Aktuelles zum algerischen Wirtschaftsrecht
Wasserstoff aus Algerien: Aktuelle Entwicklungen im Überblick
10.10.2024
Von unseren deutschsprachigen Rechtsanwälten Herrn Rechtsanwalt Dr. Christian Steiner, c.steiner@cbbl-lawyers.de, und Frau Rechtsanwältin Sophie Greiner, s.greiner@cbbl-lawyers.de, Tel. +349 55 314 614, www.mideastlaw.de
Eine neue Wasserstoffpipeline und ein beschleunigter Solarausbau sollen die Deutsch-Algerische Energiepartnerschaft vertiefen.
Algerien verfügt nicht nur über enorme Vorkommen an Gas und Öl, sondern auch über ein hohes Potenzial für die Erzeugung erneuerbarer Energien, insbesondere im Bereich der Solar- und Windenergie.
1. Ziele und Struktur der Deutsch-Algerischen Energiepartnerschaft
Seit der Gründung im Jahr 2015 arbeiten Deutschland und Algerien im Rahmen dieser Partnerschaft zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Algerien zusammen. Es geht um den Ausbau der Produktionskapazitäten der Erneuerbaren sowie ihrer Netzintegration in Algerien. Fördermechanismen werden etabliert und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in der algerischen Industrie ergriffen. In offenen Arbeitsgruppen kommen Vertreter aus Wirtschaft, Forschung, Verbänden und Initiativen zusammen und bringen ihre Projekte ein. Seit 2024 gibt es zudem eine Arbeitsgruppe zur Produktion grünen Wasserstoffs in Algerien und dessen Export nach Europa.
2. Der 5. Deutsch-Algerische Energietag: Meilenstein in der Deutsch-Algerischen Energiepartnerschaft
Unter dem Eindruck steigender Energiepreise im Schatten des Ukraine-Krieges verlieh im Herbst 2023 der 5. Deutsch-Algerische Energietag den wechselseitigen Bemühungen neuen Schub. An der Tagung nahmen rund 300 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Forschung beider Länder sowie weitere Partner insbesondere aus Österreich, Italien und von der Europäischen Kommission teil.
Algerien ist bereits ein wichtiger Erdgaslieferant für Europa. Im Zentrum des 5. Deutsch-Algerischen Energietags stand der geplante Aus- und Umbau des Gaspipelinekorridors für Wasserstoff von Algerien über Tunesien, Italien und Österreich nach Süddeutschland (Projekt SoutH2Corridor). Dabei wurde die Ende 2022 unterzeichnete Absichtserklärung zwischen VNG und Sonatrach, welche den Import von grünem Wasserstoff und Ammoniak aus Algerien nach Deutschland zum Ziel hat, hervorgehoben.
So kam es im Anschluss an die Tagung zur Unterzeichnung eines vom deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanzierten deutsch-algerischen Kooperationsprojekts, dem Abkommen zur Umsetzung der technischen Zusammenarbeit zwischen Algerien und Deutschland zum Thema „Technologie und sozioökonomische Entwicklung für erneuerbaren und grünen Wasserstoff“ (kurz TaqatHy). Das Projekt umfasst auch andere Bereiche wie Erdgas, die Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz und die Entwicklung einer grünen Wasserstoffwirtschaft in Algerien. Es verteilt sich auf drei Regionen (sog. Wilayas) und wird in einer ersten Phase 8 Gemeinden (Jijel, El Milia, Oum El Bouaghi, Ain Beida, Ain Mlila, Touggourt, Ouargla und Hassi Messaoud) begleiten.
3. Für die Produktion von Wasserstoff setzt Algerien auf Solarenergie
Algerien hat ehrgeizige Pläne, mittelfristig bis zu 10 % des europäischen Bedarfs an sauberem Wasserstoff abzudecken und bis 2030 insgesamt 22 GW an erneuerbaren Energien zu installieren. Darunter sollen 13,5 GW aus Photovoltaik, 2 GW aus solarthermischen Anlagen und 5 GW aus Windkraft stammen. Dies soll die heimische Energieversorgung sicherstellen und gleichzeitig bis zu 10 GW für den Export bereitstellen. Diese Zielsetzung ist auch Teil der nationalen Wasserstoff-Roadmap, welche vorsieht, dass Algerien bis 2040 zwischen 30 und 40 TWh Wasserstoff und Wasserstoffderivate produziert und exportiert. Dies umfasst sowohl grünen Wasserstoff, der durch erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft erzeugt wird, als auch blauen Wasserstoff, der aus fossilen Brennstoffen mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung gewonnen wird.
Solarenergie spielt eine zentrale Rolle bei der umweltfreundlichen Wasserstoffproduktion. Zur Beschleunigung des Solarenergieausbaus hat Algerien im Jahr 2023 zwei große Ausschreibungen für Solarenergie durchgeführt: Die von der staatlichen Energiegesellschaft Sonelgaz organisierten Ausschreibungen umfassten Projekte mit einer Gesamtkapazität von 2 GW, für welche hauptsächlich chinesische Unternehmen den Zuschlag erhielten (9 Projekte mit einer Gesamtkapazität von 1.550 MW). Ein Konsortium, bestehend aus der algerischen Ingenieurgruppe Cosider und dem italienischen Wechselrichterhersteller Fimer, erhielt den Zuschlag für 2 weitere Projekte mit einer Gesamtkapazität von 280 MW. Daneben erhielt auch ein türkisches Unternehmen (Özgün İnşaat) den Zuschlag für ein 80 MW-Projekt in der Wilaya Ghardaia.
Für das Jahr 2024 plant Algerien weitere bedeutende Ausschreibungen. Bereits im März 2024 gab Sonelgaz die Gewinner von zwei großen Solar-PV-Ausschreibungen (eine 1-GW-Ausschreibung und eine 2-GW-Ausschreibung) bekannt. Eine weitere bedeutende Ausschreibung betrifft die Entwicklung und den Bau von 15 Solar-PV-Kraftwerken mit einer Gesamtkapazität von 2 GW, die in 11 verschiedenen Wilayas umgesetzt werden sollen. Interessierte Unternehmen konnten sich bis Ende Mai 2024 bewerben.
4. Ausblick
Die Deutsch-Algerische Energiepartnerschaft hat durch den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien und die Entwicklung einer Wasserstoffpipeline bedeutende Fortschritte gemacht. Die Gründung der neuen Erneuerbare-Energien-Gesellschaft SHAEMS im Jahr 2021 markiert einen weiteren wichtigen Meilenstein. Sie dient als zentrale Anlaufstelle für Investoren und Auftragnehmer und ist für Ausschreibungen, Vertragsvergaben und Stromabnahmeverträge im Bereich der erneuerbaren Energien verantwortlich.
Ein weiterer bedeutender Schritt war die weitestgehende Abschaffung der „51/49-Regel“ im Jahr 2020, die ausländische Investitionen lange Zeit gebremst hatte. Diese Regelung erlaubte es ausländischen Unternehmen in der Regel nicht, mehr als 49 % der Anteile an einer algerischen Kapitalgesellschaft zu halten. Diese Begrenzung gilt nunmehr nur noch für strategische Sektoren und den Import von Rohstoffen, Produkten und Waren, die für den Wiederverkauf in unverändertem Zustand bestimmt sind (siehe hierzu auch "Unternehmensgründung in Algerien").
Investoren im Bereich der erneuerbaren Energien profitieren in Algerien zudem von einer Reihe finanzieller Anreize. Dazu gehören unter bestimmten Voraussetzungen eine dreijährige Befreiung von der Körperschaftsteuer, den Zöllen und der Einfuhrumsatzsteuer. Außerdem können Unternehmen von staatlichen Fördermaßnahmen wie zinslosen Darlehen, Garantieübernahmen oder Zuwendungen für die Vorfinanzierung von energieeffizienten Geräten und Einrichtungen profitieren. Diese Maßnahmen werden durch den staatlichen Fördertopf FNME finanziert.
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