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Rechtsanwalt und Advocaat
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EuGH: Keine Geltendmachung steuerlicher Verluste, die vor der Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedsstaat entstanden sind

13.07.2020

In seinem Urteil C‑405/18 vom 27.02.2020 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass sich eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, ihren satzungsmäßigen Sitz aber im ersten Mitgliedstaat beibehält, nicht steuerliche Verluste abziehen kann, die vor der Sitzverlegung im zweiten Mitgliedsstaat angefallen sind.

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Brüssel, Herrn Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., vanderhout@cbbl-lawyers.de, Tel. +32 - 2 - 234 11 60, www.kapellmann.de

Diese Entscheidung erging in einem Vorabentscheidungsverfahren, welches im Rahmen eines Steuerrechtsstreits zwischen einer niederländischen Gesellschaft und den tschechischen Steuerbehörden angestrengt wurde. Die Vorlage erfolgte durch das Oberste Verwaltungsgericht der Tschechischen Republik.

Die Klägerin des Ausgangsrechtsstreits, Aures, ist eine nach niederländischem Recht gegründete Gesellschaft, deren satzungsmäßiger und tatsächlicher Sitz sich in den Niederlanden befand, was zu einer niederländischen Steueransässigkeit führte. Am 01.01.2009 verlegte Aures seinen tatsächlichen Verwaltungssitz in die Tschechische Republik, wo sie schon im Jahr 2008 eine Zweigniederlassung gegründet hatte. Wegen der Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes verlegte Aures auch ihre Steueransässigkeit in die Tschechische Republik, sie behielt allerdings ihren satzungsmäßigen Sitz und ihre Eintragung in das Handelsregister in den Niederlanden. Angesichts der Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes und der Steueransässigkeit beantragte Aures bei den tschechischen Steuerbehörden, von der Bemessungsgrundlage der von ihr für das Steuerjahr 2012 geschuldeten Körperschaftsteuer einen ihr im Steuerjahr 2007 in den Niederlanden entstandenen Verlust abziehen zu dürfen.

Der Antrag wurde vom tschechischen Finanzamt mit der Begründung abgewiesen, dass Aures nach der Verlegung dem tschechischen Steuerrecht unterfalle. Einen Verlust dürfte die Gesellschaft abziehen, nur soweit dieser aus einer wirtschaftlichen Tätigkeit in der Tschechischen Republik stamme und der nach den Bestimmungen des Einkommenssteuergesetzes (EKStG) festgesetzt worden sei. Allerdings enthält das tschechische EKStG keine Bestimmungen über den Abzug eines steuerlichen Verlustes bei einem Wechsel der Steueransässigkeit. Nachdem sowohl der Einspruch als auch die Klage gegen den Steuerbescheid abgewiesen wurden, legte Aures Kassationsbeschwerde beim Obersten Verwaltungsgericht ein. Sie machte geltend, dass die grenzüberschreitende Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes unter die Ausübung der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) falle und die Ablehnung ihres Antrags eine ungerechtfertigte Beschränkung darstelle.

Vor diesem Hintergrund setzte das vorlegende Gericht das Verfahren aus, um dem EuGH die Fragen vorzulegen, ob die Niederlassungsfreiheit auf den Fall der grenzüberschreitenden Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes einer Gesellschaft anwendbar sei und ob der sich auf das EKStG stützende Ausschluss der Geltendmachung von Verlusten, die vor der Verlegung in die Tschechische Republik angefallen sind, mit der Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV vereinbar sei.

Der EuGH führte aus, dass nach Art. 49 i.V.m. Art. 54 AEUV und ständiger Rechtsprechung, sich eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, aber ihren satzungsmäßigen Sitz im ersten Mitgliedstaat beibehält, auf Art. 49 AEUV berufen kann, um die sich aus der steuerlichen Behandlung ergebenen Fragen in dem Mitgliedstaat, in den sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz verlegt, zu klären. Daher stellte der Gerichtshof fest, dass die grenzüberschreitende Verlegung des Verwaltungssitzes in den Anwendungsbereich des Art. 49 AEUV falle.

Dem Gerichtshof zufolge stellen zwar Art. 49 und 54 AEUV die steuerliche Gleichbehandlung der inländischen mit den ausländischen Gesellschaften im Aufnahmemitgliedstaat sicher. Die Niederlassungsfreiheit erstrecke sich jedoch nicht auf die Verpflichtung eines Mitgliedstaates, seine Steuervorschriften mit denen eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen eine gleiche Besteuerung zu gewährleisten. Denn aus den unterschiedlichen steuerrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten kann eine solche Verlegung für eine Gesellschaft je nach Einzelfall steuerlich mehr oder weniger vorteilhaft oder auch nachteilig sein. Diese Ungleichbehandlung sei statthaft, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind.

Ferner stellte der EuGH fest, dass die tschechischen Vorschriften des EKStG, die die Geltendmachung von Verlusten ausschließen, die eine Gesellschaft in einem Besteuerungszeitraum erlitten hat, in dem sie in einem anderen Mitgliedstaat steueransässig war, darauf abzielen, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und die Gefahr eines doppelten Verlustabzugs zu vermeiden. Der EuGH führte weiterhin aus, dass die vorliegende Situation nicht mit der Situation einer Gesellschaft vergleichbar sei, die Verluste in einem Mitgliedstaat abziehen möchte, in dem sie in diesem Besteuerungszeitraum steueransässig war. Dem Gerichtshof zufolge unterliege eine Gesellschaft im Falle der Verlegung ihrer Steueransässigkeit nacheinander der Steuerhoheit zweier Mitgliedstaaten. Dies sei geeignet, ein erhöhtes Risiko einer doppelten Berücksichtigung der Verluste zu begründen. Das führe weiterhin dazu, dass der Aufnahmemitgliedstaat nicht dazu verpflichtet sei, die vor der Sitzverlegung angefallenen Verluste zu berücksichtigen, die sich auf Besteuerungszeiträume beziehen, für die dieser Mitgliedstaat über keine Steuerhoheit gegenüber dieser Gesellschaft verfügte.

Der Gerichtshof stellte demnach fest, dass Art. 49 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, der zufolge es einer Gesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz und damit ihre Steueransässigkeit in diesen Mitgliedstaat verlegt hat, verwehrt ist, einen steuerlichen Verlust geltend zu machen, der vor der Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes in einem anderen Mitgliedstaat, in dem sie ihren satzungsmäßigen Sitz beibehält, angefallen ist.

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