Aktuelles zum Wirtschaftsrecht in Hong Kong
Rechte von Minderheitsgesellschaftern in Hong Kong
02.08.2019
Der Schutz von Minderheitsgesellschaftern wird durch die Hong Kong Companies Ordinance (“CO“) und die Hong Kong Companies (Winding up and Miscellaneous Provisions) Ordinance (“CWMPO“) gewährleistet.
1. Einleitung
Grundregel bei Gesellschaften in Hong Kong ist, dass eine Entscheidung als angenommen gilt, wenn mehr als 50% der anwesenden und abstimmenden Gesellschafter auf einer Gesellschafterversammlung für eine Entscheidung stimmen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Minderheitsgesellschafter, die weniger als 50% der Anteile haben, von den anderen Gesellschaftern überstimmt werden können. Um zu verhindern, dass die Minderheitsgesellschafter den anderen Gesellschaftern nichts entgegen zu setzen haben, sieht das Hong Konger Gesetz bestimmte Mechanismen vor, die einen Missbrauch verhindern sollen und die grundsätzlichen Rechte der Minderheitsgesellschafter wahren sollen.
Diese sind unter anderem:
2. Special Resolution
Statt einer Abstimmung mit einfacher Mehrheit ist eine Special Resolution, also einer Abstimmung, die für eine Verabschiedung mehr als 75% der Stimmen der teilnehmenden und abstimmenden Gesellschaftern benötigt, erforderlich für wichtige Angelegenheiten, so wie:
- Änderung der Articles of Association (“AoA”) mit Ausnahme einer Änderung bezüglich des Maximums an Aktien, die die Gesellschaft ausgeben kann (Sec. 88(2)(3) CO);
- Änderung von Unternehmenszielen (Sec. 88(2)(3) CO);
- Änderung von Bestimmungen im Memorandum of Association (“MoA“), welche auch in den AoA verfasst hätten werden können (Sec. 90(1)(3) CO);
- Änderung des Gesellschaftsnamens (Sec. 107(1) CO);
- Neuregistrierung einer Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung auf beschränkte Haftung. (Sec. 130(1)(a) CO);
- Reduzierung des Stammkapitals der Gesellschaft (Sec. 215(1) CO);
- Rückkauf von Anteilen durch ein nicht börsennotiertes Unternehmen (Sec. 244(1)(2) CO);
- Befreiung von Rückkauf-Verträgen (Sec. 243(1), 251(1) CO);
- Zahlungen aus dem Gesellschaftskapital bezüglich der Einziehung oder dem Rückkauf von Aktien (Sec. 258(1) CO);
- Liqidation der Gesellschaft durch ein Gericht (Sec. 177(1)(a) CWMPO);
- Freiwillige Liquidation (Sec. 228(1)(b) CWMPO);
- Ermächtigung des Liquidators bei einer freiwilligen Liquidation Aktien als Gegenwert für den Verkauf von Gesellschaftsseigentum zu akzeptieren (Sec. 237(1) CWMPO).
Für eine rechtskräftige Special Resolution der Gesellschafter ist es notwendig, dass Mitteilung und Einladung zur betreffenden Versammlung den Text der Resolution enthält und die Intention, die Abstimmung als Special Resolution vorzunehmen, eindeutig hervorgeht. Ein Annual General Meeting (“Jahreshauptversammlung“, “AGM“) muss spätestens 21 Tage im Voraus angekündigt werden, ein Extraordinary General Meeting (“Außerordentliche Generalversammlung“, “EGM“) spätestens 14 Tage im Voraus, es sei denn, eine längere Frist ist in den AoA vorgesehen.
Wenn nicht anders in den AoA vorgesehen ist notwendig für eine Generalversammlung ein Quorum von zwei Mitgliedern, persönlich anwesend oder vertreten durch jeweils einen Bevollmächtigten (Sec. 585(3) CO).
Nach Common Law ist die physische Anwesenheit von mindestens zwei Mitgliedern notwendig (RE Sanitary Carbon Co. (1877) WN 233). Die AoA können jedoch vorsehen, dass eine Generalversammlung per Video- oder Telefonkonferenz stattfinden kann. Die AoA sollten hierzu weitere Angaben für den Ablauf einer solchen, nicht-physischen Versammlung machen.
3. Einschaltung des Gerichts
Eine Erlaubnis durch ein Gericht zur Vornahme einer Handlung ist nach der Companies Ordinance generell notwendig, wenn die Entscheidung direkt Gläubiger der Gesellschaft betrifft und deren Rechte einschränken soll, beispielsweise bei einer Kapitalreduktion (Sec. 211(b), 226ff. CO). Eine Reduzierung des Stammkapitals bedeutet für Gläubiger die Reduzierung der Haftungsmasse der Gesellschaft, so dass dies nur eingeschränkt und nach Sanktion durch ein Gericht möglich sein soll.
4. Aufhebung von Entscheidungen durch ein Gericht
Im Falle
- Einer Änderung von Unternehmenszielen (Sec. 89(5), 91 CO);
- Einer Änderung der AoA einer privaten Gesellschaft (Sec. 90(4)(10),91 CO);
- Einer Reduzierung des Stammkapitals (Sec. 220(1) CO); oder
- Einer Zahlung bezüglich der Einziehung oder des Rückkaufs von Aktien (Sec. 263(1) CO),
haben die widersprechenden Gesellschafter das Recht, das Gericht zur Aufhebung dieser Entscheidung anzurufen, welches dem Antrag zustimmen und/oder Bedingungen und Auflagen erlassen kann (Sec. 91(6)(a), 222(1), 265(1) CO), wenn das Gericht der Ansicht ist, dass bei der Abstimmung oder bei der Vorbereitung zur Abstimmung Fehler gemacht wurden, die die Rechte der Antragssteller bzw. der Minderheitsgesellschafter beeinträchtigen.
5. Antrag und Fähigkeit zum Einberufen von Generalversammlungen
Wenn Gesellschafter, die über mindestens 5% der gesamten Stimmrechte der Gesellschaft verfügen, die Einberufung einer Generalversammlung fordern, müssen die Direktoren diesem Antrag innerhalb von 21 Tagen entsprechen (Sec. 566(2), 567(1) CO). Eine Versammlung aufgrund eines solchen Antrags muss spätestens 28 Tage nach der Einberufung abgehalten werden (Sec. 567(2) CO). Falls die Direktoren die Versammlung nicht oder nicht rechtzeitig einberufen, haben die Gesellschafter, welche die Versammlung gefordert haben, sowie Gesellschafter, die mehr als 50% der Stimmrechte repräsentieren, das Recht, selbst eine Generalversammlung einzuberufen (Sec. 568(1) CO).
Sollte die Gesellschaft keine Direktoren haben oder die Direktoren nicht in der Lage sein, ein Quorum zu bilden, können jede zwei Gesellschafter, welche 10% der Stimmrechte repräsentieren (soweit die AoA der Gesellschaft nichts Abweichendes vorsehen), selbst eine Generalversammlung einberufen (Sec. 569 CO).
6. Einsichtnahme in Bilanzen und Dokumente
Auf Antrag von Mitgliedern, die mindestens 2,5 % der Stimmrechte innehalten (Sec. 740(6)(a) CO), oder mindestens 5 Gesellschaftern (Sec. 740(6)(b)), kann das Gericht eine Person ermächtigen, Bilanzen und Dokumente der Gesellschaft einzusehen, wenn es überzeugt ist, dass dieser Antrag in gutem Glauben gestellt wurde und die Einsichtnahme für einen redlichen Zweck geschieht (Sec. 740(1)(2) CO).
Die ermächtigte Person ist ohne die vorherige schriftliche Einwilligung der Gesellschaft aber nicht befugt, die erhaltenen Informationen einem Dritten, welcher nicht Antragssteller ist, zur Verfügung zu stellen (Sec. 741(2) CO). Eine Ausnahme besteht in Sec. 741(3) CO (z.B. für Kriminalermittlungen).
7. Untersuchung von Gesellschaftsangelegenheiten
Auf Antrag von Gesellschaftern die mindestens 10% der Anteile halten, können der Finanzminister von Hong Kong oder seine Vertreter eine Person zur Untersuchung von Gesellschaftsangelegenheiten bestimmen, wenn die Meinung besteht, dies wäre im öffentlichen Interesse (Sec. 840(1)(2)(4) CO). Der Antrag muss begründen, dass der Antragsteller gute Gründe hierfür hat.
8. Recht, ausgekauft zu werden
Im Falle eines erfolgreichen Übernahmeangebots hat die Minderheit das Recht, ausgekauft zu werden, wenn der Anbieter mindestens 90% der Anteile bereits erworben hat. Wenn das Übernahmeangebot nicht für verschiedene Anteilsklassen gilt, setzt das Recht, seine Anteile an den Übernehmer zu verkaufen, dass der Übernehmende zu einem Zeitpunkt vor Ende des Übernahmeangebotszeitraums mindestens 90% der Anteile innehält (Sec. 700(1) CO). Falls das Übernahmeangebot für verschiedene Anteilsklassen gilt, besteht das Recht, wenn der Übernehmende zu einem Zeitpunkt vor Ende des Übernahmeangebotszeitraums mindestens 90% der entsprechenden Anteilsklasse innehält (Sec. 700(2) CO). Der Minderheitsgesellschafter kann dieses Recht jedoch nur innerhalb von 3 Monaten, entweder nach Ende des Angebots oder dem Datum der Mitteilung seines Rechst, ausüben (Sec. 700(3) CO). Relevant ist der spätere Zeitpunkt.
Eine ähnliche Vorschrift besteht für den Fall eines erfolgreichen Rückkaufs. Für den Fall, dass die rückkaufende Gesellschaft die meisten, aber nicht alle Anteile zurückgekauft oder zumindest vertraglich deren Rückkauf vereinbart hat, kann der Eigner von Anteilen, die dem Angebot unterfallen, per Brief an die Gesellschaft den Rückkauf seiner Anteile verlangen (Sec. 718 CO). Wie vorangehend muss er sein Recht auch hier 3 Monate, entweder nach dem Ende des Angebots oder dem Datum der Mitteilung seines Rechts, ausüben (718(4) CO). Relevant ist der spätere Zeitpunkt.
9. Rechtsbehelf bei unlauterem Vorgehen
Auf Antrag von Gesellschaftern kann das Gericht Rechtsbehelfe anordnen, wenn es der Meinung ist, dass die Angelegenheiten der Gesellschaft unlauter in Hinblick auf die Interessen der Gesellschafter vorgenommen wurden (Sec. 724(1)(a) CO), oder eine geplante Entscheidungen unlauter wäre (Sec. 724(1)(b) CO). Das Gericht hat hierbei großen Gestaltungsspielraum (Sec. 725(1)(a) CO). Beispielsweise kann das Gericht anordnen:
- Urteil zur Beendigung fortlaufender Maßnahmen;
- Auswahl eines Verwalters oder Managers für das Eigentum oder Geschäft der Gesellschaft;
- Urteil zur Zahlung von Schadensersatz durch die Gesellschaft oder andere Personen an einen Gesellschafter, dessen Interessen durch unlautere Handlungen beeinträchtigt wurden.
Das Gericht kann unter gewissen Umständen sogar die AoA verändern (Sec. 726 CO). Die CO enthält jedoch keine Definition von unlauterem Vorgehen.
10. Antrag auf Schadensersatz
Im Falle, dass ein Verantwortlicher der Gesellschaft
- Eine Handlung vorgenommen hat oder vornehmen möchte, welche einen Verstoß gegen die CO darstellt (Sec. 728(1)(a)(i) CO); oder
- Eine Handlung vorgenommen hat oder vornehmen möchte, welche einen Verstoß gegen seine treuhänderischen Pflichten oder
- Pflichten als Direktor darstellt (Sec. 728(1)(a)(iii)(4) CO); oder
Der Vornahme einer Handlung, welche von ihm durch die CO verlangt wird, verweigert hat oder verweigern will,
kann das Gericht auf Antrag eines Gesellschafters, dessen Interessen hierdurch beeinträchtigt wurden, eine Entscheidung erlassen, dass Schadensersatz zu leisten ist das Gericht kann einen Vertrag für nichtig erklären hat (Sec. 729 CO).
XI. Derivative Action
Eine derivative action berechtigen einen Gesellschafter, Klage im Namen der Gesellschaft einzureichen (=actio pro socio), wenn diese einen Verlust durch eine Handlung einer verantwortlichen Person erlitten hat und die Gesellschaft selbst nicht klagt. Dies kann geschehen bei Betrug, Fahrlässigkeit, Pflichtverletzung oder Verletzung eines anderen Rechts.
In Foss versus Harbottel (1843) beantragte ein Gesellschafter, dass die Direktoren für Verluste der Gesellschaft haftbar gemacht werden sollten wegen Eigentumsmissbrauch sowie missbräuchlicher Hypothekengewährung, und dass ein Verwalter zu bestellen sei. Das Gericht urteilte, dass ein Gesellschafter eine derartige Klage aber nicht vorbringen könne, da dies nur in der Macht der Gesellschaft selbst läge, denn diese habe auch den Schaden erlitten. Seitdem ist es die allgemeine Ansicht, dass eine Klagen für den Fall, dass Direktoren oder Gesellschafter angeblich ein Verschulden zulasten der Gesellschaft treffen, durch die Gesellschaft selbst vorzubringen sind. Nur für den Fall, dass dies nicht geschieht, da die kontrollierenden Personen der Gesellschaft die Personen sind, die die schadhafte Handlung hervorgerufen haben, besteht für einen Gesellschafter das Recht, im Namen der Gesellschaft selbst zu klagen.
a. Derivative Action im Common Law
Im Common Law kann eine derivative action von Minderheitsgesellschaftern für den Fall auf den Weg gebracht werden, dass die Gesellschaft durch missbräuchliches Verhalten von Direktoren oder Mehrheitsgesellschafter Schaden erlitten hat.
Voraussetzung ist jedoch, dass der Minderheitsgesellschafter als Kläger nachweisen kann, dass der Verstoß betrügerisch vorgenommen wurde. Einfache oder grobe Fahrlässigkeit sind hierfür nicht ausreichend, sodass das Betrugskriterium eine relativ hohe Hürde darstellt.
b. Derivative Action im Gesetz
Abweichend hiervon enthält die derivative action, die im Gesetz kodifiziert ist in Sec. 731 CO kein Betrugserfordernis, der Kläger muss hierfür dem Gericht nur die folgenden Punkte zeigen:
- Dass es im Interesse der Gesellschaft zu sein scheint, rechtliche Maßnahmen vorzunehmen;
- Dass es sich um eine wichtige Angelegenheit (also wichtig für die Gesellschaft) handelt; und
- Dass der Kläger die Gesellschaft 14 Tage im Voraus informiert hat.
c.Regel gegen Reflexionsverluste
Sobald das Gericht entscheidet, dass die Gesellschaft durch einen Verstoß der Direktoren und/ oder Mehrheitsgesellschafter Verluste erlitten hat, kann die Gesellschaft Schadensersatz verlangen. In den meisten Fällen ist es für den Minderheitsgesellschafter allerdings nicht möglich, selbst Schadensersatz zu verlangen, da es die Gesellschaft selbst ist, welche Verlust erlitten hat und nicht der Gesellschafter. Dies ist die sogenannte “Regel gegen Reflexionsverluste“ (“Rule against Reflective Loss“), welche seit der Reform der Companies Ordinance in 2014 in verschiedenen Hong Konger Urteilen bestätigt wurde.
Sollten die Anteile des Minderheitengesellschafters durch das Vorgehen der Direktoren und/ oder Mehrheitsgesellschafter an Wert verloren haben, so kann der Minderheitsgesellschafter trotzdem keinen Schadensersatz für diesen Wertverlust verlangen, da der eigentliche Schaden bei der Gesellschaft eingetreten ist.
d. Mehrfache derivative actions
In 2010 wurde entschieden, dass mehrfache derivative actions möglich sind. Ein Minderheitsgesellschafter einer Holding kann rechtliche Schritte im Namen der Tochtergesellschaft einleiten, wenn die verantwortliche Person jede relevante Position der Konzernstruktur kontrolliert. Das oberste Berufungsgericht in Hong Kong bestätigte dies mit der Begründung, dass der Rechtsgrund für eine einfache derivative action auch eine mehrfache derivative action rechtfertigt, da die Kontrolle des Handelnden von Holding und Tochtergesellschaft ebenso die Tochtergesellschaft von eigenem rechtlichen Vorgehen abhält.
11. Auflösung
Die Gesellschaft kann auf Antrag jedes einzelnen Gesellschafters durch das Gericht aufgelöst werden. Gründe für einen solchen Antrag sind die folgenden:
- Die Gesellschaft hat per Special Resolution ihre Auflösung beschlossen (Sec. 177(1)(a) CWMPO);
- Die Gesellschaft schafft es seit 12 Monaten nicht, die Geschäfte fortzuführen oder hat diese suspendiert (Sec. 177(1)(b) CWMPO);
- Die Gesellschaft kann ihre Schulden nicht begleichen (Sec. 177(1)(d) CWMPO);
- Ein Ereignis tritt ein, für welches in den AoA oder dem Memorandum die Auflösung vorgesehen ist (Sec. 177(1)(e) CWMPO); oder
- Das Gericht ist der Meinung, dass eine Auflösung gerecht und gerechtfertigt ist (Sec. 177(1)(f) CWMPO).
Beispiele, in denen das Gericht die Auflösung für gerecht und gerechtfertigt ansieht, sind eine Blockade im Management, ein unzulässiger oder ungerechter Ausschluss einer Person aus dem Management, oder im Fall, dass die Gesellschaft zur Ausübung von betrügerischen oder illegalen Geschäften gegründet wurde.