Städtebaurecht in Spanien
Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Madrid, Herrn Stefan Meyer, Rechtsanwalt und Abogado, s.meyer@cbbl-lawyers.de, Tel. +34 - 91 - 319 96 86, www.mmmm.es
- Welche Behörde ist in Spanien für das Städtebaurecht zuständig?
- Welche Bautätigkeiten bedürfen einer Genehmigung?
- Wie kann ich mir den Ablauf eines Genehmigungsverfahrens beispielhaft vorstellen?
Antworten:
1. Welche Behörde ist in Spanien für das Städtebaurecht zuständig?
In Spanien verteilen sich die Zuständigkeiten des Städtebaurechts auf verschiedene Ebenen und Körperschaften: Zum einen liegt die Zuständigkeit für die Regelung des Städtebaurechts („urbanismo“) als ausschließliche Zuständigkeit bei den Autonomen Gemeinschaften („Comunidades Autónomas“, zu vergleichen mit den Bundesländern in Deutschland oder Österreich). Demzufolge verfügt jede der 17 Autonomen Gemeinschaften über ein eigenes Gesetz zum Städtebaurecht. Dabei ist jedoch die staatliche Rahmengesetzgebung („legislación básica estatal“) nicht außer Acht zu lassen, welche quasi in Konkurrenz zu den entsprechenden Regelungen der Autonomen Gemeinschaften steht. Zu beachten sind zudem die vielfältigen Baunebenrechte („legislación sectorial“), für deren Regelung zum Teil ausschließlich der spanische Staat zuständig ist (so z.B. das Küstengesetz), sowie die Vorschriften zur Umweltverträglichkeit („Ley de impacto ambiental“).
Zum anderen hat zum Beispiel die Autonome Gemeinschaft der Balearischen Inseln die Befugnis zur Aufstellung der Raumordnungspläne („Plan territorial“) an die Provinzen übertragen.
Daneben ist jede der über 8.000 Gemeinden in Spanien für die Aufstellung ihrer eigenen städtebaulichen Planungsnormen in Übereinstimmung mit dem Gesetz der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft und den Raumordnungsplänen zuständig. Die Erteilung der städtebaurechtlichen Genehmigungen („licencias urbanísticas“) liegt grundsätzlich ebenfalls in der Verantwortung der Gemeinden. Es wird daher empfohlen, sich bereits im Vorfeld einer geplanten Tätigkeit mit evtl. baurechtlicher Relevanz von einem auf das spanische Baurecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen.
2. Welche Bautätigkeiten bedürfen einer Genehmigung?
Genehmigungspflichtig sind in Spanien aus baurechtlicher Sicht alle Bautätigkeiten im Hinblick auf die Errichtung von Gebäuden, Anlagen und Installationen. Zudem bedarf jegliche (betriebliche und/oder wirtschaftliche) Nutzung des Bodens einer durch die zuständige Behörde zu erteilenden Genehmigung.
Unter diese Kategorie fallen gemäß den städtebaulichen Regelungen der verschiedenen Autonomen Gemeinschaften u.a. die folgenden Bautätigkeiten:
- Teilung von Grundstücken
- Erdarbeiten, Bodenbegradigungen sowie Lagerung von Bau- und Abfallmaterialien
- Bauliche Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung von Gebäuden, z.B. auch Errichtung des Straßennetzes und andere Infrastruktureinrichtungen
- Errichtung von Neubauten und neuer Anlagen vorübergehender oder dauerhafter Natur
- Erweiterungs- und/oder Umbauarbeiten bestehender Bauten und Anlagen
Die Vornahme dieser und anderer im vorhergehenden Abschnitt benannter Bautätigkeiten bzw. Bodennutzung bedarf der entsprechenden Genehmigungen, die von der zuständigen Gemeinde beschieden werden. Auf diese Weise unterliegt jede genehmigungspflichtige Form der Bebauung und Bodennutzung in Spanien der Kontrolle der Verwaltung, so dass ihre Gesetzmäßigkeit und Übereinstimmung mit den städtebaulichen Regelungen der Autonomen Gemeinschaften sowie den konkreten bauordnungsrechtlichen Vorschriften und den weiteren Baunebenrechten sichergestellt wird. Auch andere Fachbereiche, wie z.B. Umweltvorschriften oder Bestimmungen des Küstenschutzes sind – in Abhängigkeit vom Belegenheitsort der Immobilie – im Rahmen der Beantragung einer Baugenehmigung zu berücksichtigen.
Aus wirtschaftlich-rechtlicher Perspektive sind die folgenden gemeindlichen Genehmigungen am wichtigsten: Betriebsgenehmigung, Baugenehmigung, Erstbezugsgenehmigung und Eröffnungsgenehmigung.
Das Genehmigungsverfahren teilt sich hierbei grundsätzlich in zwei Genehmigungsphasen auf: Die Phase vor Baubeginn und die Phase nach Bauabschluss.
Aufgrund der oben beschriebenen baurechtlichen Zuständigkeiten von Autonomen Gemeinschaften zum Einen, und den Städten und Gemeinden zum Anderen, weisen die örtlichen Genehmigungsverfahren grundsätzlich leichte Unterschiede – beispielsweise bei der Benennung der konkreten Genehmigung und den beizubringenden Unterlagen – auf.
Eine Kontaktaufnahme mit den technischen Beratern der zuständigen Gemeinde ist daher sehr zu empfehlen.
3. Wie kann ich mir den Ablauf eines Genehmigungsverfahrens beispielhaft vorstellen?
Das nachfolgend skizzierte Verfahren ist wegen der regionalen Unterschiede beispielhaften Charakters:
a) Phase vor Baubeginn: Betriebsgenehmigung und Baugenehmigung
Bevor mit dem genehmigungspflichtigen Bauvorhaben begonnen werden kann, sind die einschlägigen Betriebs- und Baugenehmigungen einzuholen.
An erster Stelle sollte dabei die Beantragung einer Betriebsgenehmigung stehen, da deren Erteilung wiederum grundsätzlich Bedingung für den Erhalt einer Baugenehmigung ist, bei Verweigerung der Betriebsgenehmigung kann demzufolge auch die Baugenehmigung nicht erteilt werden.
Die Bezeichnung der Betriebsgenehmigung im Spanischen weicht wiederum zwischen den verschiedenen Autonomen Gebietskörperschaften ab. Die gebräuchlichsten Bezeichnungen sind hierbei „licencia de actividad“ oder “licencia de instalación”.
In manchen Gemeinden ist die Erteilung der Betriebsgenehmigung vor Baubeginn für Tätigkeiten mit begrenzter Auswirkung auf die Umwelt, Sicherheit und/oder Gesundheit nicht mehr erforderlich.
Bei den anderen genehmigungspflichtigen gewerblichen/industriellen Tätigkeiten ist der Antrag zusammen mit den erforderlichen Unterlagen bei der zuständigen Gemeinde einzureichen.
Nach Erteilung der Betriebsgenehmigung ist dann die Baugenehmigung (“licencia de obras”) zu beantragen, die die Übereinstimmung des Bauprojekts mit den geltenden städtebaulichen Vorschriften vor Baubeginn zum Gegenstand hat (vgl. oben).
Prüfung und Bescheidung über die Erteilung der Betriebs- und Baugenehmigung hat seitens der Gemeinde innerhalb eines Zeitraumes von höchstens 3 Monaten ab dem Zeitpunkt der Einreichung der entsprechenden Anträge – samt aller notwendiger Unterlagen – zu erfolgen. Verstreicht diese Frist, ohne dass eine diesbezügliche Entscheidung der Gemeinde ergeht, so gilt die jeweilige Genehmigung entweder als stillschweigend erteilt oder abgelehnt, je nach Art und Umfang der Tätigkeit bzw. Bauarbeiten.
Ein ablehnender Bescheid kann ebenso wie eine stillschweigende Ablehnung auf Grund Verstreichen der dreimonatigen Entscheidungsfrist fristwahrend angegriffen werden.
b) Phase nach Bauende: Erstbezugsgenehmigung und Eröffnungsgenehmigung
Zwischen Beendigung der Bebauungs- oder Umbauphase und der Nutzungs- und/oder Betriebsaufnahme der jeweiligen Anlagen, sieht das spanische Baurecht eine zweite gemeindliche Kontrolle im Wege der Erstbezugsgenehmigung und der Eröffnungsgenehmigung vor.
Die Erstbezugsgenehmigung (“licencia de primera ocupación”) wird für die Erstnutzung und/oder den Erstbezug der Gebäude und Anlagen nach Beendigung des Baus, des Wiederaufbaus oder des Umbaus beantragt. Zur Vergabe dieser Bescheinigung durch die zuständige Gemeinde muss nachgewiesen werden, dass das fertig gestellte Gebäude den Vorgaben des Projektes entspricht, für das zuvor die Baugenehmigung erteilt wurde, sowie die eigentlichen Bestimmungen und Bedingungen der Baugenehmigung und ferner die technischen, Sicherheits-, Hygiene- und Zugangsbestimmungen erfüllt.
Die Versorgungsunternehmen für Strom, Wasser, Gas und Telefon verlangen gewöhnlich vor dem ersten Vertragsabschluss die Vorlage einer Erstbezugsgenehmigung bzw. einem rechtlich vergleichbaren Dokument. Je nach Autonomer Gemeinschaft sind die Versorgungunternehmen gesetzlich verpflichtet, die entsprechende Dienstleistung nicht zu gewähren. Ebenfalls vorzulegen ist die besagte Bestätigung bei Notaren und Grundbuchrichtern im Rahmen der Autorisierung oder Eintragung von Urkunden über die Neubauerklärung für z.B. Neubauten in Übereinstimmung mit der entsprechenden Baugenehmigung. Die mit dem Genehmigungsantrag einzureichenden Unterlagen sollten mit der zuständigen Gemeinde abgesprochen werden.
Die Gemeinden überprüfen ihrerseits vor Aufnahme der Handels- oder Industrietätigkeit in einem Gebäude oder einer Anlage, dass die konkreten Maßnahmen für die geplante Tätigkeit ordnungsgemäß abgeschlossen sind, in Übereinstimmung mit der erteilten Betriebsgenehmigung ausgeführt wurden und, dass sie entsprechend der städtebaulichen Umwelt- und Sicherheitsbestimmungen für ihren jeweiligen Zweck geeignet sind. Bei Übereinstimmung mit den genannten Bestimmungen wird in der Regel die Eröffnungsgenehmigung (“licencia de apertura” oder, “licencia de funcionamiento” u.a. Bezeichnungen) erteilt.
c) Trend zur Liberalisierung: Abschaffung der Vorabgenehmigungen für den Einzelhandel
Am 28. Dezember ist das Gesetz 12/2012 vom 26. Dezember 2012 über dringende Maßnahmen zur Liberalisierung des Handels und bestimmter Dienstleistungen in Kraft getreten. Dieses Gesetz findet im gesamten spanischen Staatsgebiet Anwendung.
Im Hinblick auf dauerhafte Geschäftseinrichtungen mit einer Ausstellungs- und Verkaufsfläche von bis zu 750 m2, in denen geschäftliche Aktivitäten des Einzelhandels oder eine der Dienstleistungen, die im Anhang der Vorschrift erwähnt werden (u.a. Schuhe, Textilien, Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren, Hilfsgeschäfte des Versicherungswesens, Immobiliengeschäfte, Vermietung von Immobilien), angeboten werden, entfällt in den folgenden Fällen nunmehr die Verpflichtung zur Beantragung einer gemeindlichen Genehmigung im Vorfeld der Aufnahme der entsprechenden Aktivität oder Dienstleistung:
- Aufnahme und Entwicklung der Geschäftstätigkeit sowie der Dienstleistungen;
- Wechsel der Inhaberschaft bezüglich der Geschäftstätigkeit bzw. der Dienstleistungen;
- Durchführung von Arbeiten, die nicht der Erstellung eines Bauplans bezüglich des Umbaus der Geschäftsräume zur Ausübung der Geschäftstätigkeit bedürfen.
Diese Verpflichtung wird durch die Abgabe einer Verantwortlichkeitserklärung oder auch Vorabmitteilung ersetzt, welche die ausdrückliche Erklärung des Unterzeichners enthalten muss, die Vorgaben der geltenden Gesetze zu erfüllen. Besagter Erklärung ist ggfs. ein Nachweis über die Entrichtung der entsprechenden Gebühren beizufügen. Die Vorlage der Verantwortlichkeitserklärung oder Vorabmitteilung berechtigt grundsätzlich zur unmittelbaren Ausübung der Geschäftstätigkeit in Spanien.
Ähnliches gilt auch in verschiedenen Autonomen Gemeinschaft in Bezug auf das Erfordernis einer Baugenehmigung, das durch die sogenannte „declaración responsable“ (Erklärungsverantwortlichkeit des Architekten) bzw. „comunicación previa“ (Vorabmitteilung) ersetzt wird. Jede Autonome Gemeinschaft setzt hierbei eigene Vorschriften bezüglich der Umsetzung dieses Verfahrens fest.
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Stand der Bearbeitung: Februar 2023