Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in Marokko
CBBL Rechtsanwalt und Abogado Dr. Christian Steiner, Kanzlei MIDEAST | Law, Casablanca
Dr. Christian Steiner
Rechtsanwalt und Abogado
MIDEAST | Law
Casablanca


Schiedsverfahren im Nahen Osten und Nordafrika

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Casablanca, Herrn Rechtsanwalt Dr. Christian Steiner, c.steiner@cbbl-lawyers.de, Tel. +212 - 648 120 763, mideastlaw.de


Chancen und Risiken einer alternativen Streitbeilegung in der MENA-Region

I. Was Sie über Schiedsverfahren im Nahen Osten und Nordafrika wissen sollten:

Es ist der Albtraum eines jeden Unternehmers, wenn die Meinungsverschiedenheiten mit dem Geschäftspartner am Ende vor Gericht landen. Die Gefahr, dass es soweit kommt, ist beim Aufeinandertreffen ganz unterschiedlicher Businesskulturen im Zweifel größer, noch dazu in einem volatilen wirtschaftlichen und politischen Umfeld wie man es in manch einem Land des Nahen Ostens und Nordafrikas (MENA) vorfindet. Umso wichtiger ist es, die Vereinbarungen ordentlich festzuhalten und Begleitrisiken vorzubeugen. Eine wichtige Weichenstellung stellt die Entscheidung über den Gerichtsstand, das anwendbare Recht und ggf. den Rückgriff auf die Schiedsgerichtsbarkeit dar. Es ist ein verständlicher Reflex des europäischen Mittelständlers, sich eher auf das eigene Recht und die eigenen Gerichte zu verlassen. Diese Wahl entspricht jedoch nicht notwendig am besten den eigenen Interessen. Zu berücksichtigen sind nämlich auch die Vollstreckbarkeit ausländischer Titel oder Schiedssprüche sowie die Frage, ob es in dem konkreten Vertragsverhältnis wahrscheinlicher ist, dass man selbst klagt oder aber verklagt wird.

II. Grundlagen, Vorteile und Nachteile der internationalen Streitbeilegung durch Schiedsverfahren

Die Vor- und Nachteile der Schiedsgerichtsbarkeit lassen sich kurz zusammenfassen: Wer an der Zusammensetzung des Gerichts, der Auswahl des Tagungsortes, des anwendbaren materiellen und Prozessrechts, der Sprache des Verfahrens u.a. selbst mitwirken kann, hat größere Chancen auf ein faires Urteil durch einen unabhängigen und unparteiischen Spruchkörper, gerade in Staaten mit schwachen Gerichtsbarkeiten. Etablierte Schiedsinstitutionen sorgen für relative Effizienz und Effektivität. Und der Spruch ist dank des New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958 in weiten Teilen des Globus, einschließlich der MENA-Region (ohne Libyen, Jemen und Irak), vollstreckbar. Letzteres kann man für die Vollstreckung ausländischer Urteile nicht behaupten. nicht umsonst ist die Schiedsgerichtsbarkeit gerade in Exportnationen populär.

Im Hinblick auf Dauer und Kosten muss man freilich differenzieren. Ein Schiedsverfahren ist selten kürzer als ein Gerichtsverfahren in erster Instanz, hat aber auch nur eine Instanz und ist daher regelmäßig kürzer als zwei oder gar drei Instanzen vor den staatlichen Gerichten. Wie auch vor letzteren, hängt die Dauer im Schiedsverfahren nicht zuletzt von den Parteien selbst ab, die durch extensive Kreuzverhöre oder den Einsatz sog. Guerilla-Taktiken (insbes. die Überfrachtung der sog. Document Production Phase) ein Verfahren künstlich in die Länge zu ziehen vermögen. Nicht vergessen werden sollte außerdem, dass auch ein Schiedsspruch meist noch vor den staatlichen Gerichten angefochten werden kann und jedenfalls für vollstreckbar erklärt werden muss. Die Minimalkosten eines Schiedsverfahrens sind relativ hoch, weil nicht nur die Schiedsinstitution, sondern auch die Richter und die Parteivertreter finanziert werden müssen. Alles ist privat. Je höher der Streitwert, desto eher rentiert sich indes ein Schiedsverfahren. Geht es also im Zweifel um viel Geld, empfiehlt sich daher die Aufnahme einer Schiedsklausel in den Vertrag. Steht monetär wenig auf dem Spiel lohnt sich die private Streitbeilegung eher nicht, außer andere Gründe, etwa ihre Vertraulichkeit oder klar defizitäre Justizstrukturen, sprechen dafür.

IV. Civil Law vs. Common Law

Auch wenn uns die Verfechter der anglo-amerikanischen Rechtstradition den Eindruck vermitteln wollen, nur ein 50-seitiger Vertrag sei ein ordentlicher Vertrag, so darf man ruhigen Gewissens darauf verzichten, wenn es gelingt, den Vertragspartner davon zu überzeugen, kontinentaleuropäisches – warum nicht deutsches? – Recht für anwendbar zu erklären. Im Gesetz steht nämlich das Meiste und den Rest haben die Gerichte entschieden. Dieser Besitzstand gewährt, wenn man ihn mit der entsprechenden Rechtswahlklausel in den Vertrag aufnimmt, ein hohes Maß an Rechtssicherheit und spart Kosten bei der Ausarbeitung der Verträge. Die Ambivalenz zwischen Civil Law und Common Law betrifft ebenso das Schiedsverfahren, weshalb auch bezüglich der anzuwendenden Prozessregeln eine ausdrückliche Wahl zu empfehlen ist.

V. Schiedsgerichtsbarkeit im „Orient“?

Wie sieht es nun aber in der MENA-Region mit der Schiedsgerichtsbarkeit aus? Wie sollte sich der deutsche Unternehmer positionieren, was hat er zu erwarten? Die außergerichtliche Streitbeilegung reicht auch in den arabisch geprägten Ländern weit zurück. Tief verwurzelt im islamischen Kulturkreis ist die Pflicht zu einer versöhnlichen Lösung von Konflikten (sulh). Bei uns im Westen steht der Einzelne und seine Freiheit im Mittelpunkt. Im Geschäftsleben schwört der westliche Geschäftsmann auf die Trias eines fairen Verfahrens, die Unerschütterlichkeit vertraglicher Vereinbarungen und die unternehmerische Freiheit. Die Konfliktlösung basierend auf Vertrag und Gesetz vor einem Gericht oder Schiedsgericht ist Standard.

In den islamisch geprägten Ländern ist das (noch) anders: Die persönliche Beziehung zwischen Vertragspartnern ist wichtiger als die rechtliche. Geschäftsbeziehungen sind weniger eindeutigen vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen unterworfen, sondern besitzen eine starke zwischenmenschliche Komponente. Daraus folgt, dass Konflikte tendenziell durch Verhandlung und Mediation gelöst werden. Die moralische Pflicht zur gütlichen Einigung besteht nicht nur in der Geschäftswelt fort, sondern wirkt auch in die staatlichen Streitbeilegungsmechanismen und die Schiedsgerichtsbarkeit hinein. Allerdings hat sich in den Ländern mit starker internationaler Präsenz bei den Spezialgerichten für Handel und Investition weitgehend der westliche Ansatz der Konfliktlösung aufgrund von Regeln durchgesetzt. Nur am Rande sei bemerkt: Auch der deutschen Rechtskultur sind faire und ausgehandelte Lösungen, bei der keine Seite ganz leer ausgeht, nicht fremd: Nicht nur, um sich Schreibarbeit zu sparen, wirken deutsche Gerichte immer nachdrücklicher auf Vergleiche hin.

Einige MENA-Staaten bemühen sich, ihr nationales Schiedsrecht auf den neuesten Stand zu bringen, und die Gerichte zeigen sich zunehmend gewillt, Schiedssprüche zu vollstrecken, sowohl in Anwendung der New Yorker Konvention, aber auch aufgrund regionaler Vereinbarungen, insbesondere der Abkommen von Riyadh und des Golf-Kooperationsrates. Dem gegenüber stehen nach wie vor Urteile staatlicher Gerichte, die sich trotz gültiger Schiedsvereinbarungen für zuständig erklären oder die Anerkennung und Vollstreckung aufgrund der Ordre-public-Regel verweigern.

Drei Jahre nach Beginn der weltweiten Covid19-Pandemie haben die meisten Schiedszentren in der MENA-Region ihre digitale Infrastruktur zugunsten der Rechtssuchenden weiter ausgebaut. Anhörungen sind häufig ohne physische Anwesenheit, die Übermittlung von Unterlagen ebenfalls elektronisch möglich. Die bemerkenswerteste Entwicklung ist sicher die Zusammenlegung der einzelnen Schiedszentren in Dubai mit dem Ziel, die Anzahl der Schiedszentren im Emirat zu begrenzen und einschlägige Dienstleistungen über eine einzige Plattform - das Dubai International Arbitration Centre (DIAC) - anbieten zu können.

Der Pandemie zum Trotz bleibt die MENA-Region in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit besonders umtriebig. Laut Global Arbitration Review 2022 waren von den 2507 Parteien, die im Jahre 2020 den ICC anriefen, 19 % aus dem Nahen Osten und Afrika. Länder wie die VAE, Saudi-Arabien und Katar gehören zu den am häufigsten unter den Parteien vertretenen Nationalitäten, was die Neigung zur Streitbeilegung durch alternative, außergerichtliche Verfahren in diesem Teil der Welt unterstreicht.

VI. Lohnt sich vor allem bei großen Summen

Es spricht also einiges dafür, größere Investitionen in der Region durch Schiedsklauseln abzusichern. Entschieden werden muss dann, ob man auf die renommierten europäischen Institutionen zurückgreift oder einer örtlichen beziehungsweise regionalen Instanz vertraut. Denn die gibt es auch. Am Golf sind die VAE Offshore-Gerichtsbarkeiten Dubai International Financial Centre (DIFC) und Abu Dhabi Global Market (ADGM)die bevorzugten Schiedsorte. Deren Schiedsregeln basieren auf dem UNCITRAL-Modellgesetz mit einem spürbaren Einschlag des englischen Schiedsrechts. Wie eingangs erwähnt, wurden in Dubai Ende 2021 mehrere Schiedszentren – darunter das Dubai International Financial Centre Arbitration Institute (DAI) und das Emirates Maritime Arbitration Centre (EMAC) aufgelöst und in eine gemeinsame Plattform, das DIAC, überführt. Hierfür wurde im Frühjahr 2022 eigens eine DIAC-Schiedsgerichtsordnung erlassen. Gleichwohl gelang es dem DIAC, die bei den abgeschafften Schiedszentren anhängigen Verfahren nach deren Bestimmungen fortzuführen. Das Abu Dhabi Global Market Arbitration Centre (ADGMAC) hat im Juni 2021 als Reaktion auf die Covid19-Pandemie sein Protokoll für Anhörungen mittels elektronischer Kommunikationsmittel mit einer ganzen Reihe verfahrenstechnischer und logistischer Regelungen eingeführt.
Die größte Schiedstradition der Region hat Ägypten, das zahlreiche einschlägige Konventionen unterzeichnet und schon 1997 sein Schiedsrecht an internationale Standards angepasst hat. Auch die Rechtsprechung kann als schiedsfreundlich bezeichnet werden. Seit 1979 können Streitigkeiten dem Cairo Regional Centre for International Commercial Arbitration (CRCICA) zur Beilegung angetragen werden.

Auch in Marokko gibt es eine Reihe von Optionen wie das Centre de Médiation et d’Arbitrage de Casablanca (CMAC), das Centre International de Médiation et d’Arbitrage de Casablanca (CIMAC) oder das neue Afrikanische Mediations- und Schiedsgericht (CAMAR) in Marrakesch für Investitions- und Handelsstreitigkeiten in Afrika. Jüngst hat das Land sein nationales Schiedsrecht durch Erlass eines einschlägigen Gesetzes grundlegend überarbeitet. Das Mitte des Jahres 2022 in Kraft getretene Gesetz 95-17 über Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation hat zum Ziel, alternative Streitbeilegungsverfahren zu etablieren und die Bedeutung Marokkos als internationalen Schiedsort zu fördern und zu konsolidieren. Vor diesem Hintergrund passt das Gesetz die das Schieds- und Mediationsverfahren betreffenden Regelungen internationalen Standards und dem technologischen Fortschrift insbesondere auf dem Feld der elektronischen Kommunikation an.
Die Wahl für eine lokale Schiedsinstitution als Verwalterin des Verfahrens kann die Kosten im Vergleich zu den europäischen Klassikern reduzieren und die Vollstreckbarkeit vereinfachen, wenn der Schiedsspruch als nationales Urteil behandelt wird. Die Qualität der Schiedsrichter und des Verfahrens muss darunter nicht leiden, sofern sich die Parteien über eine entsprechende Schiedsklausel den Einfluss auf die Zusammensetzung des Spruchkörpers bewahren.

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Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt in Casablanca, Herr Rechtsanwalt Dr. Christian Steiner, steht Ihnen gerne zur Verfügung: c.steiner@cbbl-lawyers.de, Tel. +212 - 648 120 763


Stand der Bearbeitung: März 2023