Gewerbliches Mietrecht in den Niederlanden
Von unserer deutschsprachigen CBBL-Anwältin in Amsterdam, Frau Rechtsanwältin Dr. Wiebke Bonnet-Vogler, bonnet-vogler@cbbl-lawyers.de, Tel. +31205747474, www.vandiepen.com
Grundlegende Informationen zum Gewerbemietrecht in den Niederlanden mit wichtigen Hinweisen für ausländische Mietparteien von Gewerbeimmobilien.
In den Niederlanden genießen Vermieter und Mieter von Gewerbeimmobilien weitgehende Vertragsfreiheit. Dennoch gibt es, besonders bei bestimmten Arten von Geschäftsräumen, wichtige rechtliche Einschränkungen zu beachten. Das niederländische Mietrecht enthält nämlich zwingende Vorschriften, die nicht umgangen werden können und dürfen.
Eine Besonderheit des niederländischen Gewerbemietmarkts ist die verbreitete Nutzung eines Standardmietvertrags. Dieser sogenannte ROZ-Vertrag wurde vom Raad van Onroerende Zaken (ROZ), dem niederländischen Verband für Gewerbeimmobilien, entwickelt und findet in der Praxis häufig Anwendung.
- Welche Arten von Gewerberäumen gibt es nach niederländischem Recht?
- Wie lange läuft ein Gewerbemietvertrag in den Niederlanden?
- Wie können die Parteien ein gewerbliches Mietverhältnis nach niederländischem Recht kündigen?
- Wie können die Parteien ein gewerbliches Mietverhältnis in den Niederlanden ohne Kündigung beenden?
- Wie hoch ist die Miete bei Geschäftsräumen und wie steht es um die Nebenkosten?
- Wie kann die Miete bei Gewerbemietverträgen in den Niederlanden geändert bzw. angepasst werden?
- Können die Parteien einen Gewerbemietvertrag in den Niederlanden übertragen? Ist eine Untervermietung möglich?
- Sollten die Parteien eines niederländischen Gewerbemietvertrags auf den Mustermietvertrag des Verbandes für Gewerbeimmobilien (ROZ-Vertrag) zurückgreifen?
1. Welche Arten von Gewerberäumen gibt es nach niederländischem Recht?
Im Gegensatz zum deutschen Mietrecht unterscheidet das niederländische Recht zwei Kategorien von geschäftlich genutzten Räumen:
Auf der einen Seite regelt es die Miete von Geschäftsräumen (NL: bedrijfsruimte), wobei es sich um öffentlich zugängliche Räume handelt. Dies sind beispielsweise Geschäfte, Gastronomiebetriebe, Hotels und Campingplätze. Hier werden Produkte oder Dienstleistungen angeboten. Geschäftsräume sind in Artikel 7:290 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches (BW) definiert, weswegen diese Geschäftsräume auch als „290-bedrijfsruimte“ bezeichnet werden.
Daneben regelt das niederländische Recht für alle Geschäftsräume, die weder Wohnraum noch öffentlich zugängliche Räume im vorgenannten Sinne sind, die Miete von sonstigen Gewerberäumen (NL: overige bedrijfsruimten). Dies sind beispielsweise Büros, Lagerhallen und Fabriken. Sonstige Gewerberäume sind in Artikel 7:230a BW definiert, weswegen diese Geschäftsräume auch als „230a-bedrijfsruimte“ bezeichnet werden.
Diese Unterscheidung ist rechtlich bedeutsam, da für Geschäftsräume strengere Schutzvorschriften gelten, von denen kaum abgewichen werden darf. Ein Vermieter, der zum Nachteil des Mieters von diesen Gesetzen abweichen will, braucht triftige Gründe sowie die Genehmigung des Gerichts. Wichtige Unterschiede bestehen beispielsweise bei der Dauer des Mietverhältnisses. Mietverträge für Geschäftsräume können nur für eine bestimmte Mindestlaufzeit vereinbart werden, welche sich nach Ablauf automatisch verlängert, sofern der Mietvertrag nicht unter Beachtung der Kündigungsfrist vorher beendet wurde. Die Kündigungsfrist beträgt dabei mindestens ein Jahr. Diese Regelungen gewährleisten einen erhöhten Mieterschutz für Betreiber von mittelgroßen Geschäften, die oft stärker von ihrer Lage abhängig sind.
2. Wie lange läuft ein Gewerbemietvertrag in den Niederlanden?
a. Miete von Geschäftsräumen
Der Mieter von Geschäftsräumen genießt besonderen Schutz, um einen Kundenstamm aufzubauen und etwaige Investitionen zu amortisieren. Das Gesetz sieht eine zwingende anfängliche Mietdauer von fünf Jahren vor. Sowohl der Mieter als auch der Vermieter können jeweils erst zum Ende dieser fünfjährigen Mietdauer kündigen. Erfolgt keine Kündigung, so verlängert sich der Vertrag automatisch um weitere fünf Jahre, sodass die Gesamtmindestdauer zehn Jahre beträgt. Nach diesem Zeitraum läuft der Vertrag auf unbestimmte Zeit weiter.
Es besteht die Möglichkeit, für Geschäftsräume zunächst eine Mietdauer von bis zu zwei Jahren zu vereinbaren. In diesem Fall verzichtet der Mieter auf seinen besonderen Kündigungsschutz und kann nach gesetzlichen Vorschriften gekündigt werden. Nach Ablauf der zweijährigen Mietdauer endet der Vertrag von Rechts wegen. Setzen die Parteien den Mietvertrag jedoch stillschweigend fort, verlängert sich die Mietdauer automatisch auf eine fünfjährige Festlaufzeit, auf die die ersten zwei Jahre angerechnet werden. Aufgrund der rechtlichen Komplexität ist bei solchen Vereinbarungen eine fachliche Beratung ratsam.
b. Miete von sonstigen Gewerberäumen
Für sonstige Gewerberäume gelten flexiblere Regelungen. Hier können die Vertragsparteien die Mietdauer frei bestimmen, da das niederländische Mietrecht keine zwingende Mindestmietdauer vorsieht. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Mieter sonstiger Gewerberäume in der Regel geringere Investitionen tätigen und daher weniger schutzbedürftig sind.
3. Wie können die Parteien ein gewerbliches Mietverhältnis nach niederländischem Recht kündigen?
a. Kündigung von Geschäftsräumen
Für Geschäftsräume gelten nach niederländischem Recht strenge Kündigungsvorschriften. Eine Kündigung ist frühestens – außer im Falle einer vereinbarten Probezeit – zum Ende des ersten Fünfjahreszeitraums möglich, wobei eine Frist von mindestens einem Jahr einzuhalten ist. Wird diese Frist versäumt, verschiebt sich die Kündigungsmöglichkeit auf das Ende des zweiten Fünfjahreszeitraums. In jedem Fall muss die Kündigung schriftlich erfolgen, beispielsweise per Einschreiben oder über einen Gerichtsvollzieher.
Vermieter unterliegen nach Ablauf der ersten fünf Jahre zusätzlichen Einschränkungen. Sie können nur aus gesetzlich geregelten Gründen kündigen, etwa wegen dringenden Eigenbedarfs oder unsachgemäßer Bewirtschaftung durch den Mieter. Diese Gründe müssen im Kündigungsschreiben dargelegt werden. Stimmt der Mieter der Kündigung nicht ausdrücklich zu, ist eine gerichtliche Genehmigung erforderlich.
Nach Ablauf des zweiten Fünfjahreszeitraums gewinnt der Vermieter mehr Flexibilität bei der Kündigung. Das Gericht wendet dann einen allgemeinen Maßstab an, bei dem die Interessen beider Parteien gegeneinander abgewogen werden.
b. Kündigung sonstiger Gewerberäume
Bei sonstigen Geschäftsräumen bietet das niederländische Recht mehr Spielraum für individuelle Gestaltungen. Da keine gesetzliche Mindestlaufzeit vorgeschrieben ist, kann das Mietverhältnis grundsätzlich jederzeit gekündigt werden. Die Kündigungsfrist entspricht in der Regel dem Mietzahlungszeitraum. Wird die Miete zum Beispiel monatlich gezahlt, gilt eine Kündigungsfrist von einem Monat.
Obwohl Mieter sonstiger Gewerberäume einen geringeren gesetzlichen Kündigungsschutz genießen, haben sie Anspruch auf Räumungsschutz. Dies bedeutet, dass sie nach einer wirksamen Kündigung noch zwei Monate in den Räumlichkeiten verbleiben dürfen, um ein neues Mietobjekt zu finden. Das Gericht kann diese Frist auf Antrag des Mieters bei Vorliegen triftiger Gründe verlängern.
4. Wie können die Parteien ein gewerbliches Mietverhältnis in den Niederlanden ohne Kündigung beenden?
Die strengen Kündigungsregeln für Geschäftsräume in den Niederlanden greifen nur bei einseitiger Vertragsbeendigung. Unabhängig davon steht es Mietern und Vermietern jederzeit frei, in gegenseitigem Einvernehmen eine Beendigung des Mietvertrages zu vereinbaren. Diese konsensuale Lösung umgeht die sonst geltenden gesetzlichen Einschränkungen und bietet beiden Parteien maximale Flexibilität.
Darüber hinaus eröffnet das niederländische Recht bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen einen alternativen Weg zur vorzeitigen Vertragsbeendigung. In solchen Fällen kann die betroffene Partei eine gerichtliche Auflösung des Mietverhältnisses beantragen. Dies gilt sowohl für Verfehlungen des Vermieters, etwa wenn dieser systematisch erforderliche Instandhaltungsarbeiten unterlässt, als auch für Vertragsverstöße des Mieters, beispielsweise bei Nichtzahlung der Miete oder wiederholtem Zahlungsverzug.
Besonders relevant ist diese Option für Mietverhältnisse über Geschäftsräume. Hier muss bei gravierenden Vertragsverletzungen nicht das Ende einer der gesetzlichen Fünfjahresfristen abgewartet werden. Stattdessen ermöglicht das gerichtliche Verfahren eine frühzeitige Lösung in Situationen, in denen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für eine der Parteien unzumutbar geworden ist.
Diese Möglichkeiten zur einvernehmlichen oder gerichtlichen Beendigung des Mietverhältnisses stellen wichtige Ausnahmen von den ansonsten rigiden Schutzvorschriften des niederländischen Gewerbemietrechts dar. Sie gewährleisten, dass trotz des grundsätzlich hohen Bestandsschutzes flexible Lösungen in besonderen Situationen möglich bleiben.
5. Wie hoch ist die Miete bei Geschäftsräumen und wie steht es um die Nebenkosten?
In den Niederlanden genießen Vermieter und Mieter von Geschäftsräumen weitgehende Freiheit bei der Festlegung der Miethöhe. Die finanzielle Verpflichtung des Mieters setzt sich in der Regel aus zwei Hauptkomponenten zusammen: dem Grundmietzins für die Nutzung der Räumlichkeiten sowie den Betriebs- und Nebenkosten für zusätzliche Dienst- und Versorgungsleistungen.
Zur Bestimmung einer marktgerechten Miete stehen den Vertragsparteien verschiedene Methoden zur Verfügung. Häufig dient ein Vergleich mit ähnlichen Objekten in der Umgebung als Orientierung für die Preisfindung. Alternativ kann ein unabhängiger Gutachter mit der Ermittlung des Mietwertes beauftragt werden. Faktoren wie Lage, Fläche, Zustand und besondere Ausstattungsmerkmale der Immobilie fließen dabei maßgeblich in die Bewertung ein.
Daneben legt der Vermieter einige der zusätzlichen Kosten auf den Mieter um. Dazu gehören Kosten für Versorgungsleistungen wie Gas, Wasser und Strom, aber auch für die Instandhaltung der Gemeinschaftsflächen, die Reinigung oder die Sicherheit. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass im Mietvertrag klar festgelegt wird, welche Kosten der Mieter zu tragen hat und wie sie berechnet und abgerechnet werden.
Eine klare Regelung der Kostenverteilung trägt dazu bei, potenzielle Konflikte zu vermeiden und schafft eine solide Grundlage für ein langfristig stabiles Mietverhältnis. Sie ermöglicht beiden Seiten eine realistische Einschätzung der finanziellen Verpflichtungen und fördert so eine faire und ausgewogene Geschäftsbeziehung im Rahmen der Gewerberaummiete.
6. Wie kann die Miete bei Gewerbemietverträgen in den Niederlanden geändert bzw. angepasst werden?
Die Möglichkeiten zur Mietanpassung variieren je nach Art des Geschäftsraums.
a. Mietanpassung bei Geschäftsräumen
Bei Geschäftsräumen gelten nach niederländischem Recht strengere Vorschriften: Während der Festlaufzeit darf der Vermieter die Miete nicht erhöhen. Nach dem ersten Fünfjahreszeitraum können beide Parteien eine Mietüberprüfung beantragen, wobei dieser Antrag vor Ablauf des laufenden Mietzeitraums gestellt werden muss. Es gibt keine gesetzliche Obergrenze für Mieterhöhungen.
Bei Uneinigkeit über die neue Miete für Geschäftsräume kann das Gericht angerufen werden, welches dann einen angemessenen Mietzins unter Berücksichtigung vergleichbarer Objekte festsetzt. Dieses Verfahren ändert ausschließlich die Miethöhe, nicht aber andere Vertragsbedingungen.
b. Mietanpassung bei sonstigen Gewerberäumen
Für sonstige Gewerberäume besteht nach niederländischem Recht mehr Gestaltungsfreiheit bei Mietanpassungen. Häufig wird eine jährliche Indexierung, beispielsweise anhand des Verbraucherpreisindex des Zentralamtes für Statistik (Centraal Bureau voor Statistiek) vereinbart. Alternativ können die Parteien regelmäßige Überprüfungen basierend auf der Marktentwicklung festlegen.
7. Können die Parteien einen Gewerbemietvertrag in den Niederlanden übertragen? Ist eine Untervermietung möglich?
Die Möglichkeiten zur Übertragung von Mietrechten oder zur Untervermietung sind nach niederländischem Recht in der Regel eingeschränkt und erfordern meist die ausdrückliche Zustimmung des Vermieters.
a. Übertragung bzw. Untervermietung bei der Miete von Geschäftsräumen
Bei Geschäftsräumen genießt der Mieter nach niederländischem Recht jedoch einen gewissen gesetzlichen Schutz, insbesondere bei Betriebsübergängen. In solchen Fällen muss der Vermieter grundsätzlich kooperieren, sofern keine schwerwiegenden Einwände gegen den neuen Mieter bestehen.
b. Übertragung bzw. Untervermietung bei der Miete von sonstigen Gewerberäumen
Untervermietung wird von Vermietern oft kritischer gesehen, da sie das direkte Mietverhältnis komplizieren kann. In bestimmten Situationen, wie bei der teilweisen Untervermietung großer Büroflächen, kann sie jedoch zulässig sein.
8. Sollten die Parteien eines niederländischen Gewerbemietvertrags auf den Mustermietvertrag des Verbandes für Gewerbeimmobilien (ROZ-Vertrag) zurückgreifen?
Um Fehler bei der eigenständigen Erstellung eines Mietvertrags zu vermeiden, hat der niederländische Verband für Gewerbeimmobilien einen Mustermietvertrag mit einem Anhang allgemeiner Geschäftsbedingungen erstellt. Dieser Mustervertrag (ROZ-Vertrag) deckt viele potenzielle Szenarien ab, was seinen Hauptvorteil darstellt.
Allerdings tendiert der ROZ-Vertrag dazu, den Vermieter zu begünstigen und weicht an einigen Stellen zu Ungunsten des Mieters vom Gesetz ab. Beispielhaft hierfür ist der Austausch von Verschleißteilen in den Sanitärräumen: Während hierfür das Gesetz den Vermieter in die Pflicht nimmt, wälzt der ROZ-Vertrag diese Pflicht auf den Mieter ab.
Die Entscheidung für einen ROZ-Vertrag sollte daher sorgfältig abgewogen werden, insbesondere aus Mietersicht. Eine individuelle Anpassung oder Neuverhandlung bestimmter Klauseln kann ratsam sein, um ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den Parteien zu erreichen.
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Stand der Bearbeitung: September 2024