Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in Ägypten
CBBL Rechtsanwalt in Ägypten, Dr. Christian Ule, Kanzlei MIDEAST | Law
Dr. Christian Ule
Rechtsanwalt und Advocate (DIFC, Dubai)
MIDEAST | Law, Kairo


Technologietransfer in Ägypten

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Kairo, Herrn Rechtsanwalt Dr. Christian Ule, ule@cbbl-lawyers.de, Tel. +20 - 2 - 239 143 44, mideastlaw.de

I. Einleitung

Das neue ägyptisches Handelsgesetzbuch (im folgenden: HGB), welches am 1. Oktober 1999 in Kraft getreten ist und das ägyptische Handels- und Insolvenzrecht von Grund auf reformiert, regelt erstmalig den Technologietransfer als besonderen Vertragstypus. Ägypten ist in hohem Maße auf ausländische Expertise, Technik und Know-how angewiesen und dementsprechend besteht aus ägyptischer Sicht ein (entwicklungs-) politisches Interesse daran, den (marktschwächeren) Importeur vor vertraglichen Beschränkungen beim Gebrauch und der Verwertung ausländischer Technologie zu schützen.

II. „Technologietransfer“: Der Rechtsbegriff

Was ist genau unter dem Rechtsbegriff „Technologietransfer“ zu verstehen? In Artikel 73 HGB wird der Begriff „Technologie“ weniger definiert als vielmehr schon vorausgesetzt:

„Technologietransfervertrag ist jeder Vertrag, auf dessen Grundlage ein Technologiegeber gegen Entgelt verspricht, technische Informationen an einen Technologienehmer zu liefern, so dass er sie mittels eines besonderen technischen Verfahrens für die Produktion oder Entwicklung bestimmter Güter oder die Montage oder die Bearbeitung von Materialien oder Geräten oder für die Erbringung von Dienstleistungen benutzt. Der bloße Kauf, Verkauf oder die Miete oder Vermietung von Gütern gilt nicht als Technologietransfer. Gleiches gilt für den Verkauf von Handelsmarken oder Handelsnamen oder die Konzession, sie zu benutzen, es sei denn, dies erfolgt als Teil eines Technologietransfervertrages oder ist mit ihm verbunden.“

Die positive Umschreibung von „Technologietransfer“ als Vertrag über die Lieferung „technischer Informationen“ wird auch nicht dadurch viel klarer, dass die Informationen der „Produktion, Entwicklung etc. von Gütern“ dienen müssen bzw. „Dienstleitungen“ zum Gegenstand haben. Auch die negative Abgrenzung gegenüber bloßen Kauf- und Mietverträgen, die nicht als Technologietransfer zu qualifizieren sind, klärt das schemenhafte Bild nur an den Rändern. „Technologie“ (-transfer) ist im ägyptischen Recht ein unpräziser Begriff, der seine Konturen erst durch Gerichte finden muß.

Bei aller Vorsicht ist jedoch zu vermuten, dass Lizenzverträge, alle Arten von Verträgen über die entgeltliche Veräußerung von technischer Hilfe und „Know-how“ (Dienst- und Werkverträge, Franchiseverträge) unter den Technologiebegriff des Art. 73 HGB fallen.

In Zukunft müssen deutsche Unternehmen damit rechnen, dass Kooperationen mit ägyptischen Unternehmen, die über reine Kauf- oder Mietgeschäfte hinausgehen, weitgehend dem neuen Recht des Technologietransfers unterfallen.

III. Inhaltskontrolle

Nach dem neuen Recht hat jede Partei eines Technologietransfervertrages alle fünf Jahre seit Abschluß ein (unabdingbares) Kündigungsrecht. Vor allem bei nicht schutzrechtsfähiger Technologie wie bloßem „Know-how“ gibt das ägyptische Handelsgesetzbuch dem Technologienehmer die Möglichkeit, nach einer Einarbeitungsphase die Technologie selbständig zu verwerten, gegebenenfalls auch entgegen einer anderslautenden vertraglichen Vereinbarung. Aber auch sonst kann der Technologienehmer die erhaltene Technologie grundsätzlich nach seinem Gusto verwenden, einschränkende Vereinbarungen in Verträgen sind neuerdings anfechtbar.

In Technologietransferverträgen sind folgende (nicht abschließend gemeinte) vertragliche Beschränkungen anfechtbar (Art. 75 Abs. I S. 2 HGB):

a) das Einverständnis des Technologienehmers mit Verbesserungen der Technologie und Erhöhung ihres Wertes;

b) das Verbot, die Technologie zu verbessern oder zu verändern, um sie an die örtlichen Gegebenheiten oder an den Betrieb des Importeurs anzupassen. Ferner das Verbot andere Technologie zu erwerben, die der im Vertrag bezeichneten Technologie ähnelt oder mit ihr im Wettbewerb steht;

c) die Vereinbarung, bestimmte Handelszeichen zur Kennzeichnung von mit der Technologie produzierten Gütern zu verwenden;

d) Beschränkungen der Produktionsmenge, des Verkaufspreises oder der Art und Weise wie sie vertrieben oder exportiert werden;

e) Vereinbarungen, die dem Technologiegeber das Recht geben, an der Leitung des Unternehmens des Technologienehmers oder der Einstellung von festen Mitarbeitern teilzuhaben;

f) die Verpflichtungen, für die Verwendung der Technologie erforderliche Rohstoffe, Materialien, Maschinen, Geräten oder Ersatzteile exklusiv vom Exporteur oder von bestimmten Unternehmen zu kaufen;

g) Vereinbarungen, die Produkte ausschließlich an den Technologiegeber zu verkaufen oder als Handelsvertreter beauftragt zu sein, an ihn oder ausschließlich an von ihm bestimmte Personen zu verkaufen.

Ausländische Technologiegeber wird der massive Eingriff in die Vertragsfreiheit nicht gefallen. Denn die allermeisten Technologietransferverträge enthalten genau jene Bestimmungen, die nach neuem Recht anfechtbar sind. In vielen Verträgen über die Veräußerung von „Know-how“, von Lizenzen oder Beratung und Management ist es z. B. üblich, das Absatzgebiet festzulegen, den Gebrauch von Lizenzen auf bestimmte Benutzungsarten zu beschränken, Produktionsquoten festzulegen oder Bezugspflichten des Technologienehmers zu vereinbaren.

Wer in Ägypten produzieren, aber die Kontrolle über die Verwendung seiner Technologie und die mit ihr produzierten Gütern behalten möchte, wird sich in Zukunft überlegen müssen, ob er nicht besser im Wege des „internen Technologietransfers“ vorgeht, d. h. eine eigene Produktionsstätte in Ägypten aufbaut bzw. ein Joint Venture mit einem ägyptischen Unternehmen eingeht, an dem er die Mehrheit hat. Im Unterschied zum Technologietransfervertrag mit einem fremden Unternehmen („externer Technologietransfer“) bliebe die Technologie beim internen Transfer innerhalb des Unternehmensverbandes des Technologiegebers und ihre Verwendung gesellschaftsrechtlich kontrollierbar.

Auch der ägyptische Gesetzgeber scheint letztlich Angst vor seiner Courage bekommen zu haben und hat in Art. 75 Abs. 2 HGB eine Hintertür geschaffen. Hiernach sind einschränkende Vereinbarungen ausnahmsweise wirksam, wenn sie den Schutz des Verbrauchers oder eines „wichtigen und rechtmäßigen“ Interesses des Technologiegebers bezwecken (Art. 75 Abs. 2 HGB). Freilich enthalten weder das HGB noch die Gesetzesprotokolle zum HGB Kriterien für die Abwägung zwischen dem Interesse des Technologiegebers und dem Technologienehmers.

IV. Anwendbares Recht

Wer meint, die unliebsamen ägyptischen Gesetzesvorschriften über den Technologietransfer dadurch zu umgehen, in dem er den Technologietransfervertrag deutschem Recht unterwirft und die Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbart, sei gewarnt. Für alle Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Technologietransfer stehen, gilt zwingend ägyptisches Recht, anderslautende Rechtswahlklauseln sind nichtig (Art. 87 Abs. 2 HGB).

Vor diesem Hintergrund wird auch Art. 72 Abs. 1 HGB verständlich, wonach die Vorschriften zum Technologietransfer auch dann Anwendung finden, wenn der Transfer nicht über die Grenzen Ägyptens hinausgeht, also rein national ist. Anderenfalls könnten die Vorschriften des Technologietransfers umgangen werden, indem die ägyptische Tochtergesellschaft eines ausländischen Unternehmens den Technologietransfervertrag schließt.

Die zwingende Geltung ägyptischen Sachenrechts ist internationalzivilprozessual durch Art. 87 Abs. 1 HBG abgesichert, wonach ägyptische (Schieds-)Gerichte für die Entscheidung in Technologietransfersachen ausschließlich zuständig sind.

V. Ergebnis:

Das neue ägyptische Handelsgesetzbuch löst den Interessenskonflikt zwischen den Parteien eines Technologietransfervertrags weitgehend zu Gunsten des Technologienehmers. Hingewiesen sei noch auf die strikte Produkthaftung des Technologietransfers oder die Verpflichtung, alle für die Produktion relevanten technischen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Ob das neue Recht seine entwicklungspolitische Ziele erreichen wird, mag die Zukunft zeigen. Auf alle Fälle wird ausländischen Technologiegebern die Entscheidung über einen externen Technologietransfer nicht leichter gemacht. Wer sich nicht darauf verlassen mag, dass der ägyptische Technologienehmer Beschränkungen bei der Verwendung der gelieferten Technologie nicht anficht, erhält durch das neue Recht einen zusätzlichen Anreiz, sich im Wege des internen Technologietransfers zu engagieren, etwa durch Gründung einer Tochtergesellschaft.

Sie haben weitere Fragen zum Technologietransfer in Ägypten? Sprechen Sie uns an!

Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt in Kairo, Herr Rechtsanwalt Dr. Christian Ule, berät Sie gerne: ule@cbbl-lawyers.de, Tel. +20 - 2 - 239 143 44


Stand der Bearbeitung: März 2023