Räumungsentschädigung und das Reuerecht des Vermieters in Frankreich
Von unserer deutschsprachigen CBBL-Anwältin in Zürich, Frau Clémentine Paquet, Avocat, paquet@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 (0)3 - 88 45 65 45, www.rechtsanwalt.fr
Anders als in Deutschland unterliegen gewerbliche Mietverträge nach französischen Recht Sonderregeln, die in Artikel L.145-1 ff. des Handelsgesetzbuchs festgelegt sind.
Dieser besondere Schutzstatus für gewerbliche Mieter gibt ihnen wirtschaftliches Eigentum an den Räumlichkeiten, in denen sie ihr Geschäft betreiben.
Wenn ein gewerblicher Mietvertrag, der in Frankreich regelmäßig zeitlich befristet abgeschlossen wird, ausläuft, hat der gewerblichen Mieter das Recht, seinen Gewerbemietvertrag zu verlängern. Wenn diese Verlängerung ohne berechtigten Grund durch den Vermieter abgelehnt wird, so ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter eine Räumungsentschädigung (auch Besitzentzugsentschädigung genannt, die sogenannte „indemnité d’éviction“ ) gemäß Artikel L. 145-14 des frz. Handelsgesetzbuchs zu zahlen.
Der Vermieter, der die Verlängerung des Mietvertrages abgelehnt und dem Mieter einen Vorschlag für die Zahlung einer Räumungsentschädigung gemacht hat, kann seinerseits seine Entscheidung rückgängig machen, indem er eine Verlängerung anbietet. Diese in Artikel L. 145-58 des frz. Handelsgesetzbuchs vorgesehene Möglichkeit wird als Reuerecht ( „droit de repentir“ ) bezeichnet.
Dieser Artikel gibt einen Überblick über die im französischen Handelsgesetzbuch festgelegten Grundsätze zur Räumungsentschädigung und zum Reuerecht in Bezug auf Gewerbemietrecht.
- Welche Bedingungen muss der Mieter erfüllen, um in Frankreich einen Anspruch auf Räumungsentschädigung zu haben?
- Was sind die Rechte des Mieters in Frankreich bis zur Zahlung der Räumungsentschädigung?
- Worin besteht das Reuerecht des Vermieters von Gewerberäumen in Frankreich?
- Was sind die Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Reue nach französischem Gewerberaummietrecht?
- Was sind die Auswirkungen der Ausübung des Reuerechts im französischen Gewerberaummietrecht?
1. Welche Bedingungen muss der Mieter erfüllen, um in Frankreich einen Anspruch auf Räumungsentschädigung zu haben?
Um Anspruch auf die in Artikel L. 145-14 des französischen Handelsgesetzbuchs vorgesehene Räumungsentschädigung zu haben, muss der Mieter die Bedingungen des Verlängerungsrechts erfüllen, d.h. vor allem: er muss in den gemieteten gewerblichen Räumlichkeiten ein eingetragenes Gewerbe betreiben, dessen Inhaber er ist.
Natürlich darf kein berechtigter Grund für die Verweigerung der Verlängerung des Mietvertrags vorliegen, wie z. B. die Nichtzahlung von Gewerbemieten oder die Nichteinhaltung anderer Bestimmungen des Gewerbemietvertrags.
Die limitativen Gründe, aus denen der Vermieter von seiner Verpflichtung zur Zahlung einer Räumungsentschädigung befreit ist, sind in Artikel L. 145-17 des frz. Handelsgesetzbuchs abschließend aufgeführt. Aus diesem Artikel ergibt sich, dass der Vermieter alternativ:
- einen schwerwiegenden und berechtigten Grund gegen den scheidenden Mieter begründen muss.
Dazu ist jedoch zu präzisieren, dass, wenn der geltend gemachte Grund das Ergebnis einer vertraglichen Nichterfüllung oder der Einstellung des Geschäftsbetriebs (ohne schwerwiegenden und legitimen Grund) durch den Mieter ist, kann die Zahlung einer Räumungsentschädigung nur verweigert werden, wenn der Verstoß des Mieters länger als einen Monat angedauert hat oder erneuert wurde, nachdem der Vermieter dem Mieter durch einen Gerichtsvollzieher eine förmliche Aufforderung zur Einstellung des Verstoßes zugestellt hat, in der der geltend gemachte Grund angegeben ist und die die Bedingungen des Artikels L. 145-17 Absatz 1 des frz. Handelsgesetzbuches wiedergibt,
Oder aber
- die Notwendigkeit des (vollständigen oder teilweisen) Abrisses des Gebäudes aufgrund der von der zuständigen Verwaltungsbehörde anerkannten Unbewohnbarkeit oder der Unmöglichkeit einer gefahrlosen Nutzung aufgrund des Zustandes begründen muss.
2. Was sind die Rechte des Mieters in Frankreich bis zur Zahlung der Räumungsentschädigung?
Einigen sich die Parteien nicht auf die Höhe der Räumungsentschädigung, muss diese nach Einholung eines gerichtlichen Gutachtens von einem Richter festgesetzt werden.
Da dieses Verfahren langwierig sein kann, sieht das französische Gewerberaummietrecht die Möglichkeit vor, dass der Mieter bis zur Zahlung der Räumungsentschädigung in den Räumlichkeiten verbleiben kann (Artikel L. 145-28 des frz. Handelsgesetzbuchs).
Als Gegenleistung für das Verbleiben in den Räumlichkeiten muss der Mieter dem Vermieter eine Nutzungsentschädigung zahlen. Diese kann der Höhe der Gewerbemiete entsprechen, aber auch in Relation zum tatsächlichen Mietwert der Räumlichkeiten gesetzt werden, was das höchste französische Gericht, der Kassationsgerichtshof, wiederholt festgestellt hat.
3. Worin besteht das Reuerecht des Vermieters von Gewerberäumen in Frankreich?
In der Praxis ist es nicht unüblich, dass der Vermieter dem Mieter eine Kündigung zustellt, in der er die Verlängerung des gewerblichen Mietvertrags verweigert, ohne einen Vorschlag zur Zahlung einer Räumungsentschädigung zu machen.
Nach der Überprüfung durch den Richter stellt sich manchmal heraus, dass die Gründe für die vom Vermieter ausgesprochene Kündigung ohne Verlängerung des Gewerbemietvertrags nicht den in Artikel L. 145-17 des französischen Handelsgesetzbuchs festgelegten Bedingungen entspricht, um den Vermieter von der Zahlung einer Räumungsentschädigung an den Mieter zu befreien.
In diesem Fall ist der Vermieter dann verpflichtet, dem Mieter eine Räumungsentschädigung zu zahlen, die je nach den Umständen sehr hoch sein kann.
Wie der Name schon sagt, entspricht das in Artikel L. 145-58 des französischen Handelsgesetzbuchs vorgesehene Reuerecht des Vermieters der Möglichkeit des Vermieters, seine Entscheidung, dem Mieter ohne Verlängerungsangebot zu kündigen, rückgängig zu machen, indem er dem Mieter trotz der bereits ausgesprochenen Kündigung eine Verlängerung des Gewerbemietvertrags vorschlägt, um damit seine Verpflichtung zur Zahlung einer Räumungsentschädigung zu vermeiden.
Macht der Vermieter nämlich rechtswirksam von seinem Reuerecht Gebrauch, verliert der Mieter seinen Anspruch auf Räumungsentschädigung, falls er dann die Verlängerung des Gewerbemietvertrags ablehnt.
4. Was sind die Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Reue nach französischem Gewerberaummietrecht?
Um gültig zu sein, muss die Ausübung des Reuerechts mehrere Bedingungen erfüllen, die sich hauptsächlich auf die Situation des Mieters und die Frist beziehen.
Bedingungen in Bezug auf die Situation des Mieters
Gemäß Artikel L. 145-58 des frz. Handelsgesetzbuchs kann der Vermieter eines gewerblichen Mietvertrags sein Reuerecht nur ausüben, soweit der Mieter:
- gemäß Artikel L. 145-28 des frz. Handelsgesetzbuchs in den Räumlichkeiten geblieben ist
UND
- nicht bereits andere gewerblichen Räumlichkeiten für den weiteren Betrieb seines Geschäfts gemietet oder gekauft hat.
Ist eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, kann der Vermieter sein Reuerecht nicht mehr ausüben.
Im Hinblick auf diese Bedingungen gilt, dass der Mieter die Räumlichkeiten erst dann verlassen hat, wenn die Räumlichkeiten tatsächlich und vollständig geräumt und die Schlüssel an den Vermieter übergeben worden sind.
Im Falle der Anmietung oder des Erwerbs neuer Räumlichkeiten sollte das Datum des Abschlusses des neuen gewerblichen Miet- oder Kaufvertrags (und nicht das Datum des Einzugs in die Räumlichkeiten) berücksichtigt werden, denn wenn dieses Datum vor dem Datum der Ausübung des Reuerechts liegt, kann dieses nicht wirksam ausgeübt werden.
Frist für die Ausübung des Reuerechts
Artikel L. 145-58 des französischen Handelsgesetzbuches legt fest, dass der Vermieter sein Reuerecht bis zum Ablauf einer Frist von 15 Tagen ab dem Datum, an dem die Entscheidung über die Höhe der dem Mieter zustehenden Räumungsentschädigung rechtskräftig geworden ist, ausüben kann.
Vorbehaltlich der Einhaltung der übrigen unter diesem Punkt genannten Bedingungen kann der Vermieter daher dieses Reuerecht vor Wirksamwerden der Kündigung, auch noch während des Verfahrens zur Festsetzung der Räumungsentschädigung, sei es in erster Instanz oder im Berufungsverfahren, ausüben.
Wird gegen die erstinstanzliche Entscheidung keine Berufung eingelegt, so läuft die 15-tägige Frist, die dem Vermieter zur Ausübung seines Änderungsrechts zur Verfügung steht, ab dem Ablauf der Berufungsfrist, das heißt ab dem Tag, an dem das Urteil rechtskräftig wird.
Umgekehrt ist der Beginn der 15-Tage-Frist bei einem Berufungsurteil das Datum der Urteilsverkündung und nicht das Datum der Zustellung an die Parteien, da die Revision keine aufschiebende Wirkung hat.
Formalitäten für die Ausübung des Reuerechts im französischen Gewerbemietrecht?
Artikel L. 145-58 des frz. Handelsgesetzbuchs sieht keinen besonderen Formalismus vor, der bei der Ausübung des Reuerechts durch den Vermieter von gewerblichen Räumlichkeiten in Frankreich zu beachten ist.
Um dem erneuerten Mietvertrag jedoch ein genaues Datum zu geben, sieht Artikel L. 145-12 Absatz 4 des frz. Handelsgesetzbuchs vor, dass der neue Mietvertrag an dem Tag in Kraft tritt, an dem das Reuerecht per Gerichtsvollzieher oder per Einschreiben mit Rückschein dem Mieter zugestellt wird.
Das Reuerecht, ob formell oder informell, muss daher lediglich in hinreichend klarer und eindeutiger Weise die Absicht des Vermieters zum Ausdruck bringen, den Gewerbemietvertrag zu verlängern, und die Angabe eines konkreten Datums für den Zugang dieser Information an den Mieter ermöglichen.
Die französische Rechtsprechung betrachtet beispielsweise als hinreichend klaren und unmissverständlichen Ausdruck der Absicht des Vermieters:
- Die Rücknahme der Klage mit dem Angebot, die Kosten des Verfahrens zur Festsetzung der Räumungsentschädigung zu übernehmen;
- Der Antrag auf Mietfestsetzung eines Erwerbers eines Gebäudes gegen einer Mieter, dem der bisherige Eigentümer die Kündigung mit dem Angebot einer Räumungsentschädigung zugestellt hatte;
- Das Einschreiben des Vermieters, in dem er seine Absicht bekundet, den gewerblichen Mietvertrag zu verlängern.
Nicht als eindeutige Manifestationen des Vermieters wurden dagegen angesehen
- Eine passive Haltung, die darin besteht, die Räumungsentschädigung nicht zu zahlen
- Die Übergabe von Mietquittungen
- Die Übergabe einer Zahlungsanweisung betreffend die auflösende Klausel
- Ein Vorschlag zum Abschluss eines neuen gewerblichen Mietvertrags zu anderen Bedingungen als dem vorherigen Mietvertrag
- Ein Angebot zur Verlängerung vorbehaltlich des Ausgangs eines laufenden Verfahrens.
5. Was sind die Auswirkungen der Ausübung des Reuerechts im französischen Gewerberaummietrecht?
Die Ausübung des Reuerechts durch den Vermieter hat mehrere Folgen.
Zunächst einmal die Verlängerung des gewerblichen Mietvertrags. Die Ausübung des Reuerechts stellt nämlich kein Angebot zur Verlängerung dar, sondern führt direkt automatisch zur Verlängerung des Mietvertrages.
Der Vermieter hat die Kosten des Verfahrens zur Festsetzung der Räumungsentschädigung zu tragen. Im Sinne von Artikel L. 145-58 des französischen Handelsgesetzbuchs umfassen diese Kosten nicht nur die Kosten des Verfahrens, sondern auch die Kosten, die ein Gericht einer Partei gemäß Artikel 700 der französischen Zivilprozessordnung auferlegen kann, insbesondere Anwaltskosten. Abgesehen von der Übernahme dieser Kosten berechtigt die Ausübung des Rücktrittsrechts durch den Vermieter den Mieter nicht zum Schadensersatz.
Schließlich ist zu beachten, dass die gültige Ausübung des Reuerechts unwiderruflich ist. Hat der Vermieter dieses Recht einmal ausgeübt, kann er seine Erklärung nicht mehr zurücknehmen und die Räumungsentschädigung an den Mieter zahlen. Nur die Weigerung des Mieters den Gewerbemietvertrag zu verlängern, kann das Reuerecht des Vermieters vereiteln. In diesem Fall und wie oben schon erwähnt, verliert der Mieter seinen Anspruch auf Räumungsentschädigung.
Sie haben weitere Fragen zur Räumungsentschädigung und dem Reuerecht des Vermieters in Frankreich? Sprechen Sie uns an!
Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt Herr Rechtsanwalt Emil Epp und sein Team in Strasbourg, Paris, Baden-Baden, Zürich, Bordeaux und Sarreguemines stehen Ihnen gerne zur Verfügung: epp@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45
Stand der Bearbeitung: März 2023