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CBBL Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., Kanzlei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M.
Rechtsanwalt und Advocaat
Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel

Aktuelles zum Kartellrecht und EU-Recht

EuGH stärkt Geschädigten von Kartellrechtsverstößen den Rücken

23.12.2022

Die Anwendung der einjährigen Verjährungsfrist des spanischen Rechts ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar.

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Brüssel, Herrn Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., vanderhout@cbbl-lawyers.de, Tel. +32 - 2 - 234 11 60, www.kapellmann.de

In seinem Urteil Volvo, DAF Trucks/RM C-267/20 vom 22. Juni 2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass eine kurze einjährige Verjährungsfrist wie in Spanien, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen praktisch unmöglich mache bzw. übermäßig erschwere und damit die praktische Wirksamkeit des Unionsrecht (sog. effet utile) untergräbt.

Hintergrund der Entscheidung war die Vorlage eines spanischen Gerichts über die zeitliche Anwendbarkeit der Kartellschadensersatzrichtlinie. Nachdem ein Lkw-Käufer in Spanien vom Hersteller Schadensersatz aufgrund der überhöhten Preise von drei Lastkraftwagen verlangte, wurde der Hersteller erstinstanzlich zur Leistung einer Entschädigungszahlung in Höhe von 15 % des Erwerbspreises verurteilt. Der Hersteller wies die geltend gemachten Schadensersatzansprüche mit Hinweis auf ein spanisches Gesetz zurück, das eine einjährige Verjährungsfrist vorsieht. Die Berufungsinstanz leitete die Frage nach Luxemburg weiter. Nun urteilte der EuGH darüber.

Die Entscheidung beruht auf Artikel 10 Absatz 3 der Kartellschadensersatzrichtlinie. Diese sieht für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union eine Verjährungsfrist von mindestens fünf Jahren vor. Der EuGH sollte klären, ob die kurze Verjährungsfrist des spanischen Rechts oder die deutlich längere Verjährungsfrist der Kartellschadensersatzrichtlinie Anwendung findet.

Der Gerichtshof stellte fest, dass die nationalen Verjährungsfristen für kartellrechtliche Schadensersatzansprüche erst dann zu laufen beginnen, wenn die Zuwiderhandlung beendet wurde und der Geschädigte von allen für die Erhebung der Klage unerlässlichen Informationen Kenntnis erlangt hat bzw. dies vernünftigerweise erwartet werden kann.

Nach der Auffassung des Gerichts kann von Geschädigten eine Kenntnis der unerlässlichen Informationen vernünftigerweise nicht bereits mit der Veröffentlichung der Pressemitteilung zur Bußgeldentscheidung, sondern erst mit der Veröffentlichung der Zusammenfassung der Entscheidung im Amtsblatt der EU erwartet werden. Hierbei ist es unerheblich, ob die Pressemitteilung tatsächlich umfassende Informationen enthält. Vielmehr müsste der Beklagte nachweisen, dass der Geschädigte tatsächlich Kenntnis von ihrem Inhalt hatte.

Eine allgemeine Sorgfaltspflicht, die Pressemitteilungen zu verfolgen, lehnt der EuGH mit der Begründung ab, dass sie für Presse und Medien bestimmt seien und gerade keine Rechtswirkung gegenüber den Geschädigten entfalten. Zumal die Pressemitteilungen auch nicht in allen Amtssprachen der EU zu Verfügung gestellt würden und regelmäßig nicht die notwendigen Informationen enthielten.

Die Auswirkungen der Entscheidung auf kenntnisunabhängige Verjährungsfristen in anderen Mitgliedstaaten bleiben abzuwarten. Einerseits legt das Urteile nahe, dass nur eine kenntnisabhängige Verjährungsfrist mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts vereinbar ist, andererseits überlässt es die Kartellschadensersatzrichtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit absolute Verjährungsfristen beizubehalten. In der Praxis profitieren von dieser Entscheidung in Zukunft alle durch Kartellverstöße Geschädigte, denn Bekanntmachungen im Amtsblatt der EU werden regelmäßig erst Monate später veröffentlicht als die Pressemitteilungen über Bußgeldbescheide. Schadensersatzansprüche bei Kartellrechtsverstößen könnten nun faktisch erheblich länger geltend gemacht werden.

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