Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in Frankreich
CBBL Rechtsanwalt in Frankreich, Emil Epp, Kanzlei EPP Rechtsanwälte Avocats
Emil Epp
Rechtsanwalt
EPP Rechtsanwälte Avocats
Strasbourg, Paris, Baden-Baden


Schließung eines Unternehmens in Frankreich – Mit oder ohne Insolvenzverfahren

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Strasbourg, Herrn Emil Epp, Rechtsanwalt, epp@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45, www.rechtsanwalt.fr


Schließung einer Tochtergesellschaft in Frankreich, Insolvenz oder nicht?

Zum Videobeitrag: Schließung einer Tochtergesellschaft in Frankreich, Insolvenz oder nicht?


Wenn ein Unternehmen in Frankreich in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und sich eine Schließung als einzig folgerichtige Option erweist, stellt sich die Frage, welche Form der Schließung die sinnvollste ist.

Diese Frage stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund der in Frankreich angestellten Arbeitnehmer, deren Arbeitsverträge vor einer Schließung beendet sein müssen.

Grundsätzlich bestehen folgende zwei Möglichkeiten einer Schließung:

  • Schließung ohne Insolvenzverfahren,
  • Schließung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Frankreich.

Nachfolgend sollen diese beiden Möglichkeiten unter verschiedenen Aspekten, insbesondere hinsichtlich der Arbeitnehmer sowie der Kosten und Risiken, näher dargestellt werden.

  1. Ansprechpartner der Arbeitnehmer in Frankreich bei einer Schließung
  2. Wirtschaftliches Risiko des Verkaufs des Unternehmens in Frankreich an einen Dritten
  3. Haftungsrisiken bei der Schließung eines Unternehmens in Frankreich
  4. Vergleich der Kosten: Insolvenzverfahren in Frankreich vs. Schließung ohne Insolvenz


Antworten:

1. Ansprechpartner der Arbeitnehmer in Frankreich bei einer Schließung

Bereits im Vorfeld einer sich anbahnenden Unternehmensschließung entsteht unter den Arbeitnehmern in Frankreich typischerweise und aus nachvollziehbaren Gründen ein erhöhter Informationsbedarf.

Bei der Schließung eines französischen Unternehmens ohne Insolvenzverfahren sind die Unternehmensvertreter (bei einer SARL ist dies der Geschäftsführer; bei einer SAS sind dies der Präsident und ggf. die Generaldirektoren) die direkten Ansprech- und Verhandlungspartner der Arbeitnehmer und Personalvertreter.

Erfolgt hingegen die (teilweise oder vollständige) Schließung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Frankreich, ist der Ansprechpartner der französischen Arbeitnehmer bzw. der Personalvertreter der französische Insolvenzverwalter (administrateur judiciaire bzw. mandataire judiciaire oder liquidateur judiciaire).

Der Insolvenzverwalter kommuniziert mit den Arbeitnehmern und gleichzeitig mit den Geschäftsführern des insolventen Unternehmens in Frankreich. In der Praxis verhandeln die Vertreter des insolventen französischen Unternehmens und der Muttergesellschaft in Belangen des Arbeitsrechts gemeinsam direkt mit dem Insolvenzverwalter.

Die sachliche und emotionale Wahrnehmung der Gesamtsituation seitens der Arbeitnehmer in Frankreich ist daher bei einer Schließung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens meist eine andere als bei einer Schließung ohne Insolvenzverfahren: Im ersteren Fall (Insolvenzverfahren) bewegen sich die Beteiligten im Rahmen eines gesetzlich vorgegebenen Verfahrens mit vom Gericht bestellten Organen. An diese Organe (insbesondere: Insolvenzverwalter) können sich die Arbeitnehmer bei Fragen wenden. Dies erhöht in aller Regel das Vertrauen und die Kooperationsbereitschaft der Arbeitnehmer vor Ort und kann, bei einer sachgerechten Kommunikation seitens der Geschäftsführung, von Beginn an Klage- und Haftungsrisiken reduzieren.

2. Wirtschaftliches Risiko des Verkaufs des Unternehmens in Frankreich an einen Dritten

Im Rahmen der Bemühungen, ein Unternehmen ordnungsgemäß zu schließen, tun sich in der Praxis nicht selten auch Gelegenheiten auf, das Unternehmen – statt es zu schließen – zu verkaufen.

Dabei besteht freilich das Risiko, dass dem Käufer durch den Kauf des Unternehmens Sonderwissen zufließt, z. B. in Form von Know How und gut gepflegten Kundendaten.

Dies wiederum kann der Unternehmensgruppe, der das zu verkaufende Unternehmen angehört, mittel- und langfristig Schaden zufügen, da Marktanteile an den Unternehmenskäufer abfließen können.

Ein solcher Unternehmensverkauf kann sowohl außerhalb eines Insolvenzverfahrens (1.) als auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens (2.) erfolgen. Diese beiden Szenarien sollen nachfolgend kurz dargestellt werden.

1.) Verkauf des Unternehmens außerhalb eines Insolvenzverfahrens in Frankreich

Der Verkauf des Unternehmens außerhalb der Insolvenz erfolgt in Frankreich in der Regel im Rahmen eines Share Deals (= Verkauf der Anteile am zu verkaufenden Unternehmen).

Auf diese Weise gehen, wirtschaftlich betrachtet, auch sämtliche Schulden der verkauften Gesellschaft auf den Käufer über, da diese Schulden als Schulden der verkauften Gesellschaft bestehen bleiben und letztlich den Anteilskäufer (Unternehmenskäufer) belasten. Diese Situation ist für potentielle Käufer somit in der Regel riskanter als ein Asset Deal (= Kauf von einzelnen Vermögensgegenständen des Unternehmens und nicht der Anteile; Alternative zum Share Deal).

Daher sollte ein Anteilskäufer stets vorab, im Rahmen einer gut vorbereiteten Due Diligence (= eingehende Prüfung der Vertragsverhältnisse und Verpflichtungen der zu kaufenden Gesellschaft) prüfen, welche Verpflichtungen mit dem Anteilskauf mit übernommen werden.

2.) Verkauf des Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Frankreich

Der ursprüngliche Inhaber der Gesellschaft verliert mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Frankreich die Kontrolle über die Modalitäten und die Durchführung eines Verkaufs.

Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens – meist in der Ausprägung des Sanierungsverfahrens (redressement judiciaire) – versucht der französische Insolvenzverwalter, den sogenannten „fonds de commerce“ zu verkaufen und dadurch die Arbeitsplätze so weit wie möglich zu erhalten.

Mit fonds de commerce ist in Frankreich der Geschäftsbetrieb gemeint, der im Kern aus der Kundschaft des Unternehmens und dem gewerblichen Mietvertrag besteht.

Man kann den fonds de commerce daher wirtschaftlich auch verstehen als „Grundlagen der Gewinnaussichten“ – dieses Verständnis ist letztlich auch bestimmend für die Verhandlung des Kaufpreises.

Anders als in Deutschland spielt der Gläubigerschutz im Insolvenzverfahren in Frankreich kaum eine Rolle: In Frankreich steht stattdessen der Erhalt der Arbeitsplätze als Hauptziel des Insolvenzverfahrens im Vordergrund.

Verkauft werden im Insolvenzverfahren nur die Aktiva (Maschinen, Patente und sonstige Rechte, Grundstücke und sonstige Vermögensgegenstände etc.).

Die Schulden (Passiva) gehen grundsätzlich nicht auf den Erwerber über, so dass der Unternehmenskäufer das Unternehmen im Insolvenzverfahren grundsätzlich schuldenfrei erwirbt. Der Erwerber kann auch die – von ihm auszuwählenden – laufenden Verträge und die für einen Weiterbetrieb benötigten Arbeitnehmer mit übernehmen. Letztere dürfen im Übernahmeangebot grundsätzlich nicht namentlich ausgewählt werden. Es können hingegen die gewünschten Stellen/ Qualifikationen angegeben werden. An diese Angaben muss sich das Insolvenzgericht bei einem Zuschlag grundsätzlich auch halten.

3. Haftungsrisiken bei Schließung eines Unternehmens in Frankreich

Bei den Haftungsrisiken ist danach zu unterscheiden, ob die Unternehmensschließung in Frankreich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfolgt oder außerhalb eines Insolvenzverfahrens.

1.) Haftungsrisiken bei der Schließung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Frankreich

Im Insolvenzfall besteht in Frankreich das Risiko

  • einer gegen die anderen Gesellschaften der Gruppe erhobenen Klage durch die gekündigten Arbeitnehmer (Stichwort Mitarbeitgeberschaft; co-emploi) (a.)
  • sowie einer Klage durch die Organe des Insolvenzverfahrens (Haftung aufgrund soutien abusif; sog. missbräuchliche Unterstützung) (b.).

Es besteht daneben auch das Risiko einer

  • Klage gegen die Geschäftsführungsorgane (aufgrund insuffisance d’actif, Kapitalunterdeckung; Nachschusspflicht hinsichtlich Geldmitteln zum Begleichen der Schulden der Gesellschaft in Frankreich) (c.).

a. Arbeitsrechtliche Haftung der Muttergesellschaft als Mitarbeitgeberin in Frankreich (co-emploi)

Diese Haftungsgrundlage wurde von der Rechtsprechung im Rahmen von Schließungen außerhalb eines Insolvenzverfahrens entwickelt.

Voraussetzungen der Mitarbeitgeberschaft (co-emploi) in Frankreich

Im Jahr 2011 kam es in Frankreich zu einer höchstrichterlichen Rechtsprechung, die es erlaubte, mehrere Gesellschaften einer Unternehmensgruppe gemeinsam als Mitarbeitgeber der Arbeitnehmer einer der Gesellschaften der Gruppe anzusehen. Ziel dieser Rechtsprechung war es, den in Frankreich gekündigten Arbeitnehmern – neben der französischen Arbeitgeber-Gesellschaft – weitere haftende Gesellschaften zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung für diese sehr ausgedehnte Haftung war die Vermischung hinsichtlich der Tätigkeiten, der Interessen und der Leitung zwischen Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe (Jungheinrich-Urteil des französischen Kassationsgerichts für Arbeitssachen vom 18. Januar 2011).

Folge dieser Entscheidung war, dass die in Frankreich gekündigten Arbeitnehmer zur Geltendmachung ihrer arbeitsrechtlichen Schadensersatzansprüche fortan nicht nur gegen ihren französischen Arbeitgeber vorgehen konnten, sondern auch gegen die in der Praxis meist solventere Muttergesellschaft.

Durch die Molex-Entscheidung des französischen Kassationsgerichts für Arbeitssachen vom 2. Juli 2014 wurden die Voraussetzungen für das Vorliegen einer solchen (Mit-)Haftung anderer gruppenzugehöriger Gesellschaften enger gefasst, wodurch das entsprechende Haftungsrisiko verringert wurde:

Fortan war, für die Mithaftung der (meist ausländischen) Muttergesellschaft, zusätzlich zu dem o. g. „dreifachen Vermischungskriterium“, erforderlich, dass sich die andere Gesellschaft (= jene, die als Mitarbeitgeberin mit haften soll) in die wirtschaftliche und arbeitsrechtliche Verwaltung der Arbeitgebergesellschaft einmischte, und zwar jenseits der erforderlichen „normalen“ wirtschaftlichen Abstimmung zwischen Gesellschaften der selben Gruppe.

Mit der Entscheidung des französischen Kassationsgerichts für Arbeitssachen vom 6. Juli 2016 wurde die Anwendung der Mitarbeitgeberschaft dann noch weiter eingeschränkt:

Die Haftung sollte nur dann greifen und zur arbeitsrechtlichen Verurteilung der Muttergesellschaft führen, wenn es zu einer „anormalen Einmischung“ der Muttergesellschaft in die Geschäfte ihrer Tochtergesellschaft gekommen war, und zwar derart, dass die (französische) Tochtergesellschaft (= die formale Arbeitgeberin) jedwede Selbständigkeit verloren hatte.

Die Tatsache,

  • dass die Geschäftsführer der französischen Tochtergesellschaft aus der Unternehmensgruppe stammten und eng mit der Muttergesellschaft zusammenarbeiteten sowie
  • die Tatsache, dass die Muttergesellschaft ihre Tochtergesellschaft in erheblichem Umfang finanziell unterstützte und mit ihr eine Vereinbarung über die Zurverfügungstellung von Geldern und eine allgemeine Unterstützungsvereinbarung gegen Entgelt unterzeichnet hatte,

stellte, nach der Entscheidung des französischen Kassationsgerichts für Arbeitssachen (vom 7. März 2017), für sich allein genommen keine Mitarbeitgeberschaft mehr dar.

Diese haftungsverneinendere Position wurde in der Folge durch zwei weitere Urteile vom 24. Mai 2018 bestätigt:

  • Eine französische Tochtergesellschaft hatte ihre Entscheidungshoheit über ihre Produktion, die Einhaltung von Rechtsvorschriften sowie über die Buchhaltung und die Personalverwaltung für nichtleitende Angestellte behalten. In diesem Fall ging die Mitwirkung der Muttergesellschaft an der Ernennung der Geschäftsführungsebene sowie an der Finanzverwaltung der Tochtergesellschaft nach Ansicht des Gerichts nicht über die (normalerweise) erforderliche Koordinierung wirtschaftlicher Angelegenheiten zwischen zwei Unternehmen derselben Unternehmensgruppe hinaus. Dementsprechend entschied das Gericht, dass die Muttergesellschaft nicht als Mitarbeitgeberin anzusehen war (französisches Kassationsgericht, Kammer für Arbeitssachen, 24. Mai 2018, Nr. 17-15.630).
  • Dieselbe Argumentation findet sich auch in einem weiteren Urteil vom selben Tag:Die Annahme einer Mitarbeitgeberstellung der Muttergesellschaft wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die französische Tochtergesellschaft den Kernbereich der unternehmerischen Entscheidungshoheit bei sich behalten hatte, insbesondere im Hinblick auf die Leitung der Personal- und Finanzangelegenheiten sowie in den Bereichen Vertrieb und Produktion. Auch waren im entschiedenen Fall die Tätigkeiten sowie der Kundenkreis der französischen Tochtergesellschaft und der Muttergesellschaft unterschiedlich (französisches Kassationsgericht, Kammer für Arbeitssachen, 24. Mai 2018, Nr. 16-18.621).

Mit einer Entscheidung vom 25. November 2020 hat das französische Kassationsgericht für Arbeitssachen nun noch einmal klar gefasst, in welchen Grenzen es die arbeitsrechtliche (Mit-) Haftung der Muttergesellschaft für die Arbeitnehmer der französischen Tochtergesellschaft als gegeben ansieht:

Seit diesem Urteil wird die Muttergesellschaft nur noch dann als Mitarbeitgeberin der Arbeitnehmer ihrer französischen Tochtergesellschaft angesehen, wenn

  • es zu einer dauerhaften Einmischung der Muttergesellschaft in die Geschäfte der Tochtergesellschaft gekommen ist und
  • dies zum totalen Verlust der Selbständigkeit der Tochtergesellschaft (perte totale d’autonomie de la société dominée; totaler Verlust der Autonomie der dominierten Gesellschaft) geführt hat.

Die konkrete Anwendung dieser Rechtsprechung wird man weiter beobachten müssen.

Wahrscheinlich wird man künftig davon ausgehen können, dass es zu einer Verurteilung der Muttergesellschaft dann nicht kommen wird, wenn die französische Tochtergesellschaft als formale Arbeitnehmerin eine gewisse Selbständigkeit in den Bereichen Eigenverwaltung und Entscheidungsbefugnisse bei sich behält.

Praxishinweis: Sozialplan und Vergleiche mit Klageverzicht

Bei vereinbarungsgemäßer Durchführung eines Sozialplans in Frankreich ist das Risiko einer Klage gegen andere Gesellschaften der Unternehmensgruppe und insbesondere gegen die Muttergesellschaft geringer als im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ohne Abschluss von individuellen Vergleichen. Zwar ist es nicht möglich, in einem Sozialplan einen wirksamen Klageverzicht des Arbeitnehmers zu erhalten.

Es ist aber nach unserer Praxiserfahrung wenig wahrscheinlich, dass ein Arbeitnehmer, der die Gegenleistung erhalten hat, die im Sozialplan vereinbart worden ist, gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber oder andere Gesellschaften der Unternehmensgruppe klagt.

In rechtlich sicherer Weise lässt sich das Klagerisiko jedoch weiterhin nur beseitigen, indem nach den erfolgten Kündigungen individuelle Vergleiche mit den Arbeitnehmern geschlossen werden – dies gilt sowohl bei Kündigungen, die im Rahmen eines Sozialplans erfolgt sind als auch bei Kündigungen ohne Sozialplan.

Solche Vergleiche enthalten wirksame Klageverzichte der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer sog. „prime supra-légale“ (= „übergesetzliche Prämie“). Die „prime supra-légale“ ist eine übergesetzliche Vergleichssumme, die betragsmäßig über die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers hinausgeht. Diese Summe wird mit den Arbeitnehmern frei verhandelt.

b. Haftung der Geschäftsführer in Frankreich

Gegen den Geschäftsführer der französischen Gesellschaft kann wegen fehlender Aktiva auf Ausgleich geklagt werden, sofern ein Geschäftsführungsfehler nachgewiesen werden kann. Diese Klage wird in der Regel von den Insolvenzorganen erhoben.

Als Geschäftsführungsfehler gelten zum Beispiel

  • die Verschiebung von Aktiva von der insolventen Gesellschaft in eine andere Gesellschaft oder
  • der gegen die Interessen der insolventen Gesellschaft gerichtete Umgang mit den Aktiva der Gesellschaft oder
  • die verspätete Beantragung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung).

Der Geschäftsführungsfehler muss die Schulden der französischen Gesellschaft zumindest mitursächlich erhöht haben.

Bei einer Identität (Personalunion) in der Geschäftsführung in verschiedenen Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe und der daraus folgenden Möglichkeit, einen eingehenden Auftrag willkürlich an die eine oder an die andere Gesellschaft der Gruppe zu leiten, besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko.

Dies gilt auch für die Kündigung eines Vertrages, der zwischen zwei Gesellschaften der selben Unternehmensgruppe besteht, wenn diese Kündigung zum Schaden der einen und zum Vorteil der anderen Gesellschaft der Gruppe führt.

Das strafrechtliche Risiko des französischen Geschäftsführers beschränkt sich in der Praxis auf die Tatbestände der Insolvenzverschleppung sowie der sogenannten Verletzung der Rechte der Vertretungsorgane der Arbeitnehmer (délit d’entrave; Behinderung der Arbeit der Personalvertretungsorgane).

c. Haftung der Muttergesellschaft der französischen Gesellschaft

Die wesentlichen Haftungstatbestände sollen nachfolgend kurz erläutert werden:

aa. „Soutien abusif“ (Missbräuchliche Unterstützung der französischen Tochtergesellschaft)

Gemäß Artikel L. 650-1 des Code de commerce (französisches Handelsgesetzbuch) ist bei betrügerischen Handlungen, bei Gewährung von unverhältnismäßigen Garantien sowie bei Einmischungen in die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft eine Haftung wegen missbräuchlicher Unterstützung gegeben, sofern die entsprechende Handlung als „faute“ (= schuldhaftes Handeln) anzusehen ist.

Es ist der Schaden zu ersetzen, der durch die schuldhafte Unterstützung der französischen Tochtergesellschaft entstanden ist.

bb. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln in Frankreich (Artikel 1382 des Code civil; französisches Bürgerliches Gesetzbuch)

Gemäß den allgemeinen Haftungsregeln des französischen Rechts kann die Muttergesellschaft unter anderem zur Haftung herangezogen werden, wenn sie sich in die Geschäftsführung der französischen Tochtergesellschaft eingemischt hat.

2.)  Haftungsrisiken bei der Schließung außerhalb eines Insolvenzverfahrens (Auflösung und Liquidation) in Frankreich

Im Falle der Schließung einer französischen Gesellschaft ohne Vorliegen einer Insolvenz besteht das Risiko, dass die Arbeitnehmer gegen die Muttergesellschaft klagen (Stichwort Mitarbeitgeberschaft; co-emploi).

a. Voraussetzungen der Mitarbeitgeberschaft (co-emploi) in Frankreich

Bezüglich dieses Risikos gelten die selben Ausführungen wie oben siehe unter 3. 1. )a. dargestellt. Insofern verweisen wir auf die dortigen Ausführungen.

b. Haftung der Geschäftsführer in Frankreich

Bei der Schließung einer französischen Gesellschaft ohne Durchführung eines Insolvenzverfahrens ist eine Haftung der Geschäftsführer in der Regel unwahrscheinlich, da es regelmäßig keine externen Gläubiger (mehr) gibt und die arbeitsrechtlichen Folgen der Kündigungen finanziell von der Muttergesellschaft getragen werden.

Es entsteht also weder Gläubigern noch Arbeitnehmern in Frankreich ein Schaden und klassischerweise sind daher auch keine Kläger vorhanden, die gegen die Geschäftsführer der französischen Tochtergesellschaft vorgehen.

c. Haftung der Muttergesellschaft

Sofern ein bestehender Sozialplan in Frankreich ordnungsgemäß ausgeführt wird und sämtliche daraus folgenden Zahlungen geleistet werden, gibt es in der Regel keinen Grund für eine Haftung der Muttergesellschaft.

Sollten die in der französischen Gesellschaft vorhandenen Mittel zur Finanzierung des Sozialplans nicht ausreichen und sollte daher die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Beginn der Ausführung des Sozialplans erforderlich werden, gelten die allgemeinen Regeln der Haftung (siehe oben, Punkt 3. 1.)).

Aufgrund unserer bisherigen Praxiserfahrung im Umgang mit französischen Handelsgerichten erscheint es sehr wahrscheinlich, dass bei einer Muttergesellschaft bestimmter Größe zunächst der Vorwurf erhoben wird, sie hätte die Kosten des französischen Sozialplans ihrer Tochtergesellschaft kennen und tragen müssen. Sofern vor Gericht der Verdacht aufkommt, dass der Arbeitgeber von vornherein die Kosten der Entlassungen auf den französischen Staat zu verlagern beabsichtigte, kann dies zu unangenehmen Entscheidungen des Gerichts führen. Wir empfehlen daher, bereits im Vorfeld gegen das Aufkeimen solcher Verdachtsmomente Vorsorge zu treffen und die Kommunikation entsprechend zu gestalten.

4. Vergleich der Kosten: Insolvenzverfahren in Frankreich vs. Schließung ohne Insolvenz

Neben den Kosten der Durchführung der entsprechenden Handlungsoption fallen Kosten hauptsächlich im Zusammenhang mit der Kündigung der in Frankreich beschäftigten Arbeitnehmer an.

1.) Kosten im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Frankreich

Bei einer Kündigung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens werden die gesetzlichen Ansprüche der Arbeitnehmer durch die staatlichen Insolvenzgeldkassen getragen (Betriebszugehörigkeitsentschädigung, Urlaubsabgeltung, Gehaltsfortzahlung während der Kündigungsfrist).

Lediglich Zusatzzahlungen (Abfindungen nach Sozialplan; prime supra-légale als übergesetzliche Vergleichssumme etc.) werden in der Praxis meist von der Muttergesellschaft übernommen. Bei dieser Gelegenheit werden typischerweise individuelle Vergleiche mit den Arbeitnehmern geschlossen und Zahlungen als Vergleichsentschädigung geleistet. Im Gegenzug verzichten diejenigen Arbeitnehmer, die einen solchen Vergleich unterzeichnen, auf künftige Klagen gegen den Arbeitgeber sowie gegen andere Gesellschaften der Unternehmensgruppe (im In- und Ausland).

Eine solche Klageverzichtserklärung der Arbeitnehmer ist in wirksamer Weise nur im Rahmen eines Vergleichs (accord transactionnel) möglich.

2.) Kosten im Rahmen der Schließung der Gesellschaft ohne Insolvenzverfahren in Frankreich

Bei einer Auflösung und Liquidation der Gesellschaft außerhalb eines Insolvenzverfahrens werden in Frankreich alle Ansprüche der Arbeitnehmer von den Gesellschaftern der aufgelösten französischen Gesellschaft getragen.

In der Regel trägt somit die ausländische Muttergesellschaft diese Kosten.

Auch hierbei können individuelle Vergleiche geschlossen werden, falls Entschädigungszahlungen geleistet werden, die über den gesetzlichen Verpflichtungen liegen (prime supra-légale).

Sie erwägen ein Insolvenzverfahren oder die Schließung Ihres Unternehmens in Frankreich? Sprechen Sie uns an!

Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt Herr Rechtsanwalt Emil Epp und sein Team in Strasbourg, Paris, Baden-Baden, Zürich, Bordeaux und Sarreguemines stehen Ihnen gerne zur Verfügung: epp@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45


Stand der Bearbeitung: Juni 2023