Öffentliche Auftragsvergabe in Ägypten
Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Kairo, Herrn Rechtsanwalt Dr. Christian Ule, ule@cbbl-lawyers.de, Tel. +20 - 2 - 239 143 44, mideastlaw.de
Das öffentliche Beschaffungswesen ist einer der wichtigen Eckpfeiler der ägyptischen Wirtschaft. Aufgrund der Größe (Beschäftigung 25% aller Erwerbstätigen) und finanziellen Ausstattung der öffentlichen Verwaltung kommt ihr ein wichtiger Stellenwert bei der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr zu. Aufgrund der angeschlagenen Wirtschaft nach den politischen Turbulenzen wirbt die Regierung wieder verstärkt um ausländische Teilhabe. Das Gesetz Nr. 182 aus dem Jahre 2018 (nachfolgend das „Gesetz“ genannt) über die öffentliche Auftragsvergabe, an welchem die Regierung 19 Jahre lang gearbeitet hat, ersetzt das Gesetz Nr. 89 aus dem Jahre 1998 über öffentliche Ausschreibungen.
Um die gerichtliche Inanspruchnahme durch Investoren zu reduzieren, welche Vergabeentscheidungen bislang überwiegend klageweise angegriffen haben, normiert Artikel 5 des Gesetzes, dass Beschwerden wegen der Verletzung des Gesetzes und dessen Ausführungsbestimmungen nunmehr unmittelbar an die bei dem Finanzministerium angegliederte Beschwerdestelle für öffentliche Ausschreibungen zu richten sind. Diese ist anschließend zur gebührenfreien Überprüfung berufen, wenn und soweit eine solche keine technische Expertise erfordert. Die Entscheidung durch die Beschwerdestelle, die innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt der Beschwerde zu ergehen hat, ist für die an dem Rechtsstreit Beteiligten bindend, obschon letzteren weiterhin der Rechtsweg zu den Gerichten offensteht.
Artikel 7 des Gesetzes normiert, dass Kauf- oder Mietverträge über bewegliche Güter oder Grundstücke, Geschäftsverträge / Unternehmensverträge sowie Verträge über den Erhalt von Dienstleistungen im Regelfall der öffentlichen Ausschreibung unterliegen. Aus sachlichen Gründen kann von der zuständigen Behörde eine Ausnahme dahingehend zugelassen werden, dass die Vergabestelle den Vertragsschluss auf eine der folgenden sechs Arten durchführt:
- Sammelausschreibung;
- begrenzte Ausschreibung;
- begrenztes Bieterverfahren;
- zweistufiges Bieterverfahren;
- lokales Bieterverfahren, und
- Direktvereinbarung.
In besonderen Fällen, in denen die Durchführung eines Ausschreibeverfahrens nicht zumutbar ist, können die Behörden auch direkt mit einem Unternehmen Verträge bis zu einem bestimmten Auftragsvolumen abschließen (engl.: direct agreement). Insbesondere sind das Verteidigungsministerium und das Ministerium für militärische Produktion nicht zwingend an die gesetzlichen Ausschreibungsverfahren gebunden. Darüber hinaus profitieren Ausschreibungen des Militärs nicht selten von Steuerbefreiungen und anderen finanziellen Begünstigungen.
Die Verwaltungsbehörde ist grundsätzlich verpflichtet, die Vergabebedingungen und -spezifikationen auf einem frei zugänglichen Vergabeportal im Internet zu veröffentlichen. Dort sind Informationen zu den von Verwaltungsträgern durchgeführten Verträgen enthalten, mit Ausnahme derer, die im Interesse der nationalen Sicherheit nach Einschätzung der zuständigen Behörde einer Veröffentlichung nicht zugänglich sind. Im Falle von Vertragsschlüssen im Wege der öffentlichen Ausschreibung, im Zuge der Verwaltungspraxis, im Wege öffentlichen Bieterverfahrens oder beim Aufgebotsverfahren durch Einreichung verschlossener Umschläge muss das Ergebnis einmalig in einer der führenden Tageszeitungen bekannt gemacht werden. Zugleich wird es in internationalen Zeitungen publik gemacht und die Botschaften und Konsulate berichten darüber. Artikel 37 des Gesetzes statuiert die Pflicht zur Annullierung der Ausschreibung oder jeder vergleichbaren Praxis noch vor der betreffenden Entscheidung, wenn eine solche entbehrlich ist oder das öffentliche Interesse eine Annullierung erfordert. Eine Annullierung hat gleichermaßen zu erfolgen im Falle von Korruption, einer Monopolstellung oder bei kollusivem Zusammenwirken oder sonstigen betrügerischen Praktiken der Bieter.
Gemäß Artikel 38 des Gesetzes hat bei Versteigerungen bei Vorliegen der vorbezeichneten Gründe eine Annullierung noch vor dem Zuschlag aus den gleichen, vorbezeichneten Gründen zu erfolgen.
Das Verfahren zur Auftragsvergabe gliedert sich in der Regel in das vorvertragliche Verfahren, die Bewertung der Angebote, und das sich hieran anschließende vertragliche Verfahren, in welchem der Zuschlag erfolgt und der Vertrag unterzeichnet wird.
Bieter haben ihr Angebot in zwei verschiedenen Umschlägen bei der zuständigen Behörde einzureichen, mit dem ersten Umschlag, der einmal ausschließlich das technische Angebot zu enthalten hat und dem zweiten, der das Preisangebot mit Berechnung enthält. Weiter ist erforderlich, eine vorübergehende Sicherheit, üblicherweise in bar oder in Form einer Bankgarantie auf erstes Anfordern, selten auch durch Scheck, zu hinterlegen. Bei beweglichen Gütern, Geschäftsverträgen / Unternehmensverträgen, dem Erhalt von Dienstleistungen, technischen Arbeiten sowie Beratungsstudien richtet sich die Höhe nach dem Gegenstand und dem Wert des fraglichen Auftrags, darf indes den Betrag in Höhe von 1,5 % des zu erwartetenden Wertes nicht übersteigen. Betreffend den Kauf oder die Miete von Grundstücken darf die Höhe der vorübergehend zu hinterlegenden Sicherheit den Betrag von 0,5 % des zu erwartetenden Wertes nicht übersteigen.
Teilnehmende Konsortien sollten außerdem eine Kopie des Konsortiumvertrages zusammen mit dem Angebot einreichen.
Ein bei der ausschreibenden Behörde zuständiges Komitee wertet die Gebote aus. Hierbei wird zuerst der Umschlag mit den technischen Spezifikationen geöffnet. Soweit diese erfüllt sind, erfolgt in einem zweiten Schritt die Öffnung des Umschlages mit dem finanziellen Angebot. Die Evaluierung erfolgt grundsätzlich in zwei Sitzungen, an denen die Bewerber teilnehmen können. Der Zuschlag erfolgt durch Auswahlkomitee. Die ausgewählten Kandidaten hinterlegen sodann binnen 10 Tagen (bei ausländischen Bietern binnen 20 Tagen) die endgültige Bietergarantie in Höhe von 5% des Vertragswertes, welche nach Abschluss des Vorhabens und Ablauf der Garantieperiode wieder freigegeben wird. Mit Zustimmung der zuständigen Behörde kann eine Nachfrist gewährt werden, die zehn Werktage nicht überschreiten darf.
Bei der Auswahl werden ägyptische Bieter insoweit privilegiert, als ihr Gebot bevorzugt wird, soweit es nicht mehr als über 15% über dem ausländischen Angebot liegt. Neben dieser alten Regelung ist seit 2015 das neue Gesetz Nr. 5 aus dem Jahre 2015 über die Bevorzugung ägyptischer Produkte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (GBäP) getreten. Es verpflichtet die öffentliche Verwaltung bei Ausschreibungen von Bauprojekten und Einkäufen zu beachten, dass der einheimische industrielle Anteil 40% der Projektkosten beträgt. Mit dem Gesetz ist beabsichtigt, ägyptische Hersteller zu fördern. Hierzu gibt es jedoch wieder zahlreiche Ausnahmen. So sind beispielsweise Verträge mit dem Verteidigungs- und Innenministerium hiervon ausgenommen. Auch Großprojekte, welche die Regierung über PPP-Verträge abwickelt, fallen nicht hierunter. Beim Einkauf von Industrieprodukten bindet es ebenfalls nur die öffentliche Verwaltung, nicht jedoch Personen des Verwaltungsprivatrechts, wie z.B. staatseigene Unternehmen.
Das vertragliche Verfahren beginnt mit der Annahmeentscheidung des zuständigen öffentlichen Trägers und der Unterzeichnung des Verwaltungsvertrages. Für Streitigkeiten über Verwaltungsverträge ist neben der Durchführung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, auch die Streitschlichtung durch ein nationales oder internationales Schiedsgericht zulässig. Einseitige Vertragsänderungen oder -beendigungen durch den öffentlichen Träger sind nur in absoluten Ausnahmefällen, und nur aufgrund eines öffentlichen Interesses, zulässig oder, wenn der Auftragnehmer seinen Leistungspflichten nicht nachkommt. Das vorvertragliche Verfahren wird ausschließlich durch verwaltungsrechtliche Entscheidungen reguliert. Für Beschwerden hierüber sind ausschließlich die ägyptischen Verwaltungsgerichte zuständig.
Für den Fall, dass das ausführende Unternehmen nicht vertragsgemäß leistet, fallen Strafgebühren an. Für Bauverträge bis zu 10% und für Liefer- und Beratungsverträge bis zu 3% des Auftragsvolumens. Bei einer erheblichen Pflichtverletzung hat die Behörde außerdem das Recht, das Auftragsverhältnis zu beenden und den Auftrag durch ein anderes Unternehmen auf Kosten des ursprünglichen Auftragnehmers ausführen zu lassen.
In dem Fall, dass das Vorhaben durch ein Ereignis höherer Gewalt nicht weiter ausgeführt werden kann, kommt es in der Regel zu einer Beendigung des Auftragsverhältnisses. Die Parteien können jedoch auch zunächst nur die vorübergehende Aussetzung des Vertrages vereinbaren, sollte es sich um ein nur temporäres Ereignis handeln.
Öffentliche Ausschreibungen für PPP-Projekte sind in einem gesonderten Gesetz, dem Public-Private-Partnership Gesetz Nr. 67 aus dem Jahre 2010 geregelt. Hiernach übernimmt das zentrale PPP-Komitee die führende Rolle zum Erlass der Richtlinien für PPP-Projekte und der Entwicklung nationaler Mechanismen, sowie der Aufsicht und Führung von PPP-Projekten.
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Stand der Bearbeitung: März 2023