Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in Ägypten
CBBL Rechtsanwalt in Ägypten, Dr. Christian Ule, Kanzlei MIDEAST | Law
Dr. Christian Ule
Rechtsanwalt und Advocate (DIFC, Dubai)
MIDEAST | Law, Kairo


Kündigung von Arbeitsverträgen in Ägypten nach der Arbeitsrechtsreform 2025

Veröffentlicht am 10.09.2025

Von unseren deutschsprachigen CBBL-Anwälten in Kairo, Herrn Rechtsanwalt Dr. Christian Ule, ule@cbbl-lawyers.de, und Frau Rechtsanwältin Sophie Greiner, s.greiner@cbbl-lawyers.de, Tel. +20 - 2 - 239 143 44, mideastlaw.de

sowie ref. iur. Jana Hahn

Der ägyptische Gesetzgeber hat mit Gesetz Nr. 14 aus 2025 (nachfolgend: „Neues Arbeitsgesetz“) Vorschriften erlassen, die sich unter anderem auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Ägypten auswirken.

Mit der Reform verfolgt die ägyptische Regierung das Ziel, die Durchsetzbarkeit der Rechte der Arbeitnehmer zu stärken. 
Zu diesem Zweck wurden präzisere gesetzliche Definitionen, neue Formvorschriften, eine institutionalisierte Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie ein leichter zugänglicher Rechtsschutz eingeführt. Nachstehend möchten wir die neuen Regelungen des Arbeitsrechts in Ägypten näher erläutern.

1. Unterscheidung zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen in Ägypten

Das Neue Arbeitsgesetz unterscheidet weiterhin zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen.

1.1. Ein Arbeitsverhältnis gilt als unbefristet, wenn

  • kein schriftlicher Vertrag vorliegt oder
  • im schriftlich abgeschlossenen Vertrag weder Laufzeit des Vertrages noch Enddatum bestimmt sind oder
  • der Arbeitnehmer bei Vorliegen eines vereinbarten Enddatums des Vertrags auch nur einen Tag nach dem vertraglich vereinbarten Enddatum weiterarbeitet, ohne dass ein neuer (schriftlicher befristeter) Arbeitsvertrag geschlossen wird.

1.2. Ein befristeter Arbeitsvertrag liegt in Ägypten vor, wenn der schriftliche Arbeitsvertrag ein konkretes Enddatum aufführt.

Neuerung: Ausländische Beschäftigte können künftig ebenfalls in Ägypten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis angestellt werden – bislang war für sie lediglich ein befristetes Arbeitsverhältnis möglich.

2. Neue Formvorschriften für schriftliche Arbeitsverträge in Ägypten

Arbeitgeber in Ägypten müssen beim Abschluss eines Arbeitsvertrages künftig vier Originalexemplare ausfertigen, unterzeichnen und wie folgt jeweils 1 Originalexemplar an diese Personen/ Stellen verteilen:

  • an den Arbeitnehmer,
  • an die ägyptische Sozialversicherung,
  • an das zuständige ägyptische Arbeitsamt und
  • ein Exemplar verbleibt beim Arbeitgeber.

Verträge dürfen zweisprachig abgefasst sein; rechtsverbindlich und bei Auslegungsstreitigkeiten maßgeblich ist jedoch ausschließlich die arabische Fassung.

3. Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Befristungsablauf oder Kündigung)

3.1. Befristeter Arbeitsvertrag in Ägypten

  • Das Arbeitsverhältnis endet gem. Art. 154 Neues Arbeitsgesetz grundsätzlich mit Ablauf der vereinbarten Frist. Der Arbeitnehmer darf jedoch nach der Frist nicht weiterarbeiten, ansonsten fingiert das neue Arbeitsgesetz einen stillschweigenden Schluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Einer Erklärung über die Nichtverlängerung seitens des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers bedarf es indes nicht. Für die Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses ist mithin das fristgerechte tatsächliche Ausscheiden des Arbeitnehmers erforderlich.
  • Art. 154 Neues Arbeitsgesetz verschafft zudem ein neues ordentliches Kündigungsrecht für Arbeitnehmer mit langer Betriebszugehörigkeit: Vor Ablauf der vereinbarten Frist dürfen Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag nach fünf Jahren Betriebszugehörigkeit mit Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist kündigen, ohne Gründe angeben zu müssen und ohne eine Entschädigung für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Betrieb an den Arbeitgeber zahlen zu müssen.
  • Arbeitgeber dürfen hingegen weiterhin den befristeten Arbeitsvertrag vor Ablauf der vereinbarten Frist nur aus wichtigem Grund (außerordentlich und ohne Einhaltung einer Frist) kündigen (Art. 148 Neues Arbeitsgesetz). Beendet der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag jedoch unrechtmäßig, das heißt ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes vorzeitig, schuldet er dem Arbeitnehmer
    • eine Abfindung in Höhe eines Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr sowie
    • Schadenersatz für den Zeitraum der noch verbliebenen Vertragslaufzeit.

Diese Regelung schützt Arbeitnehmer mit mehrfach befristeten Verträgen und soll Anreize für Arbeitgeber schaffen, nicht leichtfertig zu kündigen.

3.2. Unbefristeter Arbeitsvertrag in Ägypten

a. Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitnehmer

Ordentliche Kündigung: 
Im Gegensatz zum alten ägyptischen Arbeitsgesetz (Art. 111 Gesetz Nr. 12 aus 2003), das bei unbefristeten Verträgen die Kündigungsfrist nach der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers differenzierte, sieht das Neue Arbeitsgesetz eine einheitliche Kündigungsfrist von drei Monaten vor. Das heißt, die Dauer des Arbeitsverhältnisses ist nach der neuen Gesetzeslage unerheblich.

Fristlose Kündigung:
Der Arbeitnehmer darf den ägyptischen Arbeitsvertrag fristlos kündigen, wenn der Arbeitgeber beispielsweise

  • den Lohn nicht zahlt,
  • den Arbeitnehmer körperlich angreift oder bedroht oder
  • offensichtlich unsichere Arbeitsbedingungen duldet.

Eine rechtmäßige fristlose Kündigung durch den Arbeitnehmer ist nach Art. 168 Neues Arbeitsgesetz bezüglich ihrer Rechtsfolgen wie eine rechtswidrige Kündigung durch den Arbeitgeber im Sinne des Art. 165 Neues Arbeitsgesetz zu behandeln. Das hat zur Folge, dass zugunsten des Arbeitnehmers, der sein Recht zur fristlosen Kündigung ausübt, sämtliche Entschädigungsansprüche nach Art. 165 Neues Arbeitsgesetz gegen den Arbeitgeber entstehen.

b. Formerfordernisse und Widerrufsrecht bei der arbeitnehmerseitigen Kündigung in Ägypten

Die Kündigung (engl. resignation) muss künftig vom Arbeitnehmer schriftlich erklärt und zusätzlich vom zuständigen ägyptischen Arbeitsamt beglaubigt werden. Damit will der ägyptische Gesetzgeber verhindern, dass Arbeitgeber sich bereits bei Vertragsschluss vorsorglich eine undatierte Kündigungserklärung des Arbeitnehmers aushändigen lassen – eine Praxis, die in der Vergangenheit durchaus vorkam.

Reagiert der Arbeitgeber innerhalb von zehn Tagen nach Zugang der Kündigungserklärung nicht, gilt die Kündigung als angenommen.

Innerhalb derselben Zehn-Tage-Frist kann der Arbeitnehmer seine Kündigung schriftlich widerrufen, wobei der Widerruf ebenfalls in beglaubigter Form erfolgen muss.

c. Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber aus „wirtschaftlichen Gründen“

Nach dem Neuen Arbeitsgesetz ist eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen (vergleichbar mit der sog. betriebsbedingten Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG) unter strengen formellen und materiellen Voraussetzungen zulässig. Die rechtliche Grundlage hierfür bilden die Artikel 236 bis 241 des Neuen Arbeitsgesetzes.

Gemäß Artikel 236 ist der Arbeitgeber berechtigt, den Betrieb ganz oder teilweise zu schließen oder dessen Größe bzw. Tätigkeit zu verringern, sofern wirtschaftliche Gründe vorliegen. Diese Maßnahmen können sich temporär oder dauerhaft auf die Belegschaft auswirken und müssen im Einklang mit den gesetzlich festgelegten Verfahren erfolgen.

Zentral ist dabei das Genehmigungsverfahren nach Artikel 237: Der Arbeitgeber muss einen detaillierten Antrag bei einem eigens eingerichteten staatlichen Ausschuss stellen.

Dieser Antrag muss die wirtschaftlichen Gründe, die geplanten Maßnahmen sowie die betroffenen Arbeitnehmergruppen enthalten. Der Ausschuss entscheidet innerhalb von 45 Tagen.

Bleibt die Entscheidung aus, gilt der Antrag als stillschweigend genehmigt. Gegen die Entscheidung kann Berufung eingelegt werden, die eine aufschiebende Wirkung hat. Allerdings trifft das Arbeitsgesetz noch keine genaueren Regelungen, für welche Fälle der staatliche Ausschuss zuständig ist. Art. 237 gibt dazu lediglich folgendes vor: „Der Premierminister erlässt eine Entscheidung zur Bildung der beiden in diesem Artikel genannten Ausschüsse, legt deren Zuständigkeiten, die von ihnen vertretenen Einrichtungen, die vor ihnen zu befolgenden Verfahren sowie die Einspruchsverfahren und Fristen fest. Der Ausschuss muss einen Vertreter der betroffenen Gewerkschaftsorganisation und einen Vertreter der betroffenen Arbeitgeberorganisation umfassen, die jeweils von den Organisationen benannt werden“. Damit steht bisher nicht fest, ab welcher Betriebsgröße das Verfahren stattfinden soll.

Artikel 238 verpflichtet den Arbeitgeber, sowohl die Arbeitnehmer als auch die zuständige Gewerkschaftsorganisation über den Antrag und die Entscheidung zu informieren. Die Umsetzung erfolgt ab dem vom Ausschuss festgelegten Zeitpunkt.

Besondere Bedeutung kommt Artikel 239 zu, wenn keine tarifvertraglichen Auswahlkriterien für die zu entlassende Arbeitnehmer bestehen. In diesem Fall muss der Arbeitgeber die Gewerkschaft konsultieren. Als Orientierung dienen Kriterien wie Dienstalter, familiäre Verpflichtungen, Alter sowie berufliche Qualifikationen. Der zuständige Minister legt die verbindlichen Auswahlkriterien fest. Artikel 240 schränkt das Kündigungsrecht weiter ein: Während kollektiver Arbeitskonflikte oder Streiks ist ein Antrag auf Schließung oder Verkleinerung des Betriebs unzulässig.

Alternativ zur Kündigung kann der Arbeitgeber gemäß Artikel 241 die Vertragsbedingungen vorübergehend ändern, etwa durch Aufgabenverlagerung oder Gehaltskürzung (nicht unter Mindestlohn). Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall aber das Recht zur fristlosen Kündigung, die als gerechtfertigt gilt. Unabhängig davon steht ihm eine Abfindung zu: ein Monatslohn pro Dienstjahr für die ersten fünf Jahre und eineinhalb Monatslöhne für jedes weitere Jahr.

Diese Regelungen zeigen, dass wirtschaftlich bedingte Kündigungen in Ägypten einem klar strukturierten Verfahren unterliegen, das sowohl die Interessen des Arbeitgebers als auch den Schutz der Arbeitnehmer berücksichtigt.

d. Abfindung bei der Kündigung des Arbeitsvertrags in Ägypten durch den Arbeitgeber

Der gekündigte Arbeitnehmer hat in Ägypten Anspruch auf folgende Beträge:

  • 1 Monatsgehalt pro Dienstjahr für die ersten fünf Jahre der Betriebszugehörigkeit,
  • 1,5 Monatsgehälter pro Dienstjahr ab dem sechsten Jahr der Betriebszugehörigkeit.

Kündigt der Arbeitnehmer, weil er nach einer Umstrukturierung unter wesentlich veränderten Bedingungen arbeiten müsste, besteht derselbe Anspruch zugunsten des Arbeitnehmers.

Mit dem Neuen Arbeitsgesetz soll eine effektivere Durchsetzung der Arbeitnehmeransprüche erreicht werden. Art. 185 Neues Arbeitsrecht sieht die Einrichtung spezialisierter Rechtshilfeämter innerhalb der Arbeitsgerichte (engl.: Labour Aid Office in Egyptian Labour Courts) in Ägypten vor. Diese Rechtshilfe soll Arbeitnehmer nicht nur über ihre Rechte informieren, sondern ihnen auch bei der gerichtlichen Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen zur Seite stehen. Folglich ist damit zu rechnen, dass künftig häufiger und zügiger über Entschädigungsansprüche gerichtlich entschieden wird.

e. Rechte des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist

Arbeitnehmer dürfen während der Kündigungsfrist einen Tag pro Woche (oder bis zu acht Stunden) für anderweitige Bewerbungen freinehmen.

Kündigt der Arbeitgeber vorzeitig und verzichtet er auf die Weiterbeschäftigung bis Ablauf der Kündigungsfrist (Freistellung des Arbeitnehmers in Ägypten), muss der Arbeitgeber den vollen Lohn während der verbleibenden vertraglichen Laufzeit bis zur Kündigungsfrist zahlen, so als hätte der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet. Denn gemäß Artikel 163 des Neuen Arbeitsgesetzes behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf volle Vergütung während der Kündigungsfrist, auch wenn der Arbeitgeber ihn von der Arbeitsleistung freistellt, etwa durch die Anordnung von Urlaub. Demnach behandelt das Gesetz die Kündigungsfrist als integralen Bestandteil der Dienstzeit des Arbeitnehmers, und die Verpflichtungen des Arbeitgebers während dieser Zeit bleiben durchsetzbar, vgl. Art. 164 Neues Arbeitsgesetz.

Wenn der Arbeitnehmer jedoch auf die Kündigungsfrist verzichtet, gibt er seinen Anspruch auf die entsprechenden Lohnzahlungen auf. So führt eine Einigung zur sofortigen Vertragsauflösung dazu, dass das Arbeitsverhältnis mit dem tatsächlichen Austritt endet und der Arbeitnehmer damit auch keinen Anspruch auf weitere Lohnfortzahlung hat.

3. Arbeitsrechtliches Diskriminierungsverbot in Ägypten

Unzulässig sind weiterhin Kündigungen durch den Arbeitgeber wegen:

  • Rasse, Geschlecht, Familienstand, Schwangerschaft, Religion oder politischer Meinung,
  • Gewerkschaftszugehörigkeit oder -tätigkeit,
  • Ausübung des Amtes als Arbeitnehmervertreter oder Kandidatur dafür,
  • Anbringen von Beschwerden oder Erheben von Klagen gegen den Arbeitgeber.

4. Überblick über die Abfindungen bei der Beendigung des Arbeitsvertrages in Ägypten

Vertragstyp Kündigungsart Entschädigungsanspruch
Befristet Vorzeitige rechtswidrige Kündigung Pro Jahr der Betriebszugehörigkeit beträgt der Anspruch ein Monatsgehalt zuzüglich Abfindungszahlung, die gemäß den noch verbleibenden Vertragsmonaten errechnet wird.
Unbefristet Rechtswidrige Kündigung Zwei Monatsgehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit.
Betriebsbedingte Kündigung 1 Monatsgehalt pro Jahr für die ersten fünf Jahre zuzüglich 1,5 Monatsgehälter pro Jahr für jedes weitere Jahr der Betriebszugehörigkeit.

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