Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem Arbeitnehmer in den Niederlanden
Von unserer deutschsprachigen CBBL-Anwältin in Amsterdam, Frau Rechtsanwältin Dr. Wiebke Bonnet-Vogler, bonnet-vogler@cbbl-lawyers.de, Tel. +31205747474, www.vandiepen.com
- Welche Arten von Arbeitsverträgen gibt es in den Niederlanden?
- Kann ich mit dem in den Niederlanden ansässigen Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag nach deutschem Recht abschließen?
- Muss ich die niederländischen Tarifverträge beachten?
- Wie ist die gesetzliche Urlaubsregelung in den Niederlanden?
- Kann ich in den Niederlanden das bei Streitigkeiten mit Arbeitnehmern zuständige Gericht vertraglich bestimmen?
1. Welche Arten von Arbeitsverträgen gibt es in den Niederlanden?
Das niederländische Recht kennt verschiedene Arten von Arbeitsverträgen, die im Weiteren beschrieben werden.
a. Unbefristeter Arbeitsvertrag
Ein Arbeitsvertrag kann in den Niederlanden von Anfang an unbefristet abgeschlossen werden. In diesem Fall muss der Arbeitgeber zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedoch zunächst eine Kündigungsgenehmigung bei der Arbeitsbehörde (UWV) beantragen (bei Vorliegen wirtschaftlicher Gründe oder Krankheit länger als zwei Jahre) oder die Auflösung des Arbeitsvertrags beim Amtsgericht beantragen (personen- oder verhaltensbedingte Gründe). Aufgrund der sehr kurzen Kündigungsfristen (maximal zwei Monate in unbefristeten Verträgen, maximal ein Monat in befristeten Verträgen > 6 Monate) ist es in den Niederlanden üblich, zunächst einen befristeten Arbeitsvertrag von sechs oder zwölf Monaten anzubieten.
b. Befristeter Arbeitsvertrag
Nach niederländischem Recht kann der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis für maximal 36 Monate befristen, bzw. den Arbeitsvertrag innerhalb dieser Zeitspanne zweimal befristet verlängern. Bei einer Verlängerung über 36 Monate hinaus bzw. der dritten Verlängerung gilt der zuletzt geschlossene Arbeitsvertrag als unbefristet. Wenn zwischen zwei befristeten Arbeitsverträgen eine Unterbrechung von mehr als sechs Monaten liegt, beginnt die Frist der 36 Monate erneut.
Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer einen Monat vor Ablauf des befristeten Arbeitsvertrages schriftlich darüber informieren, ob er Arbeitsvertrag – ggf. zu veränderten Bedingungen – fortsetzen möchte oder nicht (notificatieplicht). Kommt er dieser Pflicht nicht nach, muss er eine Entschädigung in Höhe von bis zu einem Monatsgehalt an den Arbeitnehmer zahlen. Auf die Beendigung des befristeten Arbeitsvertrages hat eine Verletzung der Anzeigepflicht jedoch keine Auswirkung.
Ferner ist zu beachten, dass ein Arbeitnehmer auch nach Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrags Anspruch hat auf die gesetzliche Abfindung („transitievergoeding“). Zur Höhe der gesetzlichen Abfindung in den Niederlanden erweisen wir auf das entsprechende Kapitel "Beendigung des Arbeitsvertrags nach niederländischem Recht" unter Punkt 5.
Versäumt der Arbeitgeber es, den Arbeitnehmer in den Niederlanden über (die Bedingungen) eine(r) Fortsetzung des Arbeitsvertrags zu informieren und arbeitet der Arbeitnehmer nach Ablauf der Befristung weiter, dann wird der befristete Arbeitsvertrag um die Dauer der ursprünglichen Befristung, aber maximal für die Dauer eines Jahres, zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt. In diesem Fall schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer theoretisch trotzdem eine Entschädigung, da diese nicht abhängig ist von der Fortsetzung des Arbeitsvertrags, sondern von der Erfüllung seiner Informationspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer.
c. Abrufvertrag
Das niederländische Recht kennt mehrere Arten von Abrufverträgen:
- ° Abrufvertrag auf Null-Stunden-Basis (0-uren-contract): Der Arbeitnehmer erhält einen befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag, in dem keine Stunden festgelegt sind, sondern jeweils vom Arbeitgeber festgelegt werden.
- Min-Max-Vertrag (min-max-contract): Der Arbeitnehmer hat einen befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag, in dem aber eine minimale und eine maximale Anzahl von Stunden festgelegt sind. Die festgelegte minimale Stundenanzahl muss vom Arbeitgeber stets verlohnt werden, auch wenn der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat.
Für alle Abrufverträge gilt, dass sich der Arbeitnehmer nach einer Periode von drei Monaten, an denen er eine bestimmte Anzahl von Stunden gearbeitet hat, auf eine Rechtsvermutung stützen kann, wonach er von nun an auch weiterhin Anspruch auf diese Anzahl von Stunden hat. Es gilt eine Beweislastumkehr. Der Arbeitgeber muss dann nachweisen, dass z.B. aufgrund der Saison nur vorübergehend mehr Arbeiten angefallen sind.
2. Kann ich mit dem in den Niederlanden ansässigen Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag nach deutschem Recht abschließen?
Gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-VO) besteht für Arbeitsverträge grundsätzlich freie Rechtswahl. Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber mit seinem Arbeitnehmer in den Niederlanden also einen Arbeitsvertrag nach deutschem Recht abschließen. Laut Artikel 8 Rom I-VO schließt das jedoch nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer auch auf günstigere, zwingendrechtliche Bestimmungen des Landes berufen kann, in dem er üblicherweise seine Arbeit verrichtet. Liegt der gewöhnliche Arbeitsort des Arbeitnehmers in den Niederlanden, wird sich der Arbeitnehmer trotz des Arbeitsvertrags nach deutschem Recht auf zwingendrechtliche Bestimmungen des niederländischen Rechts (z.B. Kündigungsschutz, gesetzliches Urlaubsgeld, Urlaubsansprüche, Mindestlohn usw.) berufen, sofern diese für ihn günstiger sind.
Dieses Ergebnis ist für den Arbeitgeber nicht wünschenswert, da es hier in der Praxis regelmäßig zu einer Vermischung zwischen deutschem und niederländischem Arbeitsrecht kommen kann und der Arbeitnehmer insbesondere faktisch „unkündbar“ wird. Deshalb ist dringend zu empfehlen, einem Arbeitnehmer in den Niederlanden einen Arbeitsvertrag nach niederländischem Recht anzubieten. Einen entsprechenden Entwurf erstellen wir gerne für Sie.
3. Muss ich die niederländischen Tarifverträge beachten?
In den Niederlanden sind zahlreiche Tarifverträge vom Ministerium für soziale Angelegenheiten und Arbeit für allgemeinverbindlich erklärt worden, was bedeutet, dass sie automatisch für alle Arbeitgeber der jeweiligen Branche gelten. Bei diesen allgemeinverbindlichen Tarifverträgen wird zwischen zwei Arten unterschieden: Mindesttarifverträge und Standardtarifverträge.
Mindesttarifverträge enthalten Bestimmungen, von denen Arbeitgeber nur zugunsten des Arbeitnehmers abweichen dürfen, beispielsweise durch die Zahlung eines höheren Lohns als im Tarifvertrag vorgesehen. Im Gegensatz dazu enthalten Standardtarifverträge Bestimmungen, an die sich Arbeitgeber uneingeschränkt halten müssen.
Aufgrund der Vielzahl an Tarifverträgen in den Niederlanden, von denen ein Großteil allgemeinverbindlich ist, sollte bei der Vertragsgestaltung auf die sorgfältige Bestimmung des ggf. anwendbaren Tarifvertrags sowie auf die strikte Einhaltung seiner zwingenden Bestimmungen geachtet werden. Ein Risiko besteht insbesondere bei Tarifverträgen, die die zwingende Teilnahme an einem Branchenrentenfonds vorsehen.
4. Wie ist die gesetzliche Urlaubsregelung in den Niederlanden?
Der gesetzliche Urlaubsanspruch liegt in den Niederlanden bei dem Vierfachen der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit. Bei einer Vollzeitanstellung von 40 Stunden pro Woche entspricht dies etwa 160 Stunden, was wiederum 4 Wochen (20 Arbeitstagen) entspricht. In der Praxis wird regelmäßig mehr gewährt. Üblich sind 25 Tage und mehr.
Nach dem niederländischen Gesetz bleiben übergesetzliche Urlaubsansprüche im darauffolgenden Jahr 6 Monate gültig, gesetzliche Urlaubsansprüche verjähren in der Regel erst nach 5 Jahren.
Durch einen ggf. anwendbaren Tarifvertrag stehen dem Arbeitnehmer in den Niederlanden eventuell weitere oder abweichende Urlaubsansprüche zu, wie etwa im Falle einer langen Betriebszugehörigkeit, einer Heirat, Geburt oder Adoption sowie im Sterbensfall eines direkten Verwandten.
5. Kann ich in den Niederlanden das bei Streitigkeiten mit Arbeitnehmern zuständige Gericht vertraglich bestimmen?
Die nationalen Regelungen bezüglich des Gerichtsstands bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten stehen im Einklang mit der EU-Verordnung 1215/2012 EuGVVO), die auch in den Niederlanden gilt. Gemäß dieser Verordnung kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber entweder in dem Mitgliedstaat, in dem dieser seinen Wohn- oder Geschäftssitz hat, oder in dem Mitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich oder zuletzt seine Dienste erbracht hat, verklagen. Der Arbeitgeber seinerseits kann den Arbeitnehmer jedoch nur vor den Gerichten des Mitgliedsstaates verklagen, in dem dieser seinen Wohnsitz hat. Durch diese Bestimmungen soll verhindert werden, dass der Arbeitnehmer gezwungen ist, an einem für ihn ungünstigen Gerichtsstand zu klagen oder verklagt zu werden. Eine Gerichtsstandsvereinbarung im Arbeitsvertrag, die die Zuständigkeit der Gerichte am Sitz des Arbeitgebers vorsieht, ist unwirksam. Eine solche Vereinbarung kann nur dann rechtsgültig sein, wenn sie nach Entstehen der Streitigkeit von beiden Parteien freiwillig und einvernehmlich geschlossen wird und dem Arbeitnehmer zusätzliche Gerichtsstände eröffnet, ohne seine gesetzlichen Optionen zu beschneiden.
Die vorstehenden Regelungen führen auch dazu, dass ein Arbeitgeber in den Niederlanden, der sich von einem in Deutschland wohnenden Arbeitnehmer trennen möchte, in Deutschland ein Auflösungsverfahren anhängig machen müsste. Dies führt in der Praxis regelmäßig zu Problemen.
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Unsere deutschsprachige CBBL-Anwältin in Amsterdam, Frau Rechtsanwältin Dr. Wiebke Bonnet-Vogler, berät Sie gerne: bonnet-vogler@cbbl-lawyers.de, Tel. +31205747474
Stand der Bearbeitung: September 2024