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CBBL Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., Kanzlei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M.
Rechtsanwalt und Advocaat
Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel

Aktuelles zum Kartellrecht und EU-Recht

EuG bestätigt Fusionsbefugnisse der Europäischen Kommission im Verfahren rund um die Fusion von ThyssenKrupp und Tata Steel

30.09.2022

ThyssenKrupp legt Berufung zum EuGH ein

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Brüssel, Herrn Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., vanderhout@cbbl-lawyers.de, Tel. +32 - 2 - 234 11 60, www.kapellmann.de

Die für Wettbewerb zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margarethe Vestager, begrüßte das Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) vom 22.06.2022, welches die Einsprüche von ThyssenKrupp gegen eine 2019 verhängte Untersagung des Zusammenschlusses seines europäischen Geschäfts mit dem indischen Konkurrenten Tara Steel vollumfassend zurückwies (Rechtssache T-584/19, ThyssenKrupp/Kommission). Im vorliegenden Verfahren um ThyssenKrupp und Tata Steel bestätigte das Gericht die Untersagungsentscheidung der Kommission. Das Gericht erklärte, dass der Zusammenschluss der beiden Unternehmen, welcher die Schaffung des zweitgrößten Stahlproduzenten in Europa hinter Arcelor-Mittal zur Folge gehabt hätte, die Auswahl an Anbietern für Kunden verringern könne und dadurch die Preise für Verbraucher von Automobil- und Verpackungsstahl zu erhöhen gedroht hätte.

Marktabgrenzung

Das Gericht wies zunächst alle Argumente von ThyssenKrupp zurück, wonach die Kommission bei der Marktabgrenzung Fehler gemacht habe. Sie hat die Produktmärkte des feuerverzinkten Stahls und des elektroverzinkten Stahls als getrennte Märkte betrachtet. Jedoch ging die Kommission aber auch im Falle eines allgemeinen Marktes von verzinktem Stahl vom Vorliegen der Untersagungsvoraussetzungen aus. Das Gericht erkannte hierbei keine offensichtlichen Fehler. Das Gericht äußerte des Weiteren zur örtlichen Abgrenzung, dass die Aufsichtsbehörde auch nicht zu Unrecht festgestellt habe, dass der räumliche Markt für die Produkte allenfalls den europäischen Wirtschaftsraum umfasse und nicht über diesen hinaus geht. Hierdurch bestätigt das Gericht einen großen Ermessensspielraum der Kommission und zeigt, dass sich die gerichtliche Kontrolle auf Schlüssigkeit der Argumentation und der Beweismittel, Rechtsfehler und offensichtliche Beurteilungsfehler beschränkt.

Erhebliche Behinderung des wirksamen Wettbewerbs

ThyssenKrupp brachte auch vor, dass die Kommission fälschlicherweise eine erhebliche Behinderung des wirksamen Wettbewerbs auf den relevanten Märkten feststellte. Thyssen-Krupp argumentiert insbesondere damit, dass die Kommission zwei verschiedene und unvereinbare Theorien der Beeinträchtigung des Wettbewerbs miteinander angewendet habe, indem sie zu dem Schluss kam, dass das Vorhaben eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken würde und in jedem Fall auch horizontale, nicht koordinierte Effekte infolge der Beseitigung wichtigen Wettbewerbsdrucks auf einem oligopolistischen Markt verursachen würde. ThyssenKrupp war der Ansicht, dass es nicht zu einer beherrschenden Stellung auf dem Markt einerseits und einem Oligopol andererseits kommen könne. Das Gericht folgte der Ansicht nicht und stellte fest, dass die Konzepte durchaus kompatibel seien. Ein Markt kann von einem einzelnen Unternehmen beherrscht werden und gleichzeitig oligopolistisch sein, so das Gericht. Daher sei die Beurteilung der Kommission nicht zu beanstanden.

Rechenfehler bei der Bewertung der Wettbewerbsbeschränkung

Ein weiteres Argument des Unternehmens war, dass die Kommission nicht ausreichend begründet habe, warum die europäischen Aktivitäten von Tata Steel essentiellen Wettbewerbsdruck ausüben. Das Gericht verwarf insbesondere Argumente bezüglich einer angeblich fehlerhaften Berechnung von Kapazitätsdaten, dem Vorliegen grundlegender mathematischer Fehler sowie der nicht ausreichenden Berücksichtigung des Wettbewerbs durch andere Stahlhersteller. Vielmehr habe die Kommission insbesondere Einfuhrdaten bezüglich Wettbewerbe außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes ausreichend berücksichtigt. Das Gericht bestätigte aber, dass diese nur geringen Wettbewerbsdruck ausüben. Das Gericht beanstandete auch nicht die Ansicht der Kommission, dass insgesamt keine anderen Produzenten vorhanden sind, die genügend Wettbewerbsdruck erzeugen, sodass keine Preiserhöhungen infolge des Zusammenschlusses zu befürchten seien.

Abhilfemaßnahmen

Das Gericht wies zudem alle Argumente zurück, wonach die Aufsichtsbehörde zu Unrecht die angebotenen Abhilfemaßnahmen abgelehnt habe. ThyssenKrupp hatte angeboten, Automobil- und Verpackungswerke in Großbritannien, Spanien und Belgien zu veräußern, um somit die Marktanteile auf ein für die Kommission akzeptables Niveau zu senken. Zudem sollten 250 Millionen Euro auf ein Treuhandkonto transferiert werden, die das Unternehmen für die Verbesserung der bestehenden Anlagen verwenden wollte. Die Kommission ging jedoch davon aus, dass diese Maßnahmen die wettbewerbsrechtlichen Beeinträchtigungen der Transaktion nicht beseitigen würde. Diese Einschätzung stützt sie auf mehrere Gründe, nämlich die Größe, den Umfang und die geografische Lage der Anlagen sowie auf die fehlende Einbeziehung von vorgelagerten Vermögenswerten, die notwendig sind, um die Lebens- und Wettbewerbsfähigkeit des Geschäfts zu gewährleisten. Das Gericht bestätigte, dass das in Frage stehende Geschäft auch ohne Berücksichtigung der Ressourcen des Erwerbers eigene Wettbewerbsfähigkeit haben muss.

Gesamtbetrachtung und Ausblick

Insgesamt erforderte dieser Fall durch die Komplexität und dem Vorliegen vieler Produkte und zu betrachtender Märkte eine umfangreiche Urteilsbegründung. In dieser wurde deutlich, dass die Kommission bei der Beurteilung der Untersagungsvoraussetzungen, insbesondere bei der Abgrenzung von Märkten und bezüglich möglicher Abhilfemaßnahmen, einen weiten, gerichtlich kaum überprüfbaren Ermessensspielraum hat. Die Kommission plant nun neue Leitlinien für die Abgrenzung von Märkten, an denen sich Unternehmen orientieren können.

Gegen die Entscheidung erhob ThyssenKrupp am 07.09.2022 Rechtsmittel (C-581/22 P). Mit einer Entscheidung dürfte hier erst ab 2024 zu rechnen sein.

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