Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei zu Kartellrecht und EU-Recht
CBBL Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., Kanzlei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M.
Rechtsanwalt und Advocaat
Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel

Aktuelles zum Kartellrecht und EU-Recht

Unternehmensverbände können selbständig gegen Handelsschutzmaßnahmen der EU klagen!

12.12.2023

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Brüssel, Herrn Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., vanderhout@cbbl-lawyers.de, Tel. +32 - 2 - 234 11 60, www.kapellmann.de


Mit Nichtigkeitsklage vom 20.09.2021, eingereicht beim Gericht der Europäischen Union (EuG), wandte sich die Klägerin, der Verband „Euranimi“ (European Association of Non-Integrated Metal Importers & Distributors), gegen die Durchführungsverordnung (EU) 2021/1029 der Kommission vom 24.06.2021 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2019/159 der Kommission und zur Verlängerung der Schutzmaßnahme gegenüber den Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse (ABl. 2021. L 225 I, S. 1), da sie in der Verlängerung der Schutzmaßnahmen bis zum 30.06.2024 ungerechtfertigte Einfuhrbeschränkungen sah.

Die streitigen Schutzmaßnahmen wurden von der EU im Jahre 2018 als Reaktion auf die im selben Jahr festgelegten US-amerikanischen Einfuhrzölle eingeführt. Sinn und Zweck der europäischen Maßnahme war es, das durch die US-amerikanischen Einfuhrzölle drohende Überangebot an Stahl, der ursprünglich für den dortigen Markt gedacht war, einzudämmen. In der Folge wurde in Europa die weltweite Einfuhr von 26 Kategorien an Stahlerzeugnissen auf ein bestimmtes Kontingent begrenzt und jede darüberhinausgehende Einfuhr mit 25% verzollt.

In seiner Entscheidung vom 04.10.2023 (T-598/21, siehe Volltext hier) bestätigte das Gericht nun die Rechtmäßigkeit der Schutzmaßnahmen und wies die Klage als unbegründet ab. Der eigentliche Streit betraf jedoch die Frage nach der Zulässigkeit der Klage. Die Kommission war der Ansicht, die Klägerin sei als Vereinigung bereits nicht dazu befugt, vor dem EuG Nichtigkeitsklage zu erheben, denn es habe weder ein Rechtsschutzinteresse bestanden, noch bestehe eine Klagebefugnis der Klägerin. Vielmehr seien die Klägerin und ihre Mitglieder zunächst an die nationalen Gerichte zu verweisen, welche wiederum im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV den Gerichtshof anrufen könnten.

Das Gericht hat im vorliegenden Fall das Rechtsschutzbedürfnis und die Klagebefugnis der Klägerin hingegen bejaht und die Klage damit als zulässig angesehen. Zum einen leitet es das Rechtsschutzbedürfnis daraus ab, dass die Klage nach dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit der angefochtenen Verordnung erhoben wurde, das heißt nach dem 01.07.2021. Die Rechtsstellung der Mitglieder der Klägerin sei vor dem Inkrafttreten der Verordnung vorteilhafter gewesen als danach, da es zuvor kein Einfuhrkontingent gab. Zum anderen sei die Klagebefugnis gegeben, da die für eine juristische Person im Rahmen einer Nichtigkeitsklage notwendigen drei Voraussetzungen kumulativ vorgelegen haben. Erstens muss die angegriffene Maßnahme sich auf einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter beziehen, also gerade nicht auf ein Gesetz. Zweitens muss die Wirkung des Rechtsakts die juristische Person unmittelbar betreffen und drittens darf der Rechtsakt keine Durchführungsmaßnahme nach sich ziehen.

Die angefochtene Verordnung stelle einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter dar, da sie allgemeine Bedeutung habe und gerade nicht durch ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren erlassen worden sei. Des Weiteren hat das Gericht die unmittelbare Betroffenheit der Klägerin darin gesehen, dass die importierten Waren aller Mitglieder der Klägerin seit Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen unter das Kontingentierungssystem fielen und damit nicht mehr dem zollfreien Raum unterliegen würden. Für die unmittelbare Betroffenheit brauche es, anders als von der Kommission vorgebracht, nicht erst einen konkreten Fall, in dem die Einfuhren eines Mitglieds mit 25% verzollt wurden. Vielmehr betreffe die Schutzmaßnahme die Mitglieder der Klägerin bereits allein durch ihr Bestehen. Die unmittelbare Betroffenheit resultiere des Weiteren daraus, dass den mitgliedstaatlichen Behörden kein Ermessensspielraum hinsichtlich der Verzollung zustehe. Bei Ausschöpfung des Mengenkontingents sei ein Zoll von 25% verpflichtend zu erheben. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Entscheidung ist, dass die handelspolitischen Schutzmaßnahmen hier prinzipiell keiner gesonderten Durchführungsmaßnahme durch die Mitgliedstaaten bedurften, wie es die Kommission vorgebracht hat. Die Schutzverordnung entfalte nach Ansicht des Gerichts jedenfalls auch solche Wirkungen, die nicht erst vom gesonderten Erlass etwaiger Durchführungsmaßnahmen abhängen. Allein die Einführung des Kontingentierungssystems, mit dem sich die Importeure seit Erlass der angefochtenen Verordnung konfrontiert sehen, stelle bereits einen Unterschied zum zollfreien Raum dar. Die Verordnung finde somit aus sich heraus Anwendung, ohne dass es einer weiteren Durchführungsmaßnahme bedürfe.

Zwar hat das Gericht in seinem Urteil vom 04.10.2023 die Klage des Verbands auf Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1029 der Kommission als unbegründet abgewiesen. Es bejahte jedoch das Rechtsschutzinteresse der Klägerin und erkannte sie als repräsentative Vereinigung nach Art. 263 Abs. 4 AEUV und damit als klagebefugt an.

Der Entscheidung zufolge steht auch Lobbygruppen der Weg zu den europäischen Gerichten offen, wenn sie gegen handelspolitische Schutzmaßnahmen klagen wollen, ohne sich zuvor durch einzelne Mitglieder an nationale Gerichte wenden zu müssen. Allerdings ist die Entscheidung noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Sobald dies jedoch eintritt, ist die gerichtlich festgestellte Klagebefugnis von Verbänden vor europäischen Gerichten in ähnlich gelagerten Fällen fixiert.

Sie haben weitere Fragen zu Möglichkeiten der Klage gegen Handelsschutzmaßnahmen der EU? Sprechen Sie uns an!

Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt in Brüssel, Herr Rechtsanwalt und Advocaat Prof. Dr. Robin van der Hout, LL.M., berät Sie gerne: vanderhout@cbbl-lawyers.de, Tel. +32 - 2 - 234 11 60, www.kapellmann.de