Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in Frankreich
CBBL Rechtsanwalt in Frankreich, Emil Epp, Kanzlei EPP Rechtsanwälte Avocats
Emil Epp
Rechtsanwalt
EPP Rechtsanwälte Avocats
Strasbourg, Paris, Baden-Baden

Aktuelles zum französischen Wirtschaftsrecht

Coronavirus: Notstandsgesetzgebung und der Immobiliensektor in Frankreich

24.04.2020

Im Kampf gegen die Corona-Epidemie stellt die französische Regierung Bevölkerung und Wirtschaft das Rüstzeug für den Erhalt und Neustart des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Einzelne, den Immobilien- und Bausektor insbesondere betreffende Aspekte finden Sie nachstehend beleuchtet.

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Bordeaux, Herrn Marcus Lubnow, Rechtsanwalt, lubnow@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45, www.rechtsanwalt.fr

Im Einzelnen:

1. Immobilientransaktionen und Finanzierung in Frankreich

  • Fernbeurkundung
  • Rücktritts- und Überlegungsfristen
  • Löschung öffentlich-rechtlicher Vorkaufsrechte

2. Bauvorhaben in Frankreich

  • Ausführung
  • Genehmigungsprozesse
  • Bauschadensfälle

3. Bewirtschaftung von Bestandsimmobilien in Frankreich

  • Finanzierung
  • Miete
  • Mietvertragsbeendigung, Vertragsverlängerung und Räumung

Kontext:

Die französische Regierung veranlasste zur Vermeidung der Verbreitung der Corona (Covid-19) Epidemie mit dem Gesetz Nr. 2020-290 vom 23. März 2020 die Verankerung des Gesundheitsnotstands (Artikel L 3131-12 ff. des französischen Gesundheitsgesetzbuches „Code de santé publique“) und rief gemäß Artikel 4 dieses Gesetzes für die Dauer von 2 Monaten den landesweiten Gesundheitsnotstand („Etat d’Urgence Sa-nitaire“) aus, mit Wirkung vom 23. März 2020.

Ergänzend ermächtigt dieses Gesetz die Regierung zur Anordnung von Maßnahmen, welche zwischenzeitlich in Form von mehr als dreißig Rechtsverordnungen („Ordonnances“) konkretisiert worden sind, mit weitreichenden Folgen für nahezu alle Bereiche des öffentlichen Lebens, der Wirtschaft und das rechtliche Gefüge Frankreichs allgemein.

Der Kernbereich der Maßnahmen bildet hierbei die maximale Vermeidung menschlicher Kontakte, nebst Schließung nahezu aller auf Publikumsverkehr angewiesener Bereiche des öffentlichen Lebens und Geschäftstätigkeit, die nicht als systemrelevant eingestuft werden.

Zur Beschränkung der individuellen Personenkontakte wurde am 17. März 2020 eine landesweite Ausgangssperre verhängt, welche am vergangenen 13. April 2020 zunächst für die Dauer weiterer vier Wochen bis zum 11. Mai 2020 verlängert worden ist und den Aktionsradius der französischen Bevölkerung im Wesentlichen auf den nächsten Umkreis des Wohnorts beschränkt.

In enger Zusammenarbeit mit den zuständigen wissenschaftlichen und medizinischen Versorgungsstellen erarbeitet die französische Regierung gegenwärtig unter der Führung des Premierministers Edouard PHILIPPE einen Stufenplan für die schrittweise Aufhebung der bestehenden Beschränkungen, welche durch entsprechende, branchenspezifische Leitfäden für die Aufrechterhaltung und Fortsetzung der Geschäftstätigkeit zu Zeiten der Epidemie konkretisiert werden. Diese werden die Interaktion der Menschen und einzelnen Unternehmen untereinander, sowie allfällige Vor- und Fürsorgemaßnahmen für Unternehmen im Hinblick auf die Wiederaufnahme und Fortsetzung der Geschäftstätigkeit konkretisieren.

Während der derzeitigen Befristung der Ausgangssperre bis zum 11. Mai 2020 steht der Fokus des Regierungshandels in der Aufrechterhaltung der Wirtschaftsstrukturen und Wiederbelebung des Geschäftslebens, nebst Einhaltung der Barriere- und Hygieneregeln im öffentlichen Raum, mithin innerhalb der Unter-nehmen, im Einzelhandel, in der Verkehrsinfrastruktur und im schulischen Bereich. Zum effektiven Wirt-schaften mit dem Corona-Virus werden daher gegenwärtig praxisbezogene Leitfäden erarbeitet.

Parallel setzt die französische Regierung mit dem 2. Nachtragshaushalt ein erhebliches Wirtschaftsförderungspaket auf, um dem erwarteten Ausmaß der Rezession (erwarteter Rückgang des Wirtschaftswachstums um circa -8%) massiv entgegenzuwirken. Hierfür stellt die französische Regierung nach der Ankündigung de Premierministers vom 19. April 2020 rund 331 Mrd. € an Staatshilfen zur Verfügung (Kurzarbeitergeld: 24 Mrd. €, Staatsgarantien für Notfinanzierungen: 300 Mrd. €, Solidarfonds „Fonds de Solidarité“: 7 Mrd. €), hinzu kommen rund 500 Millionen an Fördermaßnahmen der Regionen und 400 Millionen € an freiwilligen Unterstützungszahlungen verschiedener Versicherungsunternehmen zur Stützung des Solidarfonds in Not geratener Unternehmen. Hierdurch sollten das Überleben und die Liquidität der wirtschaftlichen Akteure im Wesentlichen erhalten bleiben.

In rechtlicher Hinsicht ergriff die französische Regierung mittels rund dreißig ab dem 25. März 2020 erlassener Rechtsverordnungen zu umfassenden Regelungen, um den Folgen der gegenwärtig eingeschränkten Funktion von Gesellschaft und Staat Rechnung zu tragen. Sinn und Zweck dieser Regelungen besteht primär darin, die Rechtswirkungen einer aufgrund der Corona-Epidemie verhinderten rechtserheblichen Maßnahme auszusetzen, sodass diese nach Aufhebung des Gesundheitsnotstands rechtserhaltend nachgeholt werden kann.

Laufende Immobilieninvestitionen, in der Planung befindliche Projekte und Bauvorhaben sind unter verschiedensten Aspekten von den genannten Einschränkungen, Rechtssetzungen und Fördermaßnahmen betroffen.

Status Quo des Immobiliensektors zu Zeiten von Corona:

Der nach den klassischen Abläufen mit Publikumsverkehr eng verbundene Immobiliensektor erlag mit der Einführung der Notstandsgesetzgebung und Ausgangssperre ganz erheblichen Einschränkungen; laufende Erwerbs-, Bau- und Finanzierungsprojekte wurden hierdurch oftmals unterbrochen.

Immobilientransaktionen, die Bewirtschaftung von Immobilien und Bauvorhaben unterliegen hierbei ganz erheblichen Verwerfungen, zumal der bestehende Gesundheitsnotstand eine rechtliche Schutzperiode mit sich bringt („Période Juridiquement Protégée“), welche den Beginn und Ablauf verschiedener Fristen für die Dauer des Notstands und maximal bis zu 2 Monate nach Beendigung dessen aussetzt (Rechtsverordnung Nr. 2020-306 vom 25. März 2020).

Die Regierung präzisierte nachfolgend durch die Rechtsverordnung Nr. 2020-427 vom 15. April 2020 die Anwendung dieses Moratoriums restriktiv, sodass im Einzelfall zu unterscheiden und zu überprüfen sein wird, welche gesetzlichen wie vertragliche Fristen etwaig von den Regelungen dieses Moratoriums erfasst werden.

So ist gegenwärtig nicht davon auszugehen, dass jeglicher Fristlauf im Zuge der Schutzperiode schlicht ausgesetzt ist, bzw. jedwede fällige Leistung und Zahlung für diesen Zeitraum schlicht gestundet wird.

Das Ziel der restriktiven Anwendung des Moratoriums (Rechtsverordnung Nr. 2020-306) besteht erklärtermaßen darin, einen Stillstand insbesondere im Bau- und Immobiliensektor zu vermeiden.

Für die nachstehend bezeichneten Einzelaspekte des Immobiliengeschäfts gilt zusammenfassend wie folgt:

1. Immobilientransaktionen in Frankreich

Während die auf den Publikumsverkehr angewiesene Maklertätigkeit seit der Verhängung der Ausgangs-sperre am 17. März 2020 nahezu gänzlich zum Erliegen kam, bemühen sich die französischen Notariate um die Fortführung laufender und beurkundungsfähiger Transaktionen.

Nachdem bereits im Jahr 2018 die Digitalisierung der notariellen Urkunde nebst digitaler Fernunterzeichnung (jeweils unter Mitwirkung der digital zusammenwirkenden Notare in Präsenz der jeweiligen Vertragsparteien vor Ort) ermöglicht wurde, besteht durch das am 04. April 2020 veröffentlichte Dekret Nr. 2020-395 vom 03. April 2020 nunmehr erstmals die Möglichkeit der notariellen Fernbeurkundung, das heißt die Beurkundung eines notariellen Vertrags im Rahmen einer digitalen Konferenzschaltung, unter Verzicht auf die physische Anwesenheit der Vertragsparteien. Aufgrund bestehender Vorbehalte aus standesrechtlicher Erwägungen des Notariatswesens betreffend einzelne durch die Notariate genutzte Systeme der elektronischen Beurkundung greift die Notariatspraxis gegenwärtig weitgehend auf die bereits vorher praktizierte Notariatsbevollmächtigung zurück, sodass die Unterzeichnung eines Immobilienkaufvertrags letztlich auch auf diesem Wege ohne Publikumsverkehr vollzogen wird.

Entsprechend wird die Unterzeichnung der in Frankreich üblichen privatschriftlichen Immobilienvorverträge („Compromis de vente“) ebenso unter Verzicht auf die Durchführung eines gemeinsamen Unterzeichnungstermins per Vollmacht bzw. im postalischen Umlaufverfahren vollzogen.

⇒ Die Corona-Epidemie steht dem Beginn und Abschluss eines Immobiliengeschäfts daher nicht schlichtweg entgegen.

Weiterhin stellt Artikel 2 des Dekrets vom 15. April 2020 nunmehr rückwirkend klar, dass das gesetzliche, zehntätige Rücktrittsrecht des Artikels L.271-1 des Wohnungsbaugesetzbuches (Privatpersonen „B to C“) von den Regelungen des Moratoriums nicht erfasst wird, sodass der Fristlauf, wie auch die Ausübung des Rücktrittsrechts innerhalb dieser Fristen wie gewohnt und unabhängig von den Einschränkungen der Corona-Rechtsverordnungen unverändert zu handhaben sind (es sei denn, die Parteien treffen hierzu eine abweichende Vereinbarung).

Gleiches gilt für die Zeichnung der in Frankreich für die Finanzierungssicherung gesetzlich vorgesehene 10-tägigen Überlegungsfrist für die Annahme eines Darlehensfinanzierungsangebotes (Privatpersonen „B to C“, Artikel L313-34 des Verbraucherschutzgesetzes „Code de consommation“).

⇒ Die gesetzlichen Rücktritts- und Überlegungsfristen betreffend Immobilienkaufverträge und Darlehensangebote gelten ungeachtet des Moratoriums weiterhin fort.

Unterliegt das Kaufobjekt einem öffentlichen-rechtlichen Vorkaufsrecht, so regelt Artikel 12 quater des Dekrets Nr. 2020-427 die Aussetzung der dem Vorkaufsberechtigten eingeräumten Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts (2 Monate, Artikel R. 213-8 des Baugesetzbuches „Code de l’Urbanisme“) für die Dauer des Gesundheitsnotstands, welcher nach gegenwärtigem Stand am 23. Mai 2020 endet.

⇒ Der gesetzliche Fristlauf zur Ausübung des öffentlich-rechtlichen Vorkaufsrechts ist für die Dauer des Gesundheitsnotstands ausgesetzt.

2. Bauvorhaben in Frankreich:

Auch die Bautätigkeit kam im Nachgang zu den Ausgangsbeschränkungen vom 17. März 2020 zunächst nahezu gänzlich zum Erliegen und verzeichnet nach den letzten statistischen Erhebungen des Statistikamtes INSSE einen Rückgang von 88%. Nahezu 95 % aller Baumaßnahmen sind derzeit von einem Baustellenstopp betroffen.

So bestand angesichts der geschilderten Bedrohungslage der Corona-Epidemie und der für die Mitarbeiter hiermit einhergehenden Risiken eine erhebliche Verunsicherung innerhalb der Unternehmen zu den Bedingungen der Fortsetzung der Bautätigkeit. Hinzu kam, dass das Wirtschaftsministerium durch Herrn Bruno LE MAIRE zunächst etwas missverständlich angekündigt hatte, die Corona-Epidemie werde hinsichtlich öffentlicher Aufträge als Fall Höherer Gewalt betrachtet.

Rein rechtlich betrachtet jedoch rechtfertigt das Auftreten der Corona-Epidemie allein eine gänzliche Einstellung jedweder Bauaktivität nicht. So ist der Bausektor selbst von Anordnungen der Geschäftsschließung und Einstellung des Betriebs nicht betroffen und auch die in vergleichbaren Fällen bestehende Rechtsprechungspraxis rechtfertigt die pauschale Annahme eines Falles Höherer Gewalt aufgrund des Auftretens der CORONA-Epidemie allein wohl nicht, wenn auch die Organisation der Baustelleneinrichtungen und Baustellenabläufe vor unerwartete Herausforderungen gestellt wird.

⇒ So ist in jedem Einzelfall und je nach Art der betroffenen vertraglichen Leistungspflicht detailliert anhand der durch die französische Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu überprüfen, ob konkret ein Fall Höherer Gewalt vorliegen kann. Der sachgerechten Beweisführung in diesem Zusammenhang wird bei der Lösung Post-Corona auftretender Rechtsstreitigkeiten (beispielsweise aufgrund von Verspätungen und im Zusammenhang der Anwendung vertraglicher und gesetzlicher Regelungen hierzu) eine maßgebliche Bedeutung zukommen.

In Bezug auf bestehende Rechtsmittelfristen im Rahmen von Baugenehmigungs- und Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren gilt aufgrund des Dekrets vom 15. April 2020 nunmehr ebenfalls eine Beschränkung des Aufschubs der Rechtsmittelfristen für die Dauer des Gesundheitsnotstands, welcher nach gegenwärtigem Stand am 23. Mai 2020 endet.

⇒ Der mit dem 17. März 2020 ausgesetzte Fristlauf zur Rücknahme oder Anfechtung einer Baugenehmigung setzt sich daher mit der Beendigung des Gesundheitsnotstands fort. Gleiches gilt für die bestehenden Bearbeitungsfristen nach Einreichung eines Bauantrags.

Im Bereich der Bauschadensversicherungen („Assurance Dommage-Ouvrage“, „Garantie décennale“) wirken die Corona-Verordnungen grundsätzlich durch den Aufschub der in der Zeit des Moratoriums potentiell verjährenden Versicherungsansprüche (Artikel 2 der Rechtsverordnung Nr. 2020-306 vom 25. März 2020), sodass die Aussetzung der Verjährungswirkung grundsätzlich über den Zeitpunkt des Gesundheitsnotstands hinaus fortbesteht und verjährungswahrende Maßnahmen bis zum 24. August 2020 nachgeholt werden können.

⇒ In jedem Fall ist dennoch empfehlenswert, bestehende Versicherungsansprüche und Schadensmeldungen ohne Verzögerung und formgerecht anzumelden, zumal die Tätigkeit der Versicherungssachverständigen im Interesse einer zügigen Schadensregulierung aufgrund eines durch den französischen Versicherungsfachverband FFA initiierten Leitfadens im Rahmen des Machbaren fortgesetzt werden, sodass derzeit rund 50% der Versicherungssachverständigenverfahren weitergeführt werden.

3. Bewirtschaftung von Bestandsimmobilien in Frankreich:

Die Bewirtschaftung von Bestandsimmobilien und laufende Finanzierungen sind durch die Festsetzungen und Maßnahmen im Zuge der Bekämpfung der Corona-Epidemie ganz erheblich betroffen, da die überwiegende Anzahl der Geschäfts- und Ladenflächen auf Publikumsverkehr angewiesen sind. Die Ausgangssperre jedoch ging mit der Anordnung der Schließung all solcher Gewerbeflächen einher, die für die Grundversorgung der Bevölkerung nicht unverzichtbar sind.

Als insbesondere problematisch erweist sich für Mieter und Vermieter der Umgang mit den im Zuge der Geschäftsschließungen entstehenden Einnahmeausfällen, hieraus resultierend einbrechender Liquidität und den dennoch fortlaufenden Kosten und Mietzinsverbindlichkeiten.

Gleiches gilt im Zusammenhang mit den laufenden Finanzierungs- und Bewirtschaftungskosten der Vermieter, zumal die etwaige Anpassung laufender Finanzierungslasten an Corona-bedingt auftretende Liquiditätsengpässe in der Regel nur im Rahmen des vertraglich vorgesehenen Rahmens der Darlehensverträge realisierbar sein wird, bzw. eine spezifische Vereinbarung hierzu mit dem betreffenden Darlehensgeber erforderlich wird.

Einzelne Geschäftsbanken in Frankreich sehen bereits aus eigener Initiative eine zwischenzeitliche Aussetzung der Darlehensratenzahlungen bis zum Ende der Notstandsgesetzgebung vor, sodass in der zweiten Jahreshälfte 2020 von Fall zu Fall einvernehmlich eine Vereinbarung über den Umgang mit den entstandenen Darlehensrückständen getroffen werden kann (im Wesentlichen: Fällig Stellung nebst Ausgleich der bis dahin ausgesetzten Darlehensraten, Verlängerung der Finanzierungszeiträume oder Verteilung der ausgesetzten Darlehensraten auf die verbleibende Finanzierungszeit).

⇒ In jedem Fall empfiehlt sich die frühzeitige Kontaktaufnahme mit den finanzierenden Bankinstituten für die zeitgerechte Vereinbarung des in Zukunft tragfähigen Umgangs mit den Lasten aus der Krisenzeit.

Im Bereich der Gewerbemiete stellte die französische Regierung zu Beginn der Notstandsgesetzgebung für besondere Fallgestaltungen eine Aussetzung der Mietzinsraten in Aussicht.

Real betrifft diese Regelung nur einen relativ kleinen Kreis von Fallgestaltungen und insbesondere solche gewerblichen Mieter, die von einer Schließungsanordnung betroffen sind, weniger als 10 Beschäftigte auf-weisen und einen Jahresumsatz von maximal 2 Mio. € erzielen (weitere Kriterien treten hinzu). In diesen Fällen wird die Fälligkeit der Mietverbindlichkeiten für den Zeitraum zwischen dem 12. März und dem 24. Mai 2020 ausgesetzt, sodass ausbleibende Mietzahlungen in diesem Zeitraum keinerlei rechtlichen oder finanziellen Nachteil für den gewerblichen Mieter nach sich zieht. Mit dem Ablauf dieser Phase jedoch werden die Zahlungsverpflichtungen nach gegenwärtigem Stand wieder fällig und verpflichten den Mieter wie auch sonst zur Zahlung.

Für alle gewerblichen Mietverhältnisse gilt seit der Rechtsverordnung Nr. 2020-306 vom 25. März 2020, Artikel 4, dass vereinbarte Vertragsstrafen, Zwangsgelder, Auflösungs- und Vertragsbeendigungsklauseln für die Dauer der Notstandsphase in ihrer Wirkung ausgesetzt werden.

⇒ Leistet ein Gewerbemieter daher die Mietzinszahlungen in dieser Phase nicht, so wird hierauf auf-bauend eine förmliche Mahnung nebst Androhung der Vertragskündigung für die Dauer des Notstands nicht erfolgversprechend durchsetzbar sein.

Unsicher ist, ob dem Mietzahlungsanspruch des Vermieters unter dem Eindruck der Corona-Epidemie rechtserheblich ein Mietmangel, Höhere Gewalt oder eine unvorhergesehen Änderung der Vertragsgrundlagen entgegengehalten werden kann:

Mietmangel („non conformité“, Artikel 1220 Code civil): Eine Befreiung von der Verpflichtung zur Mietzinszahlung ist denkbar, wenn die Mietsache nicht dem vertragsgemäßen Gebrauch entsprechend genutzt werden kann. Jedoch erscheint unsicher, ob der Mietmangel im Zuge einer staatlich angeordneten Geschäftsschließung erfolgversprechend durch den Mieter argumentiert werden kann.
⇒ So liegen die Beachtung behördlicher Auflagen und die Wahrung der Sicherheit der Personen im Ladengeschäft prinzipiell in der Verantwortung des Mieters, der Vermieter steht hingegen grundsätzlich nicht für das Handeln Dritter (hier: des Staates) ein. Ob ein Mietmangel in dieser Konstellation vorliegen kann wird daher im Einzelfall anhand der konkreten vertraglichen Vereinbarungen zu messen sein.

• Höhere Gewalt („force majeure“): Traditionell verfolgt die französische Rechtsprechung eine sehr restriktive Anwendung der leistungsbefreienden Höheren Gewalt, insbesondere soweit sich diese auf Geldzahlungspflichten bezieht. Die hierbei insbesondere geforderte Unüberwindbarkeit eines Zahlungshindernisses wäre insoweit allenfalls aufgrund Corona-bedingter Betriebseinstellungen denkbar.
⇒ Die Annahme eines Falles Höherer Gewalt wirkt vor dem Hintergrund der bekannt gewordenen Rechtsprechungsprinzipien eher unsicher. Hinzu kommt, dass das umfassende Wirtschaftsförderungspaket der französischen Regierung die finanzielle Unterstützung und Siche-rung von Krisendarlehen vereinfacht, sodass der Einwand der Unüberwindbarkeit eines krisenbedingten Liquiditätsengpasses insoweit nur in Ausnahmesituationen denkbar erscheint.

Unvorhergesehene Änderung der Vertragsgrundlagen („imprévisibilité“): Seit dem 01. Oktober 2016 gezeichnete Verträge und Vertragszusätze unterliegen gemäß Artikel 1195 Code civil dem Vorbehalt der gesetzlichen Vertragsanpassung, sollte ein unvorhergesehenes Ereignis zu einer übermäßigen Leistungserschwerung führen.
⇒ Die gegenwärtigen Geschäftseinschränkungen könnten sich als entsprechende Fallgestaltung darstellen, jedoch ist im Einzelfall zu überprüfen und sachdienlich nachzuweisen, dass die Regelung des Artikels 1195 Code civil auf den betreffenden Vertrag überhaupt anwendbar ist und deren Voraussetzungen beispielsweise aufgrund bestehender Einschränkungen des Publikumsverkehrs gegeben sind.

Ob daher die Auswirkungen der Corona-Epidemie rechtserheblich gegen fällig werdende Mietzahlungen eingewendet werden können, bzw. hieraus leistungsbefreiende Wirkungen für Mieter und Vermieter erwachsen, erfordert eine detaillierte Analyse des jeweiligen Einzelfalles.

Zusammenfassend erscheinen Mieter und Vermieter von Gewerbeimmobilien vor dem Hintergrund der Corona-Epidemie aus Gesichtspunkten der Vertragstreue gut beraten, den Weg der Verhandlung zu suchen, zumal sich einzelne Vermieterverbände bereits auf Veranlassung der Regierung zur Vereinbarungen der Aussetzung laufender Mietzinsverpflichtungen bereit erklärt haben. Vor diesem Hintergrund wird sich ein redlicher Vermieter der Verhandlung über Mietzinsstundungen oder erweiterte Zahlungszeiträume nicht gänzlich verschließen können, ohne sich dem Vorwurf der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme seines Zahlungsanspruches zur Unzeit auszusetzen.

Wie die Gerichte in den kommenden Monaten oder Jahren betreffende Streitfälle vor dem Hintergrund der beispiellosen Corona-Epidemie beurteilen werden, bleibt je nach Ausgestaltung des konkreten Einzelfalles abzuwarten, wobei der Wertung der durch die jeweiligen Parteien sodann vorgelegten Beweismittel von streitentscheidender Bedeutung sein werden.

• Vertragsbeendigung, Vertragsverlängerung und Räumung von Geschäftsräumen:

Der Umgang mit Fragestellungen um die Beendigung von Mietverhältnissen, die fristgerechte Veranlassung einer Vertragsverlängerung und -kündigung, betreffend die Veranlassung eines Auszugs und etwaig erforderliche Instandsetzungsarbeiten etc. erfordert eine detaillierte Betrachtung des Einzelfalles, da sich auch hier das vorstehend genannte Moratorium je nach Ausgestaltung der jeweiligen Sachlage facettenreich auswirken kann.

Hinzu kommt in praktischer Hinsicht betreffend die Beendigung von Mietverhältnissen und Räumung von Flächen bei Vertragsende, dass Umzüge aufgrund einer ministeriellen Mitteilung vom 01. April 2020 gegenwärtig bis auf weiteres verschoben und nur ausnahmsweise in Fällen besonderer Dringlichkeit sowie zum Kampf gegen die Epidemie aufrechterhalten werden sollten.

Dies gilt wohl vorerst so lange, bis der (auch für die übrigen Geschäftsbereiche und Branchen des Wirtschaftslebens) angekündigte Leitfaden zur Fortsetzung der Geschäftstätigkeit - unter besonderer Beachtung der branchenspezifischen Empfehlungen zum Schutz der Gesundheit - für Umzugsunternehmen veröffentlicht worden ist.

⇒ Betroffene Mieter und Vermieter, deren Vertragsverhältnisse innerhalb des gegenwärtigen Zeitraums des gesundheitlichen Notstands einer Beendigung, Verlängerung oder sonstigen rechtsgestaltenden Maßnahme unterliegen sollten daher nicht auf ein allgemeines Prinzip des Aufschubs allfälliger Fristen vertrauen, sondern frühzeitig überprüfen, welche Maßnahmen fristwahrend etwaig umgehend einzuleiten wären, um den misslichen Verlust bestehender Rechte zu vermeiden.

Sie haben weitere Fragen zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf das Immobilienrecht in Frankreich? Sprechen Sie uns an!

Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt Herr Rechtsanwalt Emil Epp und sein Team in Strasbourg, Paris, Baden-Baden, Zürich, Bordeaux und Sarreguemines stehen Ihnen gerne zur Verfügung: epp@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45