Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei zu Kartellrecht und EU-Recht
CBBL Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., Kanzlei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M.
Rechtsanwalt und Advocaat
Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel

Aktuelles zum Kartellrecht und EU-Recht

Der Fall Coty

25.01.2018

Unter welchen Voraussetzungen Hersteller den Vertrieb über Internetplattformen (Drittplattformen) verbieten dürfen

In seiner am 06. Dezember 2017 ergangenen Entscheidung (Rs. C-230/16) hat der Europäische Gerichtshof die Bedingungen benannt, unter welchen Hersteller von Luxusgütern ihren Händlern verbieten dürfen, die bezogenen Waren über Internetplattformen zu verkaufen.

Anlass der Entscheidung war ein vom Oberlandesgericht Frankfurt eingereichtes Vorabentscheidungsersuchen, nachdem zwei deutsche Unternehmen vor die nationalen Gerichte gezogen waren, um die an Art. 101 AEUV, § 1 GWB zu messende kartellrechtliche Zulässigkeit einer Vertragsklausel gerichtlich klären zu lassen. Bei den in Rede stehenden Unternehmen handelt es sich um den deutschen Parfümhersteller Coty und um die Parfümerie Akzente als einem von Coty autorisierten Einzelhändler.

Zum Vertrieb ihrer Produkte hat Coty ein selektives Vertriebssystem i.S.v. von Art. 1 Abs. 1 lit. e) der Verordnung Nr. 330/2010 (sog. Vertikal-GVO) geschaffen. Darunter ist ein System zu verstehen, in dem sich der Hersteller verpflichtet, die Vertragswaren unmittelbar oder mittelbar nur an zugelassene Händler zu verkaufen. Der Hersteller wählt diese Händler auf Grundlage der von ihm allgemein definierten, meist qualitativen Kriterien (z.B. Anforderungen an die Dekoration des Ladenlokals oder Webshops) aus und verpflichtet sich, die betreffenden Waren nur an diese ausgewählten Händler zu verkaufen. Im Gegenzug verpflichten sich die zugelassenen Händler, die Produkte nur an andere zugelassene Händler oder an Endkunden zu vertreiben.

Nach dem Vertragswerk war es der Parfümerie gestattet, die Produkte im Internet auf ihrem eigenen Webshop zu vermarkten, soweit insbesondere der Luxuscharakter der Produkte gewahrt blieb. Mit der strittigen Klausel untersagte Coty ihrer Händlerin hingegen, die von ihr bezogenen Produkte unter für den Endkunden erkennbarer Einschaltung eines Drittunternehmens zu vertreiben. Damit zielte Coty darauf ab, den Vertrieb ihrer Produkte über Internetplattformen (Drittplattformen) wie Amazon Marketplace und Ebay zu unterbinden.

Der EuGH hat nunmehr entschieden, dass solche Plattformverbote kartellrechtlich zulässig sind, wenn (1) das betreffende Produkt ein Luxusimage besitzt und das Verbot dem Schutz dieses Images dient, (2) das Verbot nicht über das hinausgeht, was für diesen Schutz erforderlich ist, und (3) der Hersteller das Verbot diskriminierungsfrei gegenüber allen Händlern anwendet.

Nach den Ausführungen des Gerichts besteht die Eigenart von Luxusprodukten gerade darin, dass sich ihre Qualität nicht alleine anhand ihrer materiellen Eigenschaften beurteilen lässt. Vielmehr ist auch ihr Prestigecharakter, nämlich ihre Eigenschaft als Statussymbol, wesentliches Kriterium für ihr Ansehen. Deshalb entscheidet das Luxusimage über die Wertigkeit eines Luxusproduktes mit und ist deshalb schutzwürdig.

Ein Verbot, das zum Ziel hat, diesen Schutz sicherzustellen, ist nach Auffassung des Gerichtshofs dann erforderlich, wenn der Hersteller die Einhaltung seiner Qualitätsanforderungen gegen die Drittplattform nicht ebenso wirksam durchsetzen kann wie gegenüber seinen autorisierten Händlern. Dieses Weniger an Durchsetzungsmöglichkeit liegt in Fällen wie dem vorliegenden darin begründet, dass zwischen Hersteller und Plattform, anders als in einem selektiven Vertriebssystem, gerade keine Vertragsbeziehung besteht. Ein gegenüber dem Verbot milderes, gleich wirksames Mittel ist mit dem Gerichtshof auch nicht in einer „bedingten Gestattung“ zu sehen, die es den Händlern erlauben würde, die Produkte über eine Drittplattform unter der Bedingung zu vertreiben, dass letztere die vom Hersteller formulierten Qualitätsanforderungen erfüllt.

Ob Plattformverbote für alle Markenprodukte und Qualitätswaren zulässig sind, die in selektiven Vertriebssystemen vertrieben werden, oder ob dies nur für Waren mit Luxusimage gilt, lässt der EuGH indes offen. Die deutsche Wettbewerbsbehörde vertritt, anders als der Generalanwalt, eine bislang restriktive Position.