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CBBL Solicitor (Hong Kong) & Attorney at Law (Germany) Stefan Schmierer, Kanzlei Ravenscroft & Schmierer, Hong Kong Western District
Stefan Schmierer
Solicitor (Hong Kong) & Attorney at Law (Germany), Ravenscroft & Schmierer, Hong Kong Western District

Aktuelles zum Wirtschaftsrecht in Hong Kong

Neuer Vollstreckungsmechanismus in Hong Kong und Festlandchina – Eine Wende zum Besseren?

30.08.2024

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Hong Kong, Herrn Rechtsanwalt Stefan Schmierer, schmierer@cbbl-lawyers.de, Tel. +852 2388 3899, www.rs-lawyers.com.hk


Am 29. Januar 2024 ist die zwischen Festlandchina und Hong Kong geschlossene Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen (gegenseitige Vollstreckung) (Kapitel 645 der Gesetze von Hong Kong) („Verordnung“) in Kraft getreten. Die Verordnung ist ein großer Fortschritt für die grenzüberschreitende rechtliche Zusammenarbeit. Sie erleichtert und beschleunigt die Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen in Zivil- und Handelssachen zwischen den beiden Gerichtsbarkeiten. Dies hilft den Parteien in grenzüberschreitenden Fällen, Geschäfte mit mehr Vertrauen und weniger administrativen Hürden abzuwickeln, was widerrum Zeit und Geld spart.

Drei Kernbestimmungen der Verordnung

Das gegenseitige Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen umfasst mehrere wichtige Bestimmungen, die den Grundstein für eine wirksame Zusammenarbeit zwischen dem Festlandchina und Hong Kong legen.

1. Aufhebung des Erfordernisses der ausschließlichen Gerichtsbarkeit

Eine der bedeutendsten Änderungen der Verordnung ist die Ersetzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvorschrift im Rahmen der bestehenden Regelung (d. h. der Mainland Judgments (Reciprocal Enforcement) Ordinance (Kapitel 597 der Gesetze von Hong Kong) („Regelung von 2008“)). Solange zum Beispiel ein Gläubiger eine ausreichende Verbindung zu Festlandchina nachweisen kann (d.h. dass die entsprechende Schuld in Festlandchina entstanden ist oder dass der Schuldner in Festlandchina ansässig ist), würde das Gericht davon ausgehen, dass das Urteil, sobald es ergangen ist, in Festlandchina vollstreckt werden kann.

2. Erweiterter Kreis von Urteilen, die grenzüberschreitend zwischen Festlandchina und Hong Kong vollstreckt werden können

Nach der Regelung von 2008 würden nur Geldurteile anerkannt, die von Gerichten in Festlandchina oder in Hong Kong in Handelsstreitigkeiten erlassen wurden. Mit der Verordnung können nun sowohl monetäre als auch nichtmonetäre Urteile zivil- und handelsrechtlicher Natur, Schadensersatz- und Schadenersatzanordnungen aus Strafverfahren sowie bestimmte Urteile zu geistigem Eigentum grenzüberschreitend vollstreckt werden.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass dieser erweiterte Anwendungsbereich einer in der Verordnung festgelegten Liste von Ausschlüssen unterliegt. Urteile in Insolvenzangelegenheiten, Schuldenumstrukturierungsverfahren, Konkursverfahren, Nachlass- und Eheanträgen, bestimmten Fällen geistigen Eigentums, einstweiligen Verfügungen und vorläufigen Rechtsschutzverfahren können in Festlandchina gemäß der Verordnung nicht vollstreckt werden. Auch Schiedssprüche werden nicht anerkannt, wenn ein solches Verfahren nicht in Festlandchina stattgefunden hat oder wenn der Schiedsspruch von einem Gericht außerhalb von Festlandchina ergangen ist.

3. Erweitertes Spektrum akzeptabler Gerichte und Tribunale in Hong Kong und Festlandchina

Trotz der oben genannten Einschränkungen hinsichtlich der Art der Urteile, die in Festlandchina vollstreckt werden können, ist zu beachten, dass die Ebene der Gerichte in Festlandchina, deren Urteile gemäß der Verordnung für die Vollstreckung in Frage kommen, nicht mehr nur auf die spezifischen Ebenen beschränkt ist.

Urteile des Obersten Volksgerichtshofs, der Hohen Volksgerichte oder der Mittleren Volksgerichte in Festlandchina, wenn solche Urteile in zweiter Instanz gefällt werden, sowie der Obersten Volksgerichte, der Mittleren Volksgerichte oder der Ersten Volksgerichte, bei denen (a) keine Berufung eingelegt werden kann, oder (b) die Frist für Berufungen in Bezug auf die Urteile gemäß den Gesetzen abgelaufen ist, ohne dass solche Berufungen eingelegt wurden, sollten nun alle von den Gerichten Hong Kongs anerkannt werden.

Im Gegenzug hat diese neue Regelung die für die Vollstreckung von Urteilen aus Festlandchina in Frage kommenden Gerichte auf die Wettbewerbstribunale, Landtribunale und Arbeitsgerichte Hong Kongs ausgeweitet. Zuvor war diese Möglichkeit begrenzt auf das höchste Berufungsgericht, das Berufungsgericht, das Gericht erster Instanz, das Bezirksgericht und das Tribunal für geringfügige Forderungen.

Eine kurze Anleitung zur Anerkennung eines Urteils aus Festlandchina in Hong Kong und umgekehrt

Im Folgenden finden Sie eine kurze Anleitung dazu, wie Sie die Anerkennung eines Urteils in der anderen Gerichtsbarkeit, jeweils spezifiziert aus Sicht Hong Kongs bzw. des chinesischen Festlandes, erreichen können.

Wie schon unter der Regelung von 2008 beginnt der Prozess mit der Registrierung des Falles. Um ein Urteil aus Festlandchina in Hong Kong anerkennen zu lassen, muss in Hong Kong ein Antrag auf einseitige Registrierung beim Gericht erster Instanz gestellt werden. Wenn der Antrag erfolgreich ist, wird das Urteil anerkannt und ist somit in Hong Kong vollstreckbar. Es gibt jedoch einige Bedingungen:

  1. Da die Verordnung keine Anwendung auf Urteile findet, die vor dem 29. Januar 2024 ergangen sind, können bzgl. von Urteilen, die vor diesem Datum ergangen sind, keine Anträge gestellt werden;
  2. Wie in der Kernbestimmung Nr. 2 oben erwähnt, muss das Urteil von seinem Inhalt her vom Anwendungsbereich der Verordnung umfasst sein;
  3. Das Urteil aus Festlandchina muss gültig und wirksam sein und durch eine vom ursprünglichen Gericht auf dem Festland ausgestellte Bescheinigung bestätigt werden.
  4. Bis zum Zeitpunkt der Antragstellung darf der Schuldner den im Urteil dargelegten Verpflichtungen nicht nachgekommen sein und diese Nichterfüllung muss einen Zeitraum von zwei Jahren vor Antragstellung umfassen.

Abgesehen von einem Urteil, das die oben genannten Bedingungen nicht erfüllt, kann das Gericht in Hong Kong Anträge auf Registrierung in seltenen Fällen ablehnen (aufheben), wenn zum Beispiel:

  1. Ein Gericht in Hong Kong zu demselben Streit zwischen den beteiligten Parteien ein Urteil erlassen hat. Alternativ kann ein Urteil zu derselben Streitigkeit von einem Gericht außerhalb von Hong Kong gefällt worden sein, sofern dieses Urteil bereits von einem Gericht in Hong Kong anerkannt oder umgesetzt wurde;
  2. Das amtlich beurkundete Urteil entweder auf betrügerische Weise erlangt wurde oder es nach einer Berufung oder einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben oder annulliert wurde;
  3. Durch die Vollstreckung eine Situation eintreten würde, die „offensichtlich unvereinbar mit der öffentlichen Ordnung Hong Kongs“ wäre;
  4. Der Angeklagte im ersten Gerichtsverfahren entweder: (1) gemäß dem Recht von Festlandchina nicht offiziell zum Erscheinen vor dem ursprünglichen Gericht in Festlandchina geladen gewesen ist, oder (2) obwohl er geladen wurde, ihm kein Gerichtstermin zur Verfügung gestellt wurde oder er keine Chance hatte, sich im Verfahren zu verteidigen.

Um ein Urteil aus Hong Kong in Festlandchina anerkennen zu lassen, ist das Verfahren sehr ähnlich: Der Antrag auf Anerkennung eines Urteils aus Hong Kong wird bei einem Mittleren Volksgericht in Festlandchina gestellt.

Deutliche Reduzierung überflüssiger Gerichtsverfahren in grenzüberschreitenden Angelegenheiten zwischen Hong Kong und Festlandchina

Es kommt häufig vor, dass Parteien, nachdem sie eine Klage bei einem anderen Gericht außerhalb des Zuständigkeitsbereichs erhoben haben, nach lokalen Möglichkeiten suchen, um denselben Fall erneut vor Gerichten in Hongkong zu verhandeln. Mit Inkrafttreten der Verordnung könnten diese doppelten grenzüberschreitenden Gerichtsverfahren, bei denen es um denselben Klagegrund und dieselben Parteien geht, erheblich reduziert werden, wodurch die Nutzung öffentlicher Mittel für Bedürftige im Hoheitsgebiet verbessert würde.

Die Umsetzung dieser neuen Regelung, die seit Jahren diskutiert wurde, sollte zweifellos dazu beitragen, Hongkongs Stellung als herausragende regionale Drehscheibe für die Beilegung von Streitigkeiten zu festigen und langfristig grenzüberschreitenden Handel und grenzüberschreitende Investitionen zu erleichtern. Wie ober geschildert, könnten die Rechte der Vertrags- und/oder Prozessparteien in unserem derzeitigen Justizsystem in Hong Kong besser gewährleistet werden, und was noch wichtiger ist, das Ausmaß an Risiken, Kosten und Zeit, die normalerweise mit der Durchsetzung in unserer Nachbargerichtsbarkeit in Festlandchina verbunden sind, könnte reduziert werden.

Sie haben weitere Fragen zum neuen Vollstreckungsmechanismus in Hong Kong und Festlandchina? Sprechen Sie uns an!

Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt in Hong Kong, Herr Rechtsanwalt Stefan Schmierer, berät Sie gerne: schmierer@cbbl-lawyers.de, Tel. +852 2388 3899