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CBBL Solicitor (Hong Kong) & Attorney at Law (Germany) Stefan Schmierer, Kanzlei Ravenscroft & Schmierer, Hong Kong Western District
Stefan Schmierer
Solicitor (Hong Kong) & Attorney at Law (Germany), Ravenscroft & Schmierer, Hong Kong Western District

Aktuelles zum Wirtschaftsrecht in Hong Kong

Update: Schiedsgerichtsbarkeit in Hong Kong

17.11.2023

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Hong Kong, Herrn Rechtsanwalt Stefan Schmierer, schmierer@cbbl-lawyers.de, Tel. +852 2388 3899, www.rs-lawyers.com.hk


Ein Gericht in Hong Kong hat die Vollstreckung des Schiedsspruchs eines Schiedsgerichts in Festland-China abgelehnt, weil einer der Schiedsrichter nicht sinnvoll an der gesamten Verhandlung teilgenommen und damit gegen die Regeln des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit von Verfahren (natural justice) verstoßen hat.

Welcher Sachverhalt lag der Entscheidung zu Grunde?

In der Rechtssache Song Lihua gegen Lee Chee Hon [2023] HKCFI 2540 ging es um einen Vertragsstreit zwischen den Parteien, bei dem die Parteien ihre Differenzen durch ein Schiedsverfahren der Chengdu Arbitration Commission in China beilegen wollten.

Das Schiedsgericht setzte sich aus drei Schiedsrichtern zusammen, von denen einer per Videokonferenz an der Verhandlung teilnahm. Der per Videokonferenz zugeschaltete Schiedsrichter wurde dabei beobachtet, wie er umherging, sich mit anderen Personen unterhielt und die Verbindung zur Anhörung mehrmals unterbrach. Einmal tauchte er sogar auf dem Vordersitz eines Privatwagens auf und justierte seinen Sicherheitsgurt. Die Beweise zeigten außerdem, dass der Schiedsrichter bei verschiedenen Gelegenheiten weder mit anderen Schiedsrichtern noch mit dem Sekretär des Schiedsgerichts gesprochen hatte, als er gefragt wurde, ob sie von ihm gehört werden könnten, noch durch Gesten zu verstehen gab, dass er die Fragen gehört hatte. Das Schiedsgericht entschied schließlich zu Gunsten von Song Lihua und verurteilte Lee Chee Hon zur Zahlung von rund 340 Millionen RMB (rund 43.684.006 Euro).

Daraufhin wollte Song Lihua den Schiedsspruch in Vermögenswerte des Unterlegenen in Hong Kong vollstrecken, woraufhin Lee Chee Hon den Schiedsspruch in Hong Kong anfocht und geltend machte, dass ihm das Recht auf rechtliches Gehör verweigert worden sei und der Schiedsspruch gegen den ordre public (public po-licy) verstoße. Er behauptete, der per Videokonferenz anwesende Schiedsrichter habe nicht sinnvoll an der Anhörung teilgenommen und seine Darlegungen nicht berücksichtigt.

Eine Partei, gegen die ein Schiedsspruch nach dem New Yorker Übereinkommen ergangen ist, hat zwei Möglichkeiten, hiergegen vorzugehen: Entweder sie wendet sich an die Gerichte des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, und bittet um Aufhebung des Schiedsspruchs oder sie wartet, bis jemand versucht, den Schiedsspruch zu vollstrecken, und ficht ihn dann aus einem triftigen Grund nach dem New Yorker Übereinkommen an, wie es Lee Chee Hong getan hat. Die betroffene Partei muss den Schiedsspruch also nicht erst in dem Land aufheben lassen, in dem er erlassen wurde, bevor sie ihn anfechten kann.

Wie hat das Gericht in Hong Kong entschieden?

Die Richterin Mimmie Chan in Hong Kong stimmte Lee Chee Hon zu und lehnte die Vollstreckung des Schiedsspruchs in Hong Kong ab. Das Gericht erklärte, der per Videokonferenz zugeschaltete Schiedsrichter habe gegen den Grundsatz der Rechtmäßigkeit von Verfahren verstoßen, der verlangt, dass beide Parteien eine faire Gelegenheit haben, ihren Fall darzulegen, und dass die Schiedsrichter unparteiisch und unabhängig handeln. Das Gericht stellte fest, dass das Verhalten des Schiedsrichters seine Fähigkeit, die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen und Argumente zu beurteilen, beeinträchtigte oder zu beeinträchtigen schien. Dies ließ Zweifel daran aufkommen, ob er den Fall von Lee Chee Hon überhaupt angehört oder berücksichtigt hatte.

Das Gericht lehnte die Vollstreckung des Schiedsspruchs ab, weil dies gegen den ordre public von Hong Kong verstoßen würde. Das Gericht verwies auf einen früheren Fall (Paklito Investment Limited gegen Klockner East Asia Limited [1993] 2 HKLRD 39) und wiederholte die in Hong Kong geltende Grundregel, dass es auf die lokalen Gegebenheiten des Orts des Gerichts ankommt, wenn der ordre public herangezogen wird, um die Vollstreckung eines Schiedsspruchs zu verhindern.

Das Gericht erklärte auch, dass es nicht an die Entscheidung eines Gerichts in China gebunden sei, welches die Gültigkeit des Schiedsspruchs bestätigt und seine Vollstreckung in China zugelassen hatte. Das Gericht in Hong Kong erklärte, dass es bei der Entscheidung, ob die Vollstreckung des Schiedsspruchs gegen den ordre public von Hong Kong verstoßen würde, seine eigenen Normen und Gesetze anwenden müsse.

In Anbetracht der Beweislage würde die Vollstreckung des Schiedsspruchs in Hong Kong gegen die "grundlegenden Vorstellungen von Gerechtigkeit" verstoßen. Daher wurde die Vollstreckung des Schiedsspruchs gemäß Abschnitt 95(3) der Schiedsge-richtsverordnung verweigert.

Bedeutung dieser Entscheidung?

Diese Entscheidung zeigt, dass die Gerichte in Hong Kong bereit sind, in bereits ergangene Schiedssprüche einzugreifen, wenn sie schwerwiegende Verstöße gegen die den Grundsatz der der Rechtmäßigkeit von Verfahren oder den ordre public feststellen. Dieser Fall zeigt auch, dass die Gerichte in Hong Kong nicht automatisch den Entscheidungen der Gerichte oder Schiedsgerichte in anderen Ländern folgen.

Die Gerichte in Hong Kong sind zwar allgemein für ihre schiedsrichterfreundliche Haltung bekannt, erwarten aber auch von den Schiedsrichtern ein hohes Maß an Fairness und Unparteilichkeit und werden nicht zögern, die Rechte von Parteien zu schützen, die ungerecht behandelt worden sind.

Sie haben weitere Fragen zur Schiedsgerichtsbarkeit und dem Umgang mit Schiedssprüchen in Hong Kong? Sprechen Sie uns an!

Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt in Hong Kong, Herr Rechtsanwalt Stefan Schmierer, berät Sie gerne: schmierer@cbbl-lawyers.de, Tel. +852 2388 3899