Produkthaftung in den USA
Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in New York, Herrn Moritz C. Schumann, Rechtsanwalt & Attorney at Law, schumann@cbbl-lawyers.de, Tel. +1 646 502 5944, sbuslaw.com
Dieser Beitrag bietet ausländischen Importeuren, Herstellern und Händlern grundlegende Informationen zum Produkthaftungsrecht in den USA mit wichtigen Hinweisen zu Produktfehlern, Anspruchsgrundlagen der Produkthaftung sowie zur Minimierung der Haftungsrisiken nach U.S. Recht.
1. Wie ist das Produkthaftungsrecht in den USA ausgestaltet?
Das Recht der außervertraglichen Produkthaftung in den USA setzt sich aus Bundes-, Staatenrecht und Common Law zusammen und ist bundesweit nicht einheitlich geregelt, was klare Handlungsanweisungen für Importeure, Hersteller und Händler und eine komprimierte rechtliche Zusammenfassung schwierig macht. Ursprünglich wurde das Produkthaftungsrecht in den USA in den einzelnen Staaten unter dem Common Law als Tort Law entwickelt, wo es dann teilweise von der Legislative auf Staatsebene kodifiziert worden ist. Dadurch hat sich das Produkthaftungsrecht in den einzelnen U.S.-Staaten unterschiedlich entwickelt.
2. Was sind typische, nach U.S.-Recht relevante Produktfehler?
Die Produkthaftung entsteht immer dann, wenn ein fehlerhaftes Produkt auf dem U.S. Markt verkauft wurde und wenn der Produktfehler einen Schaden verursacht hat. Typische Produktfehler sind etwa:
- Herstellungsfehler
- Designfehler
- fehlende, missverständliche oder falsche Instruktionen, sowie
- fehlende Warnhinweise am Produkt.
Im Rahmen eines Herstellungsfehlers weicht das Produkt wesentlich von der Produktlinie ab. Typische Beispiele für Herstellungsfehler sind Materialfehler oder aber auch die nicht ordnungsgemäße Montage. Designfehler liegen vor, wenn das Produkt den allgemeinen Qualitätsanforderungen nicht gerecht wird. Diese werden nach der Verbrauchererwartung oder einer Kosten-Nutzen-Analyse beurteilt. Ein Produkt ist dann z.B. fehlerhaft, wenn es nicht den vernünftigen Sicherheitserwartungen eines gewöhnlichen Anwenders/Benutzers entspricht. Hier kann die Verbrauchererwartung niedriger sein, als man es allgemein erwartet. Zusätzlich ist der Hersteller weiterhin verpflichtet, das Produkt weiter zu beobachten. Gibt es beispielsweise eine Häufung von Reklamationen, die darauf hindeuten, dass ein Produktfehler vorliegen könnte und dieser potenziell Gefahren für den Nutzer oder Dritte mit sich bringt, muss der Hersteller proaktiv eingreifen.
Meist liegt der Schwerpunkt des produkthaftungsrechtlichen Risikos im Bereich des sog. “Failure to Warn”, d.h. der Anwender/Benutzer wird nicht hinreichend auf bestimmte Gefahren beim Umgang mit dem Produkt aufmerksam gemacht. Hier ist die Verpflichtung jedes Unternehmens, nicht nur das Produkt an sich „sicher zu machen“, sondern den Anwender/Benutzer durch die Produktdokumentation in die ordnungsgemäße Nutzung entsprechend den U.S.-Standards einzuweisen. Diese U.S.-Standards unterscheiden sich oft substantiell von den deutschen Bedienungsanleitungen, die meist zu technisch und zu kurz für Anwender/Benutzer in den USA sind. Bedienungs- und Wartungsanleitungen der Produkte, Broschüren, Werbemittel und Webseiten sollten deshalb unbedingt an die aktuellen U.S.-Standards für Produkthaftung angepasst werden. Diese Standards können sogar von Bundesstaat zu Bundesstaat variieren. Deshalb besteht hier erhöhter Bedarf des Herstellers an entsprechender Information zu Warnhinweisen am Produkt selbst und in der Produktdokumentation. Die Dokumentation muss so aufgebaut sein, dass sie auf die Gefahren an der konkreten Stelle in der Dokumentation hinweist und gleichzeitig aufzeigt, wie diese Gefahr vermieden werden kann, in dem etwa Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind.
Neben einem fehlerhaften Produkt an sich, kann eine Produkthaftung auch durch falsche oder ungenügende Produktbeschreibung bzw. Dokumentation entstehen. Wenn es sich bei den Produkten um Kosmetikprodukte handelt, kann sich eine Produkthaftungsgefahr z.B. auch aus dem falschen oder ungenügendem Labeling, Beschriftung, etc. ergeben. Hierzu hat die U.S. Food & Drug Administration (FDA) verschiedenste Richtlinien und Vorgaben erstellt, die eingehalten werden sollten. Denn eine Produkthaftung kann auch dann entstehen, wenn das Produkt selbst keine Fehler aufweist, jedoch Vorschriften und Richtlinien von öffentlichen Institutionen, wie der FDA, nicht eingehalten werden und beispielsweise Kunden schwere allergische Reaktionen aufgrund mangelhafter Angaben und des falschen „Labelings“ erleiden. Daher sollte auch immer geprüft werden, ob bestimmte Produkte FDA Registrierungen oder andere staatliche Lizenzen oder Genehmigungen benötigen.
3. Welches sind die verschiedenen Anspruchsgrundlagen zur Produkthaftung nach U.S.-Recht?
Ansprüche in Zusammenhang mit der Produkthaftung werden nach U.S. Recht traditionell auf die folgenden Anspruchsgrundlagen bzw. zugrunde liegenden Haftungstheorien gestützt:
- Breach of Warranty (Verletzung der Gewährleistung);
- Fahrlässigkeit (Negligence); und
- Verschuldensunabhängige Haftung (Strict liability); und
- Falsche Darstellung (Misrepresentation).
a) Gewährleistungsansprüche nach U.S. Recht – Breach of Warranty
Die Gewährleistungshaftung erfordert regelmäßig ein vertragliches Verhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Kunden. Üblicherweise werden die Gewährleistungsansprüche auf der in dem jeweiligen Staat umgesetzten Version des Art. 2 UCC gestützt und der Kläger behauptet einen Verstoß gegen eine sog. Express Warranty oder gegen eine der sog. Implied Warranties: Implied Warranty of Merchantability oder Fitness for a Particular Purpose. Das Risiko der Haftung für Breach of Warranty lässt sich beim Direktvertrieb mittels entsprechender Verträge minimieren. Wichtig ist es, die im Vertrag gegebenen Express Warranties möglichst konkret zu beschreiben und eng zu fassen und alle anderen Warranties insbesondere auch die Warranty of Merchantibility and Fitness for a Particluar Purpose explizit auszuschließen. Weiterhin sollte eine Haftungsobergrenze für die Schadloshaltungsverpflichtung zu Gunsten des Verkäufers in dem Vertrag enthalten sein. Auch sollte jede vertragliche Haftung des Verkäufers ausgeschlossen werden, wenn die Schäden im Zusammenhang mit unsachgemäßer Benutzung, Wartung, Aufbewahrung und Reparaturen des Produkts stehen.
b) Fahrlässigkeit nach U.S. Recht – Negligence
Die Berufung auf Fahrlässigkeit - in der Regel geht es dabei um die Fahrlässigkeit des Herstellers - beruht auf dem Vorwurf, dass der Hersteller bei der Herstellung die erforderliche Sorgfalt außer Acht (Duty of Care) gelassen hat. Hierbei geht es in erster Linie um Design Defekte oder um Fehler im Herstellungsprozess (der gleiche Fehler tritt dann bei allen Produkten einer Serie auf). Der Design Defekt besteht bereits vor der eigentlichen Produktion, nur hat der Hersteller häufig keine Kenntnis von dem Design Defekt und betroffen sind ebenfalls alle Produkte der gleichen Linie.
c) Verschuldensunabhängige Haftung nach U.S. Recht – Strict Liability
Trotz der in der Eingangsbemerkung erwähnten Unterschiede zum Produkthaftungsrecht der einzelnen Staaten, kennen alle Bundesstaaten eine verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers für Schäden, die aufgrund von Konstruktions- und Herstellungsfehlern des Produktes (Manufacturing Defect oder Design Defect) entstanden sind oder durch das Versäumnis des Herstellers, vor produktspezifischen Gefahren zu warnen. Es ist möglich, dass die gleichen Produktfehler zu Ansprüchen wegen Fahrlässigkeit, Breach of Warranty und Strict Liability dienen. So gilt zum Beispiel in manchen Staaten bei einem Versäumnis, vor bestimmten Gefahren zu warnen, dass ein Anspruch wegen fahrlässigen Unterlassens vor eben genau diesen Gefahren zu warnen, besteht, gleichzeitig kann im Rahmen der strict libaility der Produktfehler in dem Versäumnis, zu warnen, bestehen sowie ein Gewährleistungsfall vorliegen, weil das Produkt aufgrund des Fehlers, vor bestimmten Gefahren nicht gewarnt zu haben, nicht zum normalen Gebrauch geeignet ist (fit for its ordinary use).
d) Falsche Darstellung nach U.S. Produkthaftungsrecht – Misrepresentation
Eine “Falsche Darstellung” im Sinne des U.S. Produkthaftungsrechts liegt immer dann vor, wenn wesentliche Tatsachen in Rahmen der Produktwerbung oder Produktinformationen auf Verpackungen, auf dem Etikett etc. in Bezug auf die Qualität oder Verwendung des Produkts falsch dargestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass falsche Darstellungen entweder fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt sein können. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Hersteller nicht die Absicht hatte das Produkt falsch darzustellen. Vorsatz ist gegeben, wenn der Hersteller oder Verkäufer eines Produkts die Absicht hatte, den Verbraucher über die Sicherheit, Wirksamkeit oder Qualität des Produkts irrezuführen. Die Feststellung einer vorsätzlichen Falschdarstellung ist jedoch selten, da eine solche Absicht des Herstellers oder Verkäufers nur schwer zu beweisen ist.
e) Wer trägt die Beweislast nach U.S. Produkthaftungsrecht?
Die Beweislast für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen liegt grundsätzlich beim Kläger selbst, der beweisen muss, dass der erlittene Schaden tatsächlich in einem kausalen Zusammenhang mit einem Fehler des Produkts steht. Nach U.S. Recht hat der Kläger das Recht auf das sog. „discovery“. Dies ist ein sehr umfangreiches Beweisverfahren, bei welchem der Kläger u.a. die Offenlegung von teils auch vertraulichen Unterlagen von dem beklagten Unternehmen verlangen kann, wenn dies für die Beweisfindung dienlich sein könnte.
f) Wie können die allgemeinen Produkthaftungsrisiken auf dem U.S. Markt vermieden bzw. minimiert werden?
Die Produkthaftung des Herstellers für strict liability und negligence kann nach U.S. Produkthaftungsrecht weder vertraglich ausgeschlossen werden noch auf Zwischenhändler oder Vertriebsgesellschaften verlagert werden. Anspruchsberechtigt sind alle Personen, die aufgrund eines fehlerhaften Produkts geschädigt worden sind, unabhängig davon, ob zwischen dem Hersteller des Produktes und dem Geschädigten ein Rechtsverhältnis bestand oder erwartet werden konnte. Dabei haften Unternehmen auch für die Fahrlässigkeit von Mitarbeitern oder Dritten, wie Lieferanten oder Subunternehmern, die unter der Aufsicht des Herstellers stehen.
Folgende Maßnahmen helfen dabei ein Produkthaftungsrisiko in den USA zu minimieren:
- Unbedingte Einhaltung von Standards und Vorschriften, die von lokalen und nationalen U.S.-Behörden anerkannt und vorgeschrieben sind;
- Ausgeprägte und nachweisbare Qualitätskontrollen im Produktionsprozess (z.B. ist eine ISO-Zertifizierung im Falle einer Produkthaftungsklage für die Verteidigung bei Gericht sehr nützlich);
- Anbringung von Etiketten, Warnzeichen, Hinweisen unmittelbar am Produkt, sofern dies möglich ist, wobei darauf geachtet werden sollte, dass es lesbar und verständlich ist und evtl. auch in weiteren Sprachen verfügbar – daher auch Hinweise in Form von Zeichen/ Grafiken bzw. evtl. auch auf Spanisch empfehlenswert. Die Etiketten müssen auch im Fall von privaten Wiederverkäufen sichtbar sein.
- Bei erklärungsbedürftigen Produkten empfiehlt sich die Durchführung von Schulungen für den Abnehmer bzw. das Verkaufspersonal bzw. die Abhaltung derartiger Schulungen vorzuschreiben;
- Möglichst genaue und lückenlose Dokumentation aller getroffenen Maßnahmen;
- Erstellung und Erprobung eines Notfallplanes im Falle von Rückholaktionen.
Eine weitere Möglichkeit für Unternehmen, sich abzusichern, bieten Produkthaftungsversicherungen. Allerdings muss hierbei bedacht werden, dass diese nicht gegen „punitive damages“ versichern. Versichert werden aber meist die mit einem Produkthaftungsverfahren anfallenden Kosten. Wenn eine Produkthaftungsversicherung abgeschlossen wird, dann sollte dies nach Möglichkeit bei einem U.S.-amerikanischen Versicherungsmakler („insurance broker“) erfolgen, sofern man eine Tochtergesellschaft in den USA hat.
g) Welches sind die nach U.S. Recht möglichen Einreden eines Herstellers im Fall einer Klage wegen Produkthaftung?
Die möglichen Verteidigungsmöglichkeiten eines Herstellers im Fall einer Klage wegen Produkthaftung sind unter anderem, die folgenden:
- State of the Art: Das Produkt entsprach dem letzten Stand der Technik und Sicherheit;
- Der Geschädigte übernahm das Risiko, welches zu dem Schaden führte;
- Mitverschulden (wichtig bei Fällen von „Negligence“);
- Fehlende Kausalität (wichtig bei Fällen von „Negligence“);
- Der Geschädigte verwendete das Produkt in einer unsachgemäßen oder unvorhergesehenen Weise,
- Das Produkt wurde in einer Weise verändert oder verarbeitet, die den ursprünglichen Zustand des Produkts erheblich veränderte.
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Stand der Bearbeitung: Juli 2023