Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in der Ukraine
CBBL Rechtsanwalt und Partner Igor Dykunskyy, LL.M., Kanzlei DLF Rechtsanwälte, Kiew
Igor Dykunskyy, LL.M.
Rechtsanwalt und Partner
DLF Rechtsanwälte
Kiew

Aktuelles zum ukrainischen Wirtschaftsrecht

Verträge mit Geschäftspartnern in der Ukraine: Möglichkeiten zur Absicherung von Risiken während des Kriegszustands

15.06.2022

Am 10. Juli 2022 trat das ukrainische Gesetz zur Regelung von Arbeitsverhältnissen mit unbefristeten Arbeitszeiten (weiter nur Gesetz) in Kraft. Das Gesetz führt eine neue Vertragsform ein: es geht um den Arbeitsvertrag mit unbefristeter Arbeitszeit.

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Kiew, Herrn Igor Dykunskyy, LL.M., Rechtsanwalt und Partner, dykunskyy@cbbl-lawyers.de, Tel. +380 44 384 24 54, www.dlf.ua

1. Einführung

Die großangelegte Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat viele Herausforderungen hervorgerufen, darunter auch rechtliche. Somit ist es wichtig zu verstehen, wie Geschäftsleute ihre Lieferungen in die Ukraine bzw. aus der Ukraine unter diesen Umständen absichern können.

Bei einer korrekten Vertragsgestaltung bzw. Umsetzung können weiterhin Geschäfte in der Ukraine getätigt werden. Dabei sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen, die Ihnen helfen werden, das Verhalten Ihrer ukrainischen Geschäftspartner besser zu verstehen, besonders, wenn es um die Bezahlung Ihrer Rechnungen geht.

Seit der Großinvasion gelten in der Ukraine eine Reihe von devisenrechtlichen Einschränkungen. Unter anderem wird in den meisten Fällen zur Anwendung der Vorschriften kommen, die im Falle des Vorliegens Höherer Gewalt gelten. Die seitens der westlichen Länder gegenüber russischen Gesellschaften und russischen natürlichen Personen eingeführten Sanktionen verlangen nun auch eine tiefere Überprüfung der ukrainischen Geschäftspartner.

2. Überprüfung von ukrainischen Geschäftspartnern

Auch während des Krieges bestehen ausreichend Möglichkeiten, die Rechtspersönlichkeit des ukrainischen Vertragspartners und die Befugnisse seiner Vertreter zu überprüfen. Zwar sind die meisten ukrainischen online Register, darunter auch das Handelsregister, in den Zeiten des Krieges nicht zugänglich. Allerdings besteht die Möglichkeit, einen aktuellen Handelsregisterauszug der jeweiligen ukrainischen Gesellschaft in Papierform zu beantragen.

Anhand solcher Informationen lässt sich beurteilen, ob überhaupt und, wenn ja, inwieweit die Befugnisse des Geschäftsführers eingeschränkt sind. Im Notfall kann ein entsprechender Beschluss der Gesellschafterversammlung eingeholt werden, mit dem der Geschäftsführer zur Unterzeichnung eines bestimmten Vertrags bevollmächtigt wird.

Es muss berücksichtigt werden, dass ein Liefervertrag in der Regel ein komplexes Dokument darstellt, bei dessen Erfüllung weitere Dokumente unterzeichnet werden, wie Spezifikationen, Rechnungen, Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen zum Liefervertrag.

Ein Vertreter des Vertragspartners muss nicht nur befugt sein, einen bestimmten Vertrag, sondern auch andere Dokumente im Zusammenhang mit dessen Erfüllung zu unterzeichnen.

3. Sanktionslisten

Zu den Besonderheiten der Prüfung des Vertragspartners gehört unter den gegenwärtigen Umständen auch die Notwendigkeit, dessen Zugehörigkeit zu sanktionierten Personen festzustellen. Die weltweite Sanktionspolitik umfasst eine Vielzahl von Unternehmen und Einzelpersonen.

Durch unvorsichtige Beziehungen zu einem sanktionierten Vertragspartner kann nicht nur die Vertragsabwicklung gefährdet werden. Auch die Reputation kann erheblich bedroht werden.

Unter den folgenden Links sind einige internationale Sanktions- und Schwarze Listen bzw. Datenbanken einsehbar, die es Ihnen ermöglichen, schnell festzustellen, ob der ukrainische Geschäftspartner selbst oder seine wirtschaftlichen Endbegünstigten zu sanktionierten Personen gehören:

Beim Verdacht, dass der Vertragspartner eine solche Person ist oder versucht, Sanktionen zu vermeiden, sollte dieser Vertragspartner zusätzlich überprüft werden. Dazu könnte man Empfehlungen in Anspruch nehmen, die vom Financial Crimes Enforcement Network herausgegeben wurden. Gemäß diesen Empfehlungen ist Vorsicht geboten, wenn z.B.:

  • sich die Eigentumsstruktur des Vertragspartners in den letzten vier Monaten geändert hat oder
  • die Struktur der Eigentümerkette bis zum wirtschaftlichen Endbegünstigten undurchsichtig ist.

Es kann auch offene Daten über den Vertragspartner geben, die auf seine langfristige Zusammenarbeit mit sanktionierten Unternehmen und Einzelpersonen hinweisen.

4. Eigentumsvorbehalt in der Ukraine

Die Frage des Übergangs des Eigentumsrechts an einem Gegenstand, z.B. an Waren, war bei internationalen Geschäften immer von besonderer Bedeutung. Natürlich bleibt diese auch unter den jetzigen Bedingungen aktuell. Zusammen mit dem Eigentumsrecht an Waren gehen auch entsprechende Risiken über, wie das Risiko des zufälligen Verlustes oder der zufälligen Beschädigung der Waren.

Die vereinheitlichten INCOTERMS-Regelungen regeln diese beiden Aspekte sowie die Versicherung, Zollabwicklung und die damit verbundenen Ausgaben. Nicht zu vergessen ist, dass die INCOTERMS-Regelungen keine Erfüllung von Verpflichtungen in Krisenzeiten regeln, sondern als Auslegungsregeln gelten.
Somit ist es empfehlenswert, neben der Verwendung von INCOTERMS-Regelungen auch die bestimmten Rechte und Pflichten der Vertragsparteien in Bezug auf den Übergang des Eigentumsrechts und der damit verbundenen Risiken zu vereinbaren.

Laut dem ukrainischen Recht gilt der sog. einfache Eigentumsvorbehalt. Das heißt, der Käufer wird zwar unmittelbarer Besitzer der Ware, jedoch noch kein Eigentümer. Das Eigentumsrecht erhält der Käufer erst dann, wenn der ausgehandelte Kaufpreis im vollen Umfang bezahlt wurde.

Allerdings können die Parteien in ihrem Liefervertrag den Moment des Übergangs des Eigentumsrechts sowie die damit verbundenen Risiken beliebig regeln. Wichtig ist, dass die einzelnen Bestimmungen des Vertrags einander nicht widersprechen.

5. Vertragsabschluss in der Ukraine

Angesichts der aktuellen Umstände werden die allermeisten Lieferverträge unter Abwesenden abgeschlossen, und zwar durch den Austausch von Dokumenten. Dabei sind längere Fristen für die Zustellung von Dokumenten in die oder aus der Ukraine zu berücksichtigen.

Beim Abschluss eines Liefervertrags muss das Prozedere genau befolgt werden, welches die Parteien in diesem Vertrag bezüglich des Abschlussverfahrens festgelegt haben. Wenn der Austausch von eingescannten Kopien und die anschließende Übersendung von unterschriebenen Papieroriginalen vertraglich vorgesehen sind, ist dieses Verfahren einzuhalten.

Ein häufig anzutreffender Fehler ist es, einen Liefervertrag nach seinem Abschluss zu ändern, ohne dass das vertraglich festgelegte Änderungsverfahren eingehalten wird. Wenn der Vertrag kein spezielles Änderungsverfahren vorsieht, so sind alle Vertragsänderungen in der gleichen Weise vorzunehmen, die für die Vertragsunterzeichnung vorgesehen ist.

Es ist auch wichtig, das vertraglich festgelegte Verfahren zum Dokumentenverkehr einzuhalten. Dies hat eine besondere Bedeutung für die Ausfertigung von Mitteilungen, mit denen vertraglich festgelegte Folgen verbunden sind, wie der Aufschub von Vertragsverpflichtungen, die Warenrückgabe oder der Verzicht auf Vertragsverpflichtungen als solche. Zu den Beispielen solcher Mitteilungen gehören auch Beschwerden über die mangelhafte Warenqualität oder Mitteilungen über den Eintritt von Umständen höherer Gewalt.

6. Sicherheiten in der Ukraine

Verpfändung und Bürgschaft gehören heutzutage zu den gängigsten Sicherheiten unten den aktuellen Umständen. Die anderen üblichen Sicherheiten, wie z.B. Bankgarantie oder Letter of Credit, finden heutzutage fast keine Anwendung in der Ukraine, und zwar wegen der noch Ende Februar dieses Jahres eingeführten devisenrechtlichen Einschränkungen.

Da der ukrainische Vertragspartner (Käufer) in meisten Fällen keine Überweisung in Fremdwährung tätigen darf, stellt sich die Frage, wie die Vertragsparteien sich gegenseitig absichern können. Der ukrainische Käufer bekommt ja die Ware, für die er im Moment nicht zahlen kann, obwohl er über genug Geldmitteln auf seinem Bankkonto verfügt.

In dieser Situation können Bürgschafts- oder Pfandverträge abgeschlossen werden. Es ist empfehlenswert als Pfandgeber oder Bürgen den Eigentümer der ukrainischen Gesellschaft, d.h. des Lieferanten oder sogar deren wirtschaftlichen Endbegünstigten, heranzuziehen. Auch die gelieferte Ware, z.B. entsprechende Ausrüstung oder Maschinen, können in das sog. staatliche Register der Verpfändung von beweglichem Vermögen eingetragen werden.

Selbstverständlich sind in solchen Fällen entsprechende formelle Anforderungen an die Form solcher Verträge einzuhalten. Es ist auch mit entsprechenden Kosten, wie z.B. Notarkosten, Staatsgebühren etc. zu rechnen. Auf der anderen Seite ermöglicht es dieses kompliziertere Verfahren, Ihre Risiken abzusichern. Und nach der Aufhebung der bestehenden devisenrechtlichen Einschränkungen kann der ukrainische Vertragspartner den geschuldeten Betrag überweisen.

7. Devisenrechtliche Einschränkungen in der Ukraine

Seit dem 24. Februar 2022 gilt in der Ukraine das Verbot der Zahlungsabwicklung für Verbindlichkeiten in Fremdwährung. Das ist einer der Gründe, warum viele ukrainische Vertragspartner gleich nach dem großangelegten Krieg aufgehört haben, die Rechnungen ihrer ausländischen Geschäftspartner zu bezahlen.
Es gibt ein paar Ausnahmen in diesem Falle, aber grundsätzlich gilt das Verbot für alle Überweisungen ins Ausland. Als Ausnahmen gelten u.a.:

  1. Zahlungen für kritische Importgüter,
  2. Erfüllung von Verpflichtungen, gesichert durch staatliche Garantien oder mit Kreditmitteln einer internationalen Finanzorganisation,
  3. Rückzahlung von Vorschüssen, erhalten von Nichtansässigen nach dem 23. Februar 2022.

Die zwei letzten Ausnahmen betreffen eine kleine Anzahl von Verpflichtungen, denn nicht viele Verträge sind durch staatliche Garantien oder mit Kreditmitteln einer internationalen Finanzorganisation gesichert.
Was kritische Importgüter angeht, so handelt es sich in diesem Falle um eine lange Liste von Waren oder Dienstleistungen, deren Bezahlung heutzutage erlaubt ist. Das sind u.a. auch Montagearbeiten, Wartung von Ausrüstung, Importgüter wie Medikamente und medizinische Ausrüstung, Lebensmittel, Textilien, Modernisierung und Reparatur von Lokomotiven. Die Liste ist sehr lang, und es ist in jedem Einzelfall vorab zu prüfen, ob eine bestimmte Ware oder Dienstleistung in die Kategorie „kritische Importgüter“ fällt.

Unter solchen Bedingungen ist es beim Abschluss von Lieferverträgen erforderlich, alle aktuellen Informationen über die rechtliche Regelung solcher Transaktionen bei jedem Vertragsabschluss sorgfältig zu analysieren. Es empfiehlt sich somit, vertraglich zu vereinbaren, welche Folgen bei einer Änderung dieser Regelung für die Parteien eintreten.

8. Umstände höherer Gewalt

Bei einer korrekten Formulierung von Vertragsklauseln, in denen festgeschrieben wird, unter welchen Umständen vom Vorliegen Höherer Gewalt auszugehen ist, können jegliche vom ukrainischen Staat auferlegten Handels- und rechtlichen Einschränkungen als Umstände höherer Gewalt anerkannt werden.

Zu solchen Umständen gehören auch unmittelbare Kampfhandlungen und alle diesbezüglichen Sicherheits- und rechtlichen Einschränkungen und Folgen sowie Sanktionen gegen Vertragsparteien oder Teilnehmer an Logistik- und Handelsketten.

Umstände höherer Gewalt sind nicht vorgegeben. Die Partei, die sich auf solche Umstände beruft, hat zu beweisen, dass diese tatsächlich vorliegen und den Merkmalen von Umständen höherer Gewalt entsprechen. Gleichzeitig muss auch ein Kausalzusammenhang zwischen ihrem Vorliegen und der Nichterfüllung des Vertrags dargelegt werden.
Solche Umstände müssen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unvorhersehbar sein und ihr Eintritt muss unkontrolliert erfolgen. Sie müssen auch vertraglich oder gesetzlich anerkannt werden. Zudem muss eine bestimmte Verpflichtung bestehen.

Schließlich ist zu erwähnen, dass eine entsprechende Bestätigung über den Eintritt von Umständen höherer Gewalt von der ukrainischen IHK in Kyiv (Kiew) ausgestellt wird. Mit ihrem Schreiben vom 28. Februar 2022 hat die ukrainische IHK in Kyiv (Kiew) bestätigt, dass die großangelegte Invasion seitens der Russischen Föderation sowie die darauffolgende Einführung des Kriegszustandes in der Ukraine rechtlich als Umstand höherer Gewalt gilt.

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Unser deutschsprachiger CBBL-Partneranwalt in Kiew, Herr Igor Dykunskyy, LL.M., Rechtsanwalt und Partner, berät Sie gerne: dykunskyy@cbbl-lawyers.de, Tel. +380 44 384 24 54