Aktuelles zum brasilianischen Wirtschaftsrecht
AGB des Verkäufers versus AGB des Käufers – Kampf der Formularbedingungen in Brasilien
01.02.2023
Um dem zunehmenden Bedarf an schnellen und beweglichen Lösungen für geschäftliche Fragen gerecht zu werden und Geld und Zeit zu sparen, arbeiten immer mehr Unternehmen mit Standardklauseln für Kauf- und Dienstleistungsbeziehungen, da sie der Auffassung sind, dass dies einfacher ist, als jeden einzelnen Aspekt, wie Gewährleistungsfristen, Rechtsfolgen der Verspätung oder Nichterfüllung von Leistungs- oder Zahlungspflichten, anwendbares Recht usw. im Einzelfall auszuhandeln. Stattdessen werden vorab bereits Standardklauseln ausgearbeitet, die für alle Geschäfte gelten.
Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in São Paulo, Herrn Charles Wowk, Partner der Zivilrechtsabteilung, wowk@cbbl-lawyers.de, Tel. +55 - 11 - 309 366 00, www.snasp.com.br
In diesem Sinne ist es unter Verkäufern/Dienstleistern/Lieferanten daher mittlerweile üblich, zusammen mit den Angeboten und Rechnungen die eigenen AGB zu senden.
So wie der Verkäufer/Dienstleister auf der einen Seite seine Allgemeinen Bedingungen in Standardform übersendet, will auf der anderen Seite auch der Käufer/ Dienstleistungsempfänger sein Leben einfacher machen und legt seinerseits die eigenen Standardbedingungen für den Kauf oder die Beauftragung fest.
Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass Käufer und Verkäufer im Rahmen ein und desselben Rechtsgeschäfts ihre jeweiligen „Allgemeinen Ein-/Verkaufsbedingungen“ (AGB) beifügen.
In diesem Moment stellt sich die Frage:
Haben die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers oder die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Käufers Vorrang?
Der Kampf der Formularbedingungen betrifft die Allgemeinen Bedingungen (AGB) oder Standardklauseln unterschiedlicher Parteien desselben Vertragsverhältnisses und wird vor allem in B2B (Business to Business) Geschäften und in Fällen ausgetragen, in denen beide Vertragspartner ihre betreffenden AGB als auf den abzuschließenden Vertrag anzuwendende rechtliche Regeln präsentieren, diese jedoch voneinander abweichen und/oder einander widersprechen. Noch schwieriger wird es, wenn die jeweiligen AGB beider Parteien ihren eigenen Vorrang vor den widersprechenden AGB der jeweils anderen Vertragspartei vorsehen.
Für diesen Kampf der Formularbedingungen gibt es unterschiedliche Lösungsansätze, die oft auf Vorschriften des Landes basieren, in denen die AGB angewendet werden. In den USA gibt es bspw. den UCC - Uniform Commercial Code, der eigene Regeln für diesen Konflikt vorsieht. Außerdem gibt es im internationalen Bereich zwei Hauptregeln: die „last shot rule” und die „knock out rule“.
Nach der „last shot rule” haben die der anderen Partei zuletzt geschickten AGB Vorrang. Bei dieser Lösung wird auf die zeitliche Abfolge der Übermittlungen der AGB in den Verhandlungen und die (wenn auch stillschweigende) Annahme der AGB abgestellt.
Dabei wird eine Teil-Annahme von AGB mit Änderungsvorschlägen als Gegenangebot betrachtet, dessen Annahme – ohne weitere Änderung – zur Geltung dieser zuletzt geschickten AGB führt.
Nach der „knock-out rule” beseitigen sich abweichende oder einander widersprechende Regelungen gegenseitig. In diesem Fall entsteht eine Lücke, die durch die entsprechenden Bestimmungen des UN-Kaufrechts und der anwendbaren Gesetzgebung auszufüllen ist.
Was gilt nun in Brasilien für den Kampf der Formularbedingungen?
In Brasilien gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung für Streitigkeiten über voneinander abweichende AGBs zwischen Unternehmen mit Sitz in Brasilien und Unternehmen mit Sitz im Ausland. Das Zivilgesetzbuch regelt jedoch, dass ein Angebot nach der Annahme Vertragskraft hat. Die Annahme eines Angebots nach Ablauf der Annahmefrist oder mit Zusätzen, Einschränkungen oder Änderungen ist dabei als Gegenangebot (oder neues Angebot) zu betrachten.
Übermitteln sich Verkäufer und Käufer gegenseitig ihre AGBs, besteht das Risiko, dass die AGB des Käufers Vorrang haben, wenn der Verkäufer keinen Vorbehalt macht.
Um Auslegungsrisiken und Rechtsunsicherheit zu vermeiden, sollten sich die Parteien für den Fall, dass sie feststellen, dass es abweichende Regelungen in ihren AGBs gibt, schon im Rahmen der Vorverhandlungen um Lösungen bemühen. Die Parteien können sich gegenseitige Zugeständnisse machen oder spezifische Bedingungen oder Verträge für das betreffende spezifische Geschäft aushandeln, um die Lösung möglicher Konflikte betreffend die AGBs in der Zukunft zu erleichtern.
Auch wenn das Ziel der AGB darin besteht, lange und aufreibende Verhandlungen zu vermeiden, ist klar, dass auch AGBs zu Konflikten führen können, weshalb der Dialog der Parteien in der Phase der Verhandlungen inklusive des Gesprächs über Erwartungen an das Geschäft essenziell ist, um mögliche kontroverse Punkte zu klären und das Risiko von Streitigkeiten zu minimieren.
Sie wünschen Beratung zu AGB in Brasilien? Sprechen Sie uns an!
Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt Herr Gustavo Stüssi Neves und sein Team in São Paulo stehen Ihnen gerne zur Verfügung: stussi.sp@cbbl-lawyers.de, Tel. +55 - 11 - 309 366 00