Aktuelles zum Kartellrecht und EU-Recht
„eLeniency“
05.04.2019
Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Brüssel, Herrn Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., vanderhout@cbbl-lawyers.de, Tel. +32 - 2 - 234 11 60, www.kapellmann.de
Das neue Online-Tool für Kronzeugen- und Vergleichsverfahren in europäischen Kartellsachen sowie der Zusammenarbeit in sonstigen nicht kartellrechtlichen Sachen
Die Europäische Kommission hat am 19.03.2019 das neue Online-Tool „eLeniency“ eingeführt. Damit können Unternehmen und ihre rechtlichen Vertreter alle Erklärungen und Unterlagen bezüglich der Kronzeugen- und Vergleichsverfahren in Kartellsachen sowie der Verfahren der Zusammenarbeit in sonstigen nicht kartellrechtlichen Angelegenheiten auf europäischer Ebene nun auch online einreichen.
Zum Zwecke der Aufdeckung wettbewerbswidrigen Marktverhaltens im europäischen Binnenmarkt belohnt die Kommission die aktive Mitwirkung von Unternehmen an der Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts. Hierzu gewährt die EU-Kronzeugenregelung kartellbeteiligten Unternehmen, die Beweise vorlegen, unter bestimmten Voraussetzungen den Erlass oder die Ermäßigung der ansonsten drohenden Geldbuße.
Vor der Einführung von eLeniency konnten die Parteien ihre Erklärungen und Unterlagen nur schriftlich oder mündlich bei der Kommission einreichen. Mit dem neuen Tool können die Unternehmen nun auch online einen Kronzeugenantrag stellen, Stellungnahmen abgeben, an Kartellvergleichsverfahren teilnehmen oder in sonstigen nicht kartellrechtlichen Verfahren einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht anerkennen und mit der Kommission zusammenarbeiten. Den Parteien bleibt somit der Weg zur Kommission in Brüssel erspart, was die Angelegenheit für die Unternehmen erleichtern soll.
Für die Nutzung von eLeniency wird ein EU-Login-Konto benötigt. Die Nutzer müssen vor dem ersten Zugriff auf das System zunächst ein solches EU-Login-Konto erstellen (oder ein vorhandenes Konto verwenden), um sich mit diesem im eLeniency-System zu registrieren. Hierzu muss eine E-Mail an comp-leniency@ec.europa.eu gesendet werden, in der die E-Mail-Adresse angegeben wird, die mit dem jeweiligen EU-Login-Konto verknüpft ist, und eine Registrierung im eLeniency-System beantragt werden. Da dies eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen kann, empfiehlt die Kommission, sich frühzeitig und auch unabhängig von konkreten Anlässen zu registrieren.
Die Parteien können anschließend ihre Erklärungen und Unterlagen auf den speziell gesicherten Server der Kommission hochladen, das Auskunftsverlangen der Kommission beantworten und förmliche Vergleichsausführungen im Rahmen des Programms durchführen.
Die Nutzung von eLeniency bleibt freiwillig, so dass die Parteien auch weiterhin herkömmliche Kommunikationskanäle wählen können.
Das Programm selbst ist nur auf Englisch verfügbar, Erklärungen können jedoch in allen Amtssprachen der EU abgegeben werden. Der Zugang zu eLeniency ist technisch stark gesichert, so dass das System die Vertraulichkeit der Angaben sowie den rechtlichen Schutz garantiert sowie auch das herkömmliche Verfahren. Dazu werden die Daten sicher übertragen und können nicht kopiert oder ausgedruckt werden. Die Erklärungen der Unternehmen dürfen auch weiterhin nicht in zivilrechtlichen Verfahren (z.B. bei Schadensersatzklagen) verwendet werden.
Nach Einreichung der Unterlagen erhält jeder Antrag einen Zeitstempel, welcher Datum und Uhrzeit der Einreichung bestätigt. Dies ist vor allem für den Kronzeugenantrag wichtig, da nur das erste Unternehmen von einer vollständigen Strafbefreiung profitieren kann. Dem zweiten und dem dritten Kronzeugen können maßgebliche Reduzierungen der Buße gewährt werden, nachfolgenden Kronzeugen allerdings nicht mehr.
Hintergrund
Die Anwendung eLeniency ist ein durch das Programm ISA2 unterstütztes System, mit dem Ziel der Entwicklung digitaler Lösungen zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen. Es soll im Laufe dieses und nächsten Jahres schrittweise eingeführt werden, um die Versendung vertraulicher Dokumente (eTRustEx - Austauschplattform), die Bearbeitung von Anträgen auf vertrauliche Behandlung (eConfidentiality) und das Auskunftsverlangen (eRFI) im EU-Wettbewerbsverfahren zu erleichtern.