zur Lösungsfindung an das Exekutivorgan delegiert werden. Dazu ist die Hauptversammlung/ Gesellschafterversammlung (oder der Vorstand) dadurch berechtigt, dass sie (oder er) ein Großgeschäft beschließt. Dies gilt aber nur, wenn eine solche Vereinbarung dafür in der Satzung der Kapitalgesellschaft direkt festgehalten wird.
4. Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in Belarus
Die Voraussetzungen dafür, eine Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft oder ein sogenanntes Einzelunternehmen umzuwandeln, ändern sich.
Ein „Unitär-“ oder „Einzelunternehmen“ ist eine Unternehmensform in Belarus, bei der die Gesellschaft selbst kein Eigentumsrecht an den von ihr genutzten Anlagegütern besitzt, sondern das Eigentum beim Gesellschafter liegt. Der Eigentümer ist also gleichzeitig der Gründer des Unternehmens. Die Anlagegüter können nicht in Anteile aufgeteilt werden. Ein Einheitsunternehmen kann nur einen Gründer haben. Wie bei der belarussischen GmbH kann der Gründer die Höhe des Mindeststammkapitals selbst bestimmen.
Es wird künftig nicht mehr möglich sein, eine Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft einer anderen Art umzuwandeln – eine offene Aktiengesellschaft in eine geschlossene Aktiengesellschaft und umgekehrt (in Belarus gibt es zwei Arten von Aktiengesellschaften: offene AG, die eine unbegrenzte Anzahl von Aktionären hat und eine geschlossene AG mit höchstens 50 Aktionären) und auch nicht, eine Kapitalgesellschaft mit zwei oder mehr Mitgliedern in ein Einzelunternehmen umzuwandeln.
Ab dem 28. April 2021 wird die Umwandlung einer Art von Aktiengesellschaft in eine andere Art von AG als Änderung der AG-Art (oAG zu gAG, gAG zu oAG) angesehen. So eine Umwandlung bedarf lediglich der Einberufung einer Hauptversammlung/Gesellschaftsversammlung und der Zustimmung der teilnehmenden Aktionäre/Gesellschafter mit einer Mehrheit von mindestens 3/4 der Stimmen.
Die Umwandlung einer Form der Kapitalgesellschaft in eine andere Form der Kapitalgesell-schaft (z.B. oAG zu GmbH) sowie einer Kapitalgesellschaft (GmbH und gAG) mit nur einem Al-leingesellschafter/-in bzw. Allein-Aktien-Inhaber/-in in ein Einzelunternehmen wird ebenfalls möglich sein, und dies zu den Bedingungen, die das geltende Recht zulässt.
5. Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) und Liquidation einer Kapitalgesellschaft in Belarus
Subsidiäre Haftung von Aktionären/Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft für die Schulden der Gesellschaft im Falle einer Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz)
Im Gesetz über Kapitalgesellschaften wird klargestellt, dass eine subsidiäre Haftung für Schul-den eines Bankrotts der Gesellschaft nur eintreten kann, wenn eine schuldhafte (vorsätzliche) Handlung der betroffenen Personen, die diese Insolvenz verursacht haben, bewiesen wird.
6. Pflicht zur Liquidation einer belarussischen Kapitalgesellschaft
Die Neufassung des belarussischen Gesetzes über Kapitalgesellschaften sieht eine Fristsetzung vor, binnen welcher eine Kapitalgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen ihre Liquidation zu beschließen hat. Dies betrifft Fälle, in denen sich der Nettovermögenswert der Gesellschaft nach den Geschäftsergebnissen des zweiten und jedes nachfolgenden Geschäftsjahres wie folgt vermindert hat:
- Der Nettovermögenswert liegt unter der festgelegten Mindestgrenze des Grundkapitals – für AG;
- Der Nettovermögenswert ist reduziert auf Null oder einen negativen Wert – für GmbH (und Gesellschaften mit zusätzlicher Haftung).
Bleiben die oben genannten Liquidationsgründe für einen Zeitraum 6 Monaten nach Ende des entsprechenden Geschäftsjahres bestehen, so ist ein Beschluss zur Liquidation binnen weiterer 6 Monate zu fassen. In ähnlichen Situationen werden nach bisher geltendem Recht keine bestimmten Fristen für einen Liquidationsbeschluss vorgesehen.
Wichtiger Hinweis:
Alle Kapitalgesellschaften, die vor dem 28. April 2021 registriert wurden, sind verpflichtet, ihre Satzungen bereits bei erster Vornahme einer Änderung- oder Ergänzung mit der Neufassung des Gesetzes über Kapitalgesellschaften in Einklang zu bringen. Bis zum Zeitpunkt einer solchen Änderungen oder Ergänzung gelten die Satzungsregelungen in allen Teilen weiter, soweit ihre Regelungsinhalte der neuen Gesetzesfassung nicht widersprechen.
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