Arbeitsrecht
von Herrn Rechtsanwalt Dr. Roland Mörsdorf, romo@grette.no,
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1. Arbeitnehmer, die dem norwegischen Arbeitsrecht unterliegen
Das norwegische Arbeitsrecht gilt für alle Arbeitnehmer, soweit sie – beispielsweise als leitende Angestellte – nicht ausdrücklich aus dem Geltungsbereich einzelner gesetzlicher Bestimmungen ausgenommen sind. Arbeitnehmer sind alle natürlichen Personen, die Arbeit im Dienst einer anderen Person ausführen. Auch der Geschäftsleiter norwegischer Gesellschaften, der in der Praxis weitgehend dem deutschen Geschäftsführer entspricht, gilt nach norwegischem Arbeitsrecht als Arbeitnehmer. Er genießt damit grundsätzlich den gesamten Arbeitnehmerschutz. Damit finden u.a. die Kündigungsschutzregeln auf den norwegischen Geschäftsleiter Anwendung. Im Arbeitsvertrag des Geschäftsleiters können die Kündigungsschutzregeln aber durch Vereinbarung einer Abfindung abbedungen werden.
2. Arbeitszeit in Norwegen
Die Arbeitszeit ist gesetzlich detailliert geregelt. Danach darf die Regelarbeitszeit 9 Stunden innerhalb eines Zeitraums von 24 Stunden und insgesamt 40 Stunden innerhalb von 7 Tagen nicht übersteigen. Bei einer Arbeitswoche von 5 Tagen bedeutet dies eine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden. Im Gegensatz zum deutschen Arbeitszeitgesetz, demzufolge die Arbeitszeitregeln für alle Arbeitnehmer gelten, gelten die norwegischen Arbeitszeitbestimmungen nicht für leitende Angestellte und Arbeitnehmer in einer besonders unabhängigen Position. Wann ein Arbeitnehmer eine derartige besonders unabhängige Position hat, ist im Einzelnen allerdings nicht weiter definiert und muss stets im Einzelfall bestimmt werden.
Die Regelarbeitszeit kann u.a. durch Vereinbarung mit den Arbeitnehmern verlängert werden. Das norwegische Arbeitsrecht sieht hierfür jedoch bestimmte zeitliche Grenzen vor. Arbeitszeiten, die diese Grenzen überschreiten, sind nach norwegischem Recht als Überstunden nur in Ausnahmefällen zulässig. Für diese Fälle haben Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf einen Überstundenzuschlag. Dieser ist gemäß dem norwegischen Arbeitsrecht zwingend auszuzahlen und kann nicht durch Freizeit abgegolten werden.
3. Kündigung von Arbeitnehmern in Norwegen
Das Arbeitsverhältnis kann gegenüber einem Arbeitnehmer nur dann gekündigt werden, wenn hierfür ein sachlicher Grund in dem Betrieb oder in den Verhältnissen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers vorliegt. Der Kündigungsschutz ist damit im norwegischen Arbeitsrecht ähnlich hoch ausgeprägt wie der Kündigungsschutz nach dem deutschen Kündigungsschutzgesetz.
Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer einen Monat, bei einem Arbeitsverhältnis von mindestens fünf Jahren zwei Monate und bei einem Arbeitsverhältnis von mindestens zehn Jahren drei Monate. In der Praxis werden häufig Kündigungsfristen von drei Monaten vereinbart. Allerdings verlängert sich für die Kündigung durch den Arbeitgeber die gesetzliche Kündigungsfrist bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat, auf vier Monate (ab 50. Lebensjahr), dann auf fünf Monate (ab 55. Lebensjahr) und schließlich auf sechs Monate (ab 60. Lebensjahr). Diese Kündigungsfristen gehen eventuell vereinbarten kürzeren Kündigungsfristen vor.
Befristete Arbeitsverträge enden automatisch, also ohne Kündigung, mit Ablauf der vereinbarten Zeit oder mit Erreichen des Zwecks. Allerdings ist der Abschluss befristeter Arbeitsverträge nur in ganz wenigen Ausnahmefällen wie beispielsweise in dem Fall, dass ein Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird, zulässig. Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf im norwegischen Arbeitsrecht stets eines sachlichen Grundes.
4. Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern in Norwegen
Norwegische Arbeitnehmer haben einen gesetzlichen Anspruch auf Urlaub von 25 Werktagen (einschließlich Samstage) pro Kalenderjahr. In der Praxis wird in Norwegen jedoch meist ein Urlaub von fünf Wochen vertraglich vereinbart, während ein sechswöchiger Urlaub eher unüblich ist.
Gemäß norwegischem Arbeitsrecht haben Arbeitnehmer keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub und verlieren daher den Gehaltsanspruch für die Zeit des Urlaubs. Stattdessen haben sie einen eigenständigen Anspruch auf Urlaubsentgelt, der allerdings im ersten Jahr des Arbeitsverhältnisses erst erarbeitet werden muss. Dies bedeutet, dass norwegische Arbeitnehmer im ersten Jahr des Arbeitsverhältnisses zwar einen Anspruch auf den gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Urlaub, aber keinen Anspruch auf die Zahlung von Urlaubsentgelt haben. Sie können also im ersten Jahr des Arbeitsverhältnisses nur unbezahlten Urlaub nehmen. Das Urlaubsentgelt eines Jahres wird auf der Basis des im vorherigen Jahr gezahlten Gehalts berechnet und beträgt bei einer Urlaubsdauer von 25 Werktagen (vier Wochen und ein Tag) 10,2 % des Jahresgehalts und bei einer Urlaubsdauer von 5 Wochen 12 % des Jahresgehalts.
5. Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer in Norwegen
Die Geschäftsführung norwegischer Kapitalgesellschaften ist zwischen dem Verwaltungsrat und dem Geschäftsleiter aufgeteilt. In diesem System obliegt dem Verwaltungsrat die Leitung der Geschäftsführung, während der Geschäftsleiter für die Aufgaben der täglichen Geschäftsführung zuständig ist.
Das norwegische Mitbestimmungsrecht setzt zunächst beim Verwaltungsrat an. Die Arbeitnehmerschaft kann danach in Gesellschaften mit in der Regel mehr als 30 Arbeitnehmern verlangen, dass durch sie und aus ihrem Kreis Mitglieder in den Verwaltungsrat gewählt werden. Mit der Anzahl der Arbeitnehmer steigt die Zahl der Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat. Die Mitbestimmung erfolgt damit im Gegensatz zum deutschen Recht unmittelbar auf Geschäftsführungsebene.
Des Weiteren ist in Gesellschaften mit in der Regel mehr als 200 Arbeitnehmern grundsätzlich eine Betriebsversammlung, also ein mit dem deutschen Aufsichtsrat vergleichbares Gremium, einzurichten. Die Betriebsversammlung besteht zu zwei Dritteln aus Vertretern der Gesellschafter und zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern.
Stand der Bearbeitung: 1. Juli 2015