Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in Italien
CBBL Avvocato, Equity Partner Christoph Jenny, Kanzlei Bureau Plattner, Mailand
Christoph Jenny
Avvocato, Equity Partner
Bureau Plattner
Mailand


Missbrauch einer wirtschaftlichen Abhängigkeit in Italien

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Mailand Herrn Avvocato Christoph Jenny, jenny@cbbl-lawyers.de, Tel. +39 02 250 607 60, www.bureauplattner.com


Das italienische Gesetz verbietet den Missbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit (abuso di dipendenza economica), der dann auftritt, wenn ein Unternehmen im Vergleich zu einem anderen (einem Lieferanten oder einem Kunden) über eine sehr starke Marktmacht verfügt. Dies ist sicherlich eine Besonderheit des italienischen Gesetzes, da es darauf abzielt, Missbräuche von Unternehmen zu bestrafen, die nach dem allgemeinen Wettbewerbsrecht keine marktbeherrschende Stellung innehaben. Die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen ist jedoch nicht besonders üblich, und ihre Auslegung ist oft umstritten.

  1. Was ist im italienischen Recht unter Missbrauch einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu verstehen?
  2. Wann kann man in Italien von einer wirtschaftlichen Abhängigkeit sprechen?
  3. Ab wann spricht man in Italien von einer missbräuchlichen Ausnutzung der Abhängigkeit?
  4. Kann ein solcher Missbrauch in Italien gerechtfertigt sein?
  5. Wie kann ich meine Rechte als Unternehmer in Italien durchsetzen?
  6. Welche Sanktionen drohen in Italien?
  7. Welches Recht ist anwendbar? Deutsches, italienisches oder europäisches Wettbewerbsrecht?
  8. Wie ist der Wortlaut der einschlägigen Vorschrift?

Antworten:

1. Was ist im italienischen Recht unter Missbrauch einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu verstehen?

In Italien liegt ein Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit vor, wenn ein Unternehmen in Beziehungen zu einem Kunden oder Lieferanten seine vertragliche Stärke unfair ausnutzt, sofern sich dieser in einer Situation wirtschaftlicher Abhängigkeit befindet.

2. Wann kann man in Italien von einer wirtschaftlichen Abhängigkeit sprechen?

Das italienischen Recht bejaht die wirtschaftliche Abhängigkeit, wenn das Unternehmen in der Lage ist, ein übermäßiges Ungleichgewicht der Rechte und Pflichten gegenüber Lieferanten oder Kunden zu erlangen. Die Feststellung, ob ein solcher Zustand vorliegt, erfolgt insbesondere unter der Berücksichtigung, ob das Missbrauchsopfer die Möglichkeit hätte, alternative Kunden/Lieferanten zu finden.

Wirtschaftliche Abhängigkeit tritt häufig in den so genannten Sublieferbeziehungen auf, bei denen eine Partei Waren unter Verwendung von Rohmaterialien herstellt, das von den Kunden zur Verfügung gestellt wird, oder Halbfertigprodukte liefert, die nach den Entwürfen/Know-how der Kunden hergestellt werden.

3. Ab wann spricht man in Italien von einer missbräuchlichen Ausnutzung der Abhängigkeit?

In Italien könnte ein Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit auf verschiedene Weise begangen werden, und es gibt keine erschöpfende Liste der missbräuchlichen Handlungen.

Das italienische Gesetz sieht einige Beispiele vor: Verkaufsverweigerung, Kaufverweigerung, Auferlegung ungerechtfertigt belastender oder diskriminierender Vertragsbedingungen, willkürliche Unterbrechung bestehender Geschäftsbeziehungen.

4. Kann ein solcher Missbrauch in Italien gerechtfertigt sein?

Es gibt keine spezifischen Rechtfertigungen für einen Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Bei der Beurteilung, ob ein Missbrauch vorliegt, werden jedoch immer alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt.

Wenn zum Beispiel einige von einer Gesellschaft verkaufte Waren aufgrund einer wirtschaftlichen Krisensituation plötzlich auf dem Markt unverkäuflich werden, kann eine Unterbrechung der damit verbundenen Rohstoffbestellungen von Halbfertigprodukten keinen Missbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit darstellen.

5. Wie kann ich meine Rechte als Unternehmer in Italien durchsetzen?

In Italien ist jede Vereinbarung, mit der ein Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit begangen wird, nichtig. Die Nichtigkeit kann vom Richter von Amts wegen oder von der betroffenen Partei geltend gemacht werden.

Das Opfer hat auch das Recht, Schadenersatz zu fordern sowie einstweilige Verfügungen und Unterlassungsverfügungen zu erwirken.

6. Welche Sanktionen drohen in Italien?

Theoretisch kann die italienische Wettbewerbsbehörde Missbräuche der wirtschaftlichen Abhängigkeit mit den für Verstöße gegen das Kartellrecht (Kartelle und Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) vorgesehenen Geldbußen sanktionieren, d.h. bis zu 10% des Jahresumsatzes.

Voraussetzung hierfür ist, dass der Missbrauch "für den Schutz des Wettbewerbs und des freien Marktes relevant ist". In einem solchen Fall würde die Behörde jedoch vernünftigerweise ein Verfahren wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung einleiten. Diese Art von Sanktionen wurde in der Tat noch nie auf wirtschaftliche Abhängigkeit angewendet.

Eine Sonderregelung gilt für Verstöße gegen nationale Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie 2011/7/EU über Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Wenn diese Verstöße massiv und wiederholt auftreten, liegt ein Missbrauch vor (und dieses kann sanktioniert werden), auch wenn keine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht.

7. Welches Recht ist anwendbar? Deutsches, italienisches oder europäisches Wettbewerbsrecht?

Das europäische Recht enthält keine Bestimmungen, die den Missbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit regeln.

Was die Handelsbeziehungen zwischen italienischen und deutschen Unternehmen betrifft, würde die Bestimmung des anwendbaren Rechts von dem Recht abhängen, das für den entsprechenden Vertrag gilt, so dass die italienischen Vorschriften auf Missbräuche im Rahmen von Verträgen anwendbar wären, die dem italienischen Recht unterliegen.

Es könnte jedoch versucht werden, die Anwendung des Verbots nach italienischem Recht auch auf Vereinbarungen nach ausländischem Recht geltend zu machen, in dem man behauptet, dass das Verbot des Missbrauchs der wirtschaftlichen Abhängigkeit italienisches Ordre public darstellt.

8. Wie ist der Wortlaut der einschlägigen Vorschrift?

Art. 9 des Gesetzes Nr. 192/1998, das diese Fälle regelt, lautet wie folgt:

1. Die missbräuchliche Ausnutzung des Zustands der wirtschaftlichen Abhängigkeit, in dem sich ein Kunden- oder Lieferunternehmen in Bezug auf ein oder mehrere Unternehmen befindet, durch diese ist verboten. Als wirtschaftliche Abhängigkeit gilt eine Situation, in der ein Unternehmen in der Lage ist, ein übermäßiges Ungleichgewicht von Rechten und Pflichten in seinen Handelsbeziehungen mit einem anderen Unternehmen zu erlangen. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit ist auch die reale Möglichkeit zu berücksichtigen, dass die missbrauchte Partei auf dem Markt zufriedenstellende Alternativen finden kann.

2. Der Missbrauch kann auch in der Verweigerung des Verkaufs oder des Kaufs, in der Auferlegung ungerechtfertigt belastender oder diskriminierender Vertragsbedingungen oder in der willkürlichen Beendigung bestehender Geschäftsbeziehungen bestehen.

3. Die Vereinbarung, durch die der Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit erfolgt, ist nichtig.
3-Bis. Unbeschadet der möglichen Anwendung von Artikel 3 des Gesetzes Nr. 287 vom 10. Oktober 1990 kann die Wettbewerbs- und Marktbehörde, wenn sie der Ansicht ist, dass ein Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit für den Schutz des Wettbewerbs und des Marktes von Bedeutung ist, auch auf Anzeige Dritter und nach Aktivierung ihrer Ermittlungs- und Untersuchungsbefugnisse, die in Artikel 15 des Gesetzes Nr. 287 vom 10. Oktober 1990 vorgesehenen Verwarnungen und Sanktionen gegen die Gesellschaft(en), die diesen Missbrauch begangen hat/haben, verhängen. Im Falle eines weit verbreiteten und wiederholten Verstoßes gegen die im Gesetzesdekret Nr. 231 vom 9. Oktober 2002 festgelegten Vorschriften, die zum Nachteil der Unternehmen, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen, umgesetzt wurden, erfolgt der Missbrauch unabhängig von der Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit (6).

Sie haben weitere Fragen zu den Folgen eines Missbrauchs einer wirtschaftlichen Abhängigkeit in Italien und wünschen Beratung? Sprechen Sie uns an!

Unser deutschsprachiger Anwalt in Mailand, Herr Avvocato Christoph Jenny, berät Sie gerne: jenny@cbbl-lawyers.de, Tel. +39 02 250 607 60


Stand der Bearbeitung: Februar 2021