Aktuelles zum Kartellrecht und EU-Recht
Neue Pflichten für Unternehmen in der EU:
Die neue Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) tritt in Kraft – deutsches Lieferkettengesetz muss schrittweise angepasst werden
08.07.2024
Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Brüssel, Herrn Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., vanderhout@cbbl-lawyers.de, Tel. +32 - 2 - 234 11 60, www.kapellmann.de
Am 05.07.2024 wurde die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (European Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die CSDDD beinhaltet Verpflichtungen für Unternehmen hinsichtlich negativer Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Menschenrechts- und Nachhaltigkeitsbelange und legt eine mit diesen Verpflichtungen verbundene Haftung fest. Die Vorschriften betreffen nicht nur die Tätigkeit der Unternehmen selbst, sondern auch die ihrer Tochtergesellschaften und die ihrer Geschäftspartner in der Wertschöpfungskette.
Die CSDDD ist das Ergebnis langwieriger Verhandlungen, in denen ein Kompromiss mehrfach zu scheitern drohte. Trotz informeller Einigung zwischen Rat und Europäischem Parlament Ende 2023 enthielten sich in den letzten Abstimmungen im Rat Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Italien und Frankreich. Der daraufhin neu verhandelte Kompromissvorschlag stellt nun eine deutlich abgeschwächte Version des ursprünglichen Kompromisses von Ende 2023 dar. Damit nähert er sich dem deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) an, welches 2023 in Kraft trat und unter anderem als Inspiration für die Richtlinie diente. Das LkSG stellt in Deutschland bereits Standards für den Schutz von Menschenrechten und Umwelt in globalen Lieferketten auf, indem es Großunternehmen in die Verantwortung nimmt. Es führt abgestufte Sorgfaltspflichten für bestimmte Unternehmen ein und stellt Anforderungen an das Risikomanagement. Die CSDDD verfolgt wie das LkSG einen risikobasierten Ansatz für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten.
Dennoch bestehen zwischen der CSDDD und dem LkSG einige Unterschiede und damit An-passungsbedarf am LkSG im Rahmen der Richtlinienumsetzung. Hier die wichtigsten Unterschiede im Überblick:
1. Anwendungsbereich
Ein erster Unterschied zwischen dem LkSG und der CSDDD findet sich im Anwendungsbereich der jeweiligen Vorschriften. Der Anwendungsbereich der CSDDD erfasst EU-Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten sowie einem Jahresumsatz von über EUR 450 Millionen weltweit. Darüber hinaus sind Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften eines Drittstaates gegründet wurden, wenn sie Umsätze von mehr als EUR 450 Millionen innerhalb der EU erwirtschaften. Eine Sonderregel besteht für Unternehmen, welche die Schwellenwerte zwar selbst nicht erreichen, aber die oberste Muttergesellschaft einer Gruppe sind, der die Schwellenwerte erreicht hat. Außerdem beinhaltet die Richtlinie eine weitere Sonderregel für Franchise-Unternehmen, die ebenfalls von der Richtlinie betroffen sind, sobald sie einen Umsatz von über EUR 80 Millionen erzielen, wovon mehr als EUR 22.5 Millionen durch Lizenzgebühren erwirtschaftet wurden. Der Anwendungsbereich ist jedoch erst eröffnet, wenn die vorgenannten Schwellenwerte in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren erreicht werden.
Das LkSG betrifft hingegen nur solche Unternehmen, die über eine Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung, einen Verwaltungssitz oder satzungsmäßigen Sitz oder eine Zweigniederlassung in Deutschland verfügen. Zwar sieht auch das LkSG eine Arbeitnehmerschwelle vor. Anders als die CSDDD stellt das LkSG allerdings keine Umsatzschwelle auf. Seit dem 01.01.2023 gilt das LkSG für vorgenannte Unternehmen, die mindestens 3.000 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigen. Die Schwelle wurde ab dem 01.01.2024 auf 1.000 Mitarbeiter in Deutschland herabgesetzt. Außerdem umfasst das LkSG keine Regelungen für Franchise-Unternehmen. Da sich somit die Anwendungsbereiche der CSDDD und des LkSG nicht vollständig decken, muss bei der Umsetzung der CSDDD sichergestellt werden, dass jedenfalls die Unternehmen unter das LkSG fallen, die in den Anwendungsbereich der CSDDD fallen.
2. Zivilrechtliche Haftung und Bußgelder
Ein zweiter Unterschied liegt in der Rechtsfolge bei Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten. Hier führt die CSDDD einen eigenen zivilrechtlichen Haftungstatbestand in Form einer Schadensersatzhaftung ein. Dieser ermöglicht es Personen, die durch Unternehmensaktivitäten entlang der Lieferkette geschädigt wurden, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ihren Schaden direkt geltend zu machen.
Das LkSG schafft hingegen keinen eigenen zivilrechtlichen Haftungstatbestand, sondern setzt primär auf Geldbußen und Vergabebeschränkungen – z.B. drohen Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als EUR 400 Millionen bei Nichteinhaltung Geldbußen von bis zu 2 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes und negative Konsequenzen im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe. Auch die CSDDD sieht Regelungen zu Bußgeldern vor. Die Einzelheiten sind der nationalen Umsetzung durch die Mitgliedstaaten vorbehalten. Allerdings fällt die Höchstgrenze für Geldbußen im Vergleich zum LkSG höher aus. Nach der CSDDD beträgt diese mindestens 5 % des weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens im vorangegangenen Geschäftsjahr.
Die Aufsicht der Einhaltung des LkSG liegt beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), welches voraussichtlich seine Zuständigkeit mit Inkrafttreten der Richtlinie behalten wird.
3. Umweltschutz
Ein dritter Unterschied betrifft die allgemeinen Schutzgüter der Vorschriften und ihre Ambitionen im Bereich Klimaschutz. Die CSDDD präzisiert diese durch Verweise auf verschiedene internationale Abkommen, die im Anhang gelistet sind. Hinsichtlich der Menschenrechte verweist die CSDDD auf dieselben Abkommen wie das LkSG, ist jedoch umfangreicher in der Benennung spezifischer Menschenrechte. Zudem legt die EU mit der CSDDD einen stärkeren Fokus auf den Umweltschutz und die Erreichung der Klimaziele. Während das LkSG nur einige spezifische umweltbezogene Übereinkommen nennt, geht die CSDDD weiter und verlangt von Unternehmen, einen Plan zur Minderung der Folgen des Klimawandels zu erstellen. Unternehmen müssen darlegen, wie sie dieses Ziel durch ihre Emissionsziele erreichen wollen und damit zum Ziel der Klimaneutralität beitragen.
4. Begriff der Lieferkette
Ein vierter Unterschied zeigt sich im Begriff der Lieferkette. Hier geht die CSDDD über das LkSG hinaus. Das LkSG verpflichtet Unternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten primär gegenüber ihren „unmittelbaren Zulieferern“ und bezieht „mittelbare Zulieferer“ – also solche, zu denen keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen bestehen – nur ein, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht bei diesen möglich erscheinen lassen. Die CSDDD hingegen verwendet den umfassenderen Begriff der „Aktivitätskette“ („chain of activities“), der sowohl vorgelagerte Geschäftspartner als auch nachgelagerte Geschäftspartner, die in der Produktvermarktungskette aktiv sind, einbezieht. Der Begriff der Geschäftspartner umfasst dabei uneingeschränkt sowohl direkte als auch indirekte Geschäftspartner.
5. Fazit und Ausblick
Damit ergibt sich aus der CSDDD mit Blick auf das LkSG Anpassungsbedarf, dem der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung der CSDDD Rechnung tragen muss. Im Anwendungsbereich hat sich die CSDDD im Rahmen der Verhandlungen dem LkSG erneut angenähert, während ein entscheidender Unterschied weiterhin in der Rechtsfolge bei Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten liegt. Außerdem beinhaltet die CSDDD weitgehende Pflichten im Bereich Klimaschutz und erfasst unter dem Begriff der Aktivitätenkette neben der eigenen Geschäftstätigkeit der Unternehmen und direkten Lieferanten auch indirekte Lieferanten.
Wann Unternehmen konkret mit den neuen Anforderungen aus der CSDDD zu rechnen haben, ergibt sich aus den Regelungen zur Umsetzung. Mit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU am 05.07.2024, tritt sie zwanzig Tage später in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben anschließend bis zum 26.07.2026 Zeit, um die Vorschriften in innerstaatliches Recht umzusetzen. Dies wird in Deutschland voraussichtlich im Rahmen einer Anpassung des LkSG erfolgen. Für Unternehmen sollen die Vorschriften stufenweise gelten:
- Nach drei Jahren (26.07.2027) für EU-Unternehmen, die mehr als 5.000 Beschäftigte haben und im letzten Geschäftsjahr vor Inkrafttreten der CSDDD mehr als EUR 1.5 Milliarden Umsatz weltweit erwirtschaftet haben.
- Nach vier Jahren (26.07.2028) für EU-Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und mehr als EUR 900 Millionen Umsatz weltweit im letzten Geschäftsjahr vor Inkrafttreten der CSDDD.
- Nach fünf Jahren (26.07.2029) für EU-Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und mehr als EUR 450 Millionen weltweit im letzten Geschäftsjahr vor Inkrafttreten der CSDDD von der Richtlinie.
Für Unternehmen, die nach dem Recht eines Drittstaates gegründet wurden, gelten die vorgenannten Stufen bis auf die Schwellenwerte bezüglich Arbeitnehmeranzahl entsprechend.
Darüber hinaus wird die EU-Kommission allgemeine und branchenspezifische Leitlinien zur Umsetzung der Richtlinie erlassen, welche praktische Hinweise zur Einhaltung der neuen Vorschriften beinhalten werden. Insgesamt sollten Unternehmen prüfen, ob sie von dem Anwendungsbereich der Richtlinie unmittelbar erfasst sind und dahingehend im Rahmen einer Gap-Analyse ihren Handlungsbedarf ermitteln. Hierbei sollte insbesondere geprüft werden, ob auf bestehende Compliance-Strukturen und Initiativen zur Nachhaltigkeit aufgebaut werden kann. Deutsche Unternehmen, die bereits das LkSG umsetzen, werden sicherlich auf ihre bisherigen Maßnahmen aufsetzen können und es insofern leichter haben als Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten. Wie die Erfahrung mit dem LkSG in Deutschland zeigt, sollten kleinere Unternehmen, die nicht unmittelbar von der Richtlinie erfasst sind, damit rechnen, dass die großen Kunden versuchen werden, ihre gesetzlichen Pflichten vertraglich an sie weiterzureichen.
Sie haben weitere Fragen zu den neuen Pflichten für Unternehmen in der EU und die Anpassung des deutschen Lieferkettengesetzes? Sprechen Sie uns an!
Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt in Brüssel, Herr Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., berät Sie gerne: vanderhout@cbbl-lawyers.de, Tel. +32 - 2 - 234 11 60, www.kapellmann.de