Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in Frankreich
CBBL Rechtsanwalt in Frankreich, Emil Epp, Kanzlei EPP Rechtsanwälte Avocats
Emil Epp
Rechtsanwalt
EPP Rechtsanwälte Avocats
Strasbourg, Paris, Baden-Baden


Bürgschaft (cautionnement) und selbstständige Zahlungsgarantie (garantie autonome) in Frankreich - Was sind die Unterschiede?

Von unserer deutschsprachigen CBBL-Anwältin in Baden-Baden, Frau Vanina Vedel, Avocat, vedel@cbbl-lawyers.de, Tel. +49 (0) 7221 30 23 70, www.rechtsanwalt.fr


Die Bürgschaft (auf Französisch: cautionnement) wird im französischen Zivilgesetzbuch wie folgt definiert:

Vertrag, durch den sich der Bürge (auf Französisch: la caution) gegenüber dem Gläubiger verpflichtet, die Schuld des Schuldners zu begleichen, wenn der Schuldner seiner Verpflichtung nicht selbst nachkommt.

Artikel 2288 Code civil (frz. Zivilgesetzbuch) bestimmt hierzu folgendes:

« Le cautionnement est le contrat par lequel une caution s'oblige envers le créancier à payer la dette du débiteur en cas de défaillance de celui-ci. »

„Die Bürgschaft ist der Vertrag, durch den sich ein Bürge gegenüber dem Gläubiger verpflichtet, die Schuld des Schuldners zu bezahlen, falls dieser ausfällt.“

Die selbstständige Garantie (auf Französisch: garantie autonome bzw. in der Praxis auch oft als garantie à première demande bezeichnet, also als Garantie auf erstes Anfordern) wird im französischen Zivilgesetzbuch definiert als Verpflichtung, die der Garant hinsichtlich der Verbindlichkeit eines Dritten eingeht, diese auf erstes Anfordern oder gemäß den vereinbarten Bedingungen zu bezahlen.

Artikel 2321 Code civil (frz. Zivilgesetzbuch) definiert diese Sicherheit im Wortlaut wie folgt:

« La garantie autonome est l'engagement par lequel le garant s'oblige, en considération d'une obligation souscrite par un tiers, à verser une somme soit à première demande, soit suivant des modalités convenues. »

Die selbständige Garantie ist die Verpflichtung, durch die der Garant sich verpflichtet, betreffend einer durch einen Dritten eingegangenen Verbindlichkeit einen Betrag, entweder auf erstes Anfordern oder gemäß den vereinbarten Modalitäten, zu zahlen.

In der Praxis kann die selbständige Garantie in Frankreich unterschiedliche Formen aufweisen, nämlich:

- „garantie à première demande“ (Garantie auf erstes Anfordern)

Der Garantiegeber (Garant) muss auf die erste Aufforderung des Gläubigers hin zahlen. Weitere Tatsachen oder Dokumente muss der Gläubiger für die Inanspruchnahme der Garantie nicht beweisen bzw. vorlegen.

- „garantie à première demande justifiée“ (Garantie auf begründetes erstes Anfordern)

Bei dieser Form der Garantie muss der Gläubiger bestimmte Angaben machen, damit der Garant die Schuld des ausgefallenen Schuldners erfüllt.

- „garantie documentaire“ (dokumentarische Garantie)

Hierfür ist seitens des Gläubigers die Vorlage bestimmter Unterlagen erforderlich.

Grundsätzlich ist der Unterschied zwischen einer Bürgschaft und einer selbstständigen Garantie (Zahlungsgarantie) in Frankreich wie folgt:

Bei der Bürgschaft nimmt der Bürge im Bürgschaftsfall wirtschaftlich die Position des Hauptschuldners ein und verpflichtet sich, dessen Schuld zu bezahlen. Es handelt sich dabei nicht um eine selbstständige Schuld des Bürgen, sondern weiterhin um die Schuld des Hauptschuldners, so dass sämtliche Einwendungen, die der Hauptschuld anhaften und die der Hauptschuldner dem Gläubiger entgegenhalten kann, auch seitens des Bürgen dem Gläubiger entgegengehalten werden können. Dies bedeutet zum Beispiel, dass sich der Bürge auf die Nichtigkeit der Hauptschuld, ihr Erlöschen oder ihre Verjährung berufen kann oder auf einen etwaig gewährten Schuldenerlass oder auf die Nichterfüllung der Vertragspflicht des Gläubigers etc., genau so, wie dies auch der Hauptschuldner einwenden könnte.

Bei der selbstständigen Garantie verpflichtet sich der Garant, dem Gläubiger einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen, sobald die in der Garantieerklärung vereinbarten Bedingungen erfüllt sind. Die Pflicht zur Zahlung des Garanten ist unabhängig vom ursprünglichen Vertrag, aus dem die zu zahlende Schuld folgt. Etwaige Einwendungen, die aus dem Verhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner resultieren, kann der Garant gegenüber dem Gläubiger nicht geltend machen: Im Ergebnis muss der Garant also sofort – d. h. „auf erstes Anfordern“ – an den Gläubiger zahlen. Hierin zeigt sich der wesentliche Unterschied zwischen Garantie und Bürgschaft: Bei der Bürgschaft kann sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger auf die Einwendungen, die dem Hauptschuldner gegen den Gläubiger zustehen, berufen, bei der selbständigen Garantie kann der Garant dies nicht tun.

Für den Gläubiger ist die selbstständige Zahlungsgarantie als Kreditsicherungsmittel also deutlich vorteilhafter als die Bürgschaft.


In der Praxis kann die Unterscheidung zwischen diesen beiden Sicherheiten hin und wieder Schwierigkeiten bereiten. In Frankreich gibt es umfangreiche Rechtsprechung zu der Frage, ob im konkreten Fall das eine oder das andere vorliegt.

Der Grund für solche Streitigkeiten ist meistens eine zu ungenaue Formulierung der zugrundeliegenden Vereinbarung.

Gerade im internationalen Geschäftsverkehr können terminologisch ungenaue Übersetzungen im Vertrag Unklarheit und Interpretation Tür und Tor öffnen.

In Deutschland kennt man zum Beispiel, neben der „selbstschuldnerischen Bürgschaft“, auch die „Bürgschaft auf erstes Anfordern“. In Frankreich gibt es dieses Sicherungsmittel nicht. Selbst in der deutschen Literatur und Rechtsprechung wird nicht immer sauber zwischen diesen beiden Arten der Bürgschaft unterschieden. Kommt dann noch eine ungenaue französische Übersetzung ins Spiel, kann die Verwirrung groß werden: Denn der deutsche Begriff „Bürgschaft auf erstes Anfordern“ (auf Französisch wortwörtlich: „cautionnement à première demande“) wäre für einen französischen Richter grundsätzlich missverständlich, da man in Frankreich ja nur die „garantie [Garantie] à première demande“ kennt, nicht jedoch das „cautionnement [Bürgschaft] à première demande“.

Kommt es zu Streitigkeiten zwischen dem Gläubiger und dem Garanten bzw. Bürgen hinsichtlich des Umfangs der eingegangenen Verpflichtung, muss der französische Richter den Willen der Parteien, den diese bei Vertragsschluss hatten, ermitteln. Die Bezeichnung der Verpflichtung im Titel des Vertrags spielt bei der Auslegung, die der Richter durchführt, nur eine untergeordnete Rolle.

Beispiel

Auch wenn der Vertrag beispielsweise den Titel „Selbstständige Zahlungsgarantie“ trägt, kann das Gericht ihn als selbstschuldnerische Bürgschaft einstufen, wenn im übrigen Dokument stets auf die Schuld des „Hauptschuldners“ Bezug genommen wird.

Zwar ist der Titel des Vertrages, also seine Überschrift, rechtlich kaum entscheidend. Aber die im Vertrag verwendeten Begriffe und Formulierungen können von entscheidender Bedeutung sein, wenn ein zuständiger Richter anhand dieser interpretieren möchte, was die Parteien tatsächlich gemeint und gewollt haben könnten. Daher sollte im Rahmen einer Garantie eher nicht der Begriff „Hauptschuld“ verwendet werden. Auch sollte, wenn eine Garantie vereinbart werden soll, der garantierte Höchstbetrag bestimmbar sein, ohne dass hierfür auf den Hauptvertrag Bezug genommen werden muss.

In der Praxis hängt die Wahl zwischen einer selbstständigen Zahlungsgarantie und einer Bürgschaft freilich von den konkreten Vertragsverhandlungen ab.

Falls bereits die zu sichernde Hauptforderung schwierig zu bestimmen ist (z. B. ungewisse Schadensersatzansprüche, komplexe Zahlungsverpflichtungen), sollte im Sinne einer größeren Rechtssicherheit die selbstständige Zahlungsgarantie bevorzugt werden.

Außerdem sollte, in internationalen Verträgen in besonderer Weise, auf eine saubere und einheitliche Terminologie geachtet werden, so dass Auslegungsschwierigkeiten von vornherein vermieden werden. Dies kann spätere Streitigkeiten und Prozessrisiken vermeiden und so Kosten reduzieren.


Bei der Gestaltung oder Überprüfung Ihrer Zahlungsgarantien, Bürgschaften oder anderen Garantieverpflichtungen in Ihrem Frankreichgeschäft beraten wir Sie gerne.

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Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt Herr Rechtsanwalt Emil Epp und sein Team in Strasbourg, Paris, Baden-Baden, Zürich, Bordeaux und Sarreguemines stehen Ihnen gerne zur Verfügung: epp@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45


Stand der Bearbeitung: Juli 2022