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CBBL Rechtsanwältin und Advocaat Dr. Wiebke Bonnet-Vogler, Kanzlei Van Diepen Van der Kroef Advocaten, Amsterdam
Dr. Wiebke Bonnet-Vogler
Rechtsanwältin und Advocaat
Van Diepen Van der Kroef Advocaten
Amsterdam


Sanierungsverfahren in den Niederlanden: Genehmigung privater Vergleiche zur Vermeidung der Insolvenz


Wichtige Hinweise dazu, unter welchen Bedingungen das niederländische Insolvenzrecht die Genehmigung von privaten (Zwangs-) Vergleichen zwischen Gläubigern, Gesellschaftern oder Finanzinstituten auf der einen und dem Schuldner auf der anderen Seite vorsieht, um Sanierungen außerhalb des Insolvenzrechts zu ermöglichen:

  1. Gesetz zur Genehmigung privater Vergleiche (WHOA) in den Niederlanden
  2. Wie läuft das Verfahren nach der WHOA?
  3. Welchen Inhalt hat der Vergleich?
  4. Welche Rolle spielt das Gericht in den Niederlanden?

1. Gesetz zur Genehmigung privater Vergleiche (WHOA) in den Niederlanden

Am 1. Januar 2021 trat das niederländische Gesetz über die Genehmigung privater Vergleiche (Wet Homologatie Onderhands Akkoord, kurz WHOA) in Kraft.

Mit der WHOA erhalten Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten einen größeren Spielraum für eine Sanierung außerhalb des Insolvenzverfahrens, indem Gläubiger (und andere Beteiligte, wie z.B. Gesellschafter und Finanzinstitute) zur Zusammenarbeit in einem privaten Zwangsvergleich verpflichtet werden.

Grundgedanke ist, dass außerhalb des Insolvenzverfahrens oft ein wesentlich höherer Sanierungswert erzielt werden kann als bei einem Gläubigervergleich in der Insolvenz. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Corona-Pandemie viele Unternehmen finanziell schwer trifft, kann die WHOA eine Lösung für die Entschuldung lebensfähiger Unternehmen bieten.

2. Wie läuft das Verfahren nach der WHOA?

Im Rahmen des WHOA kann der Schuldner selbst die Initiative ergreifen, um eine Einigung zu erzielen. Voraussetzung ist, dass vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass der Schuldner nicht in der Lage sein wird, seine Schulden weiter zu bezahlen. Die Gläubiger können auch die Initiative ergreifen und beim Gericht die Bestellung eines Sachverständigen (eines so genannten Sanierungsexperten) beantragen, der einen Vergleichsvorschlag ausarbeitet und dann das Verfahren einleitet.

Bestellt das Gericht einen solchen Sachverständigen, ist der Schuldner verpflichtet, mitzuarbeiten und den Sachverständigen umfassend zu informieren. Der Schuldner bleibt jedoch während des gesamten Verfahrens in vollem Umfang berechtigt, sein eigenes Vermögen zu verwalten und zu veräußern, auch wenn ein Sachverständiger bestellt wird.

Nach dem Angebot eines Vergleichs können die beteiligten Gläubiger und Gesellschafter über den Vergleich abstimmen. Dies geschieht in "Klassen": eine Einteilung der Gläubiger in vergleichbarer Position. In jedem Fall werden Gläubiger oder Anteilseigner, die in der Insolvenz nicht den gleichen Rang hätten, verschiedenen Klassen zugeordnet (z.B. privilegierte Gläubiger, Gläubiger mit Eigentumsvorbehalt und ungesicherte Gläubiger). Es wird davon ausgegangen, dass eine Klasse für den Vergleich gestimmt hat, wenn die dafür stimmenden Gläubiger zwei Drittel der gesamten Schulden (oder im Falle von Aktionären: des ausgegebenen Kapitals) vertreten. Wenn mindestens eine Klasse zugestimmt hat, kann der Vergleich dem Gericht zur Genehmigung vorgelegt werden.

Genehmigt das Gericht den Vergleich, ist er für alle Gläubiger und Gesellschafter, die über ihn abstimmen durften, verbindlich. Der genehmigte Vergleich ist vollstreckbar. Gegen die Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf Genehmigung des Vergleichs ist kein Rechtsmittel möglich.

3. Welchen Inhalt hat der Vergleich?

Der Vergleich kann allen Gläubigern und Gesellschaftern angeboten werden, dies ist jedoch nicht zwingend. Der Schuldner kann die Gläubiger und Gesellschafter, denen er den Vergleich anbietet, frei wählen. Er kann auch frei entscheiden, was er anbietet und wie er seinen Vergleich gestaltet.

Ein Vergleich kann zum Beispiel auch vorsehen, dass den Gläubigern ein Teil der Anteile des umstrukturierten Unternehmens als Zahlung angeboten wird.

Die WHOA ermöglicht dem Schuldner auch die Umstrukturierung künftiger Verpflichtungen, die sich aus laufenden Vereinbarungen ergeben. Der Schuldner kann der Gegenseite einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. In der Gesetzesbegründung wird als Beispiel die Miete für Büroräume genannt, die nach unten korrigiert werden muss, damit sie nicht zu einem Klotz am Bein des Unternehmens wird. Stimmt die andere Partei dem Vorschlag nicht zu, hat der Schuldner das Recht, die Vereinbarung zu kündigen. Für Arbeitsverträge gilt dies nicht.

4. Welche Rolle spielt das Gericht in den Niederlanden?

Im Prinzip ist die Beteiligung des Richters auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Genehmigung beschränkt. Sollte es nicht möglich sein, eine gütliche Einigung zu erzielen, können die Streitpunkte dem Gericht vorgelegt werden, um Klarheit darüber zu erhalten, ob der angebotene Vergleich Aussicht auf Erfolg hat.

Darüber hinaus kann der Schuldner beim Gericht beantragen, dass nach dem Vergleichsangebot eine Bedenkzeit gegenüber (einigen) Gläubigern festgelegt wird. Während dieses Zeitraums können die betreffenden Gläubiger keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreifen. Der Schuldner kann auch beantragen, dass das Gericht den Insolvenzantrag – der nach dem Vergleichsangebot gestellt wurde – aussetzt oder eine Aufsichtsperson zur Überwachung des Vergleichsverfahrens bestellt.

Die wichtigste Aufgabe des Richters besteht darin, den Vergleich zu genehmigen (oder nicht). Wenn der Richter die Vereinbarung genehmigt, sind auch die Gläubiger und Gesellschafter, die dem Vergleich nicht zugestimmt haben, daran gebunden. Ein Gläubiger oder Gesellschafter, der gegen den Vergleich Einspruch erhebt, kann bei Gericht beantragen, dass der Vergleich abgelehnt wird.

Bei seiner Entscheidung prüft das Gericht insbesondere, ob 1) die Verfahrensvorschriften korrekt angewandt wurden, 2) der Vergleich nicht unangemessen ist, weil die Gläubiger oder Gesellschafter auf der Grundlage des Vergleichs wesentlich schlechter gestellt wären als im Falle einer Insolvenz und/oder 3) einer der Ablehnungsgründe vorliegt, die für Vergleiche im Rahmen der surseance van betaling (Zahlungsmoratorium) oder Insolvenz gelten.

Unsere deutschsprachigen Rechtsanwälte konnten inzwischen erste Erfahrungen mit der WHOA sammeln.

Benötigen Sie einen deutschsprachigen Rechtsanwalt zum Insolvenzrecht in den Niederlanden? Sprechen Sie uns an!

Unsere deutschsprachige CBBL-Anwältin in Amsterdam, Frau Rechtsanwältin Dr. Wiebke Bonnet-Vogler, berät Sie gerne: bonnet-vogler@cbbl-lawyers.de, Tel. +31205747474


Stand der Bearbeitung: Oktober 2021