Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in Frankreich
CBBL Rechtsanwalt in Frankreich, Emil Epp, Kanzlei EPP Rechtsanwälte Avocats
Emil Epp
Rechtsanwalt
EPP Rechtsanwälte Avocats
Strasbourg, Paris, Baden-Baden


Missbrauch einer wirtschaftlichen Abhängigkeit in Frankreich

Von unserer deutschsprachigen CBBL-Anwältin in Straßburg, Frau Déborah Niel, Avocat, niel@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 (0)3 - 88 45 65 45, www.rechtsanwalt.fr


Der Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit eines anderen Unternehmens durch einen wirtschaftlich stärkeren Geschäftspartner ist in Frankreich verboten (sogenannter „abus de dépendance économique“). Durch Artikel L 420-2 Abs. 2 des französischen Handelsgesetzbuchs soll insbesondere der Missbrauch einer wirtschaftlichen Machtposition im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zwischen Herstellern und Händlern sanktioniert werden.

1. Was ist im französischen Recht unter Missbrauch einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu verstehen?

Artikel L 420-2 Abs. 2 des französischen Handelsgesetzbuchs sanktioniert den Missbrauch im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zwischen Herstellern und Händlern, also zwischen Lieferanten und Kunde.

Diese Missbräuche können insbesondere in Verkaufsverweigerungen, Koppelungsverkäufen, diskriminierenden Praktiken oder Sortimentsabsprachen bestehen

2. Wann kann man in Frankreich von einer wirtschaftlichen Abhängigkeit sprechen?

Verfügt einer der Geschäftspartner über keine technisch und wirtschaftlich gleichwertige alternative Bezugsmöglichkeit, falls er sich weigert, den Vertrag zu den Bedingungen abzuschließen, die ihm von seinem Kunden oder Lieferanten aufgezwungen werden, so liegt hierin nach Auffassung der französischen Wettbewerbsbehörde und der Rechtsprechung das wesentliche Kriterium dafür, ob ein Fall von wirtschaftlicher Abhängigkeit vorliegt.

Die Abhängigkeit eines Händlers von einem Lieferanten: eher selten

Dies ist beispielsweise der Fall bei einem Fachhändler (zB Bekleidung, Parfümerie, Sportartikel, Blutprodukte, Filmvertrieb, Produkte der Marke Apple), der nicht konkurrenzfähig wäre, ohne Produkte einer bekannten Marke zum Verkauf anzubieten.

Folgende Kriterien werden ebenfalls berücksichtigt, um zu beurteilen, ob ein Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit in Frankreich vorliegt:

der Anteil des Lieferanten am Umsatz seines oder seiner Geschäftspartner(s);

die Bekanntheit der Marke oder des Handelszeichens;

die Bedeutung des Marktanteils von Geschäftspartnern;

bestehen für den Händler alternative Bezugsmöglichkeiten oder nicht;

die Faktoren, die zur wirtschaftlichen Abhängigkeit geführt haben (handelt es sich um eine strategische Wahl des Händlers oder wurde der Händler durch das Verhalten des Lieferanten zum Vertragsschluss gezwungen).

Abhängigkeit eines Lieferanten von einem Händler: Kaufkraft eines Kunden gegenüber seinem Lieferanten

Wirtschaftliche Abhängigkeit und deren Missbrauch wurden von der Wettbewerbsbehörde im Zusammenhang mit Beziehungen zu Einkaufszentralen festgestellt (z.B. Verkäufer von Werbeflächen).

Der Missbrauch einer Einkaufszentrale kann z.B. für

- die Verknüpfung der Referenzierung eines Produkts mit der Gewährung einer Referenzierungsprämie durch den Lieferanten ohne Gegenleistung

- die Beantragung von kostenlosen Lieferungen

gegeben sein.

3. Kann ein solcher Missbrauch in Frankreich gerechtfertigt sein?

Der Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit ist dann nicht verboten, wenn für die Verhaltensweise eine per ministeriellem Erlass gewährte Befreiung gilt oder wenn die Vertragsparteien nachweisen können, dass die Vereinbarung die „Sicherstellung der Entwicklung des wirtschaftlichen Fortschritts“ zum Ziel hat.

4. Wie kann ich meine Rechte als Unternehmer in Frankreich durchsetzen?

Wie Sie in Frankreich Ihre Rechte als Unternehmer wahren und durchsetzen können, erfahren Sie in unserem Artikel zum Thema "Unlauterer Wettbewerb in Frankreich".

5. Welche Sanktionen drohen in Frankreich?

Eine Verpflichtung, Vereinbarung oder eine Vertragsklausel, die einen Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit darstellt, ist von Rechts wegen nichtig. Eine Vertragspartei oder aber eine Dritt-Partei können die Nichtigkeit einer Vertragsklausel gelten machen.

Das für diesen Missbrauch verantwortliche Unternehmen kann von der französischen Wettbewerbsbehörde mit Geldbußen in Höhe von bis zu 10% des höchsten weltweiten Gesamtumsatzes vor Steuern in einem der Geschäftsjahre belegt werden (Artikel L. 464-2 des französischen Handelsgesetzbuchs).

Natürliche Personen, die betrügerisch eine persönliche und entscheidende Rolle bei der Gestaltung, Organisation oder Durchführung eines solchen Missbrauchs der wirtschaftlichen Abhängigkeit eingenommen haben, können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren und einer Geldstrafe in Höhe von 75.000 Euro bestraft werden (Artikel L. 420-6 des französischen Handelsgesetzbuchs).

Die Wiedergutmachung des Schadens durch Gewährung von Schadensersatz oder die Anordnung der Unterlassung der wettbewerbswidrigen Handlung können gerichtlich eingeklagt werden.

Dem betreffenden Unternehmen kann auch vorgegeben werden, innerhalb einer bestimmten Frist sämtliche Vereinbarungen zur Kartellbildung, die diesen Missbrauch ermöglicht haben, zu ändern oder zu kündigen.

Diese zivilrechtlichen Sanktionen können von französischen Gerichten auf Antrag eigenständig ausgesprochen werden; der vorherigen Einholung einer Stellungnahme der französischen Wettbewerbsbehörde bedarf es nicht.

6. Welches Recht ist anwendbar? Deutsches, französisches oder europäisches Wettbewerbsrecht?

Die französischen Behörden und die französische Rechtsprechung müssen im Falle der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten auch die wettbewerbsrechtlichen / kartellrechtlichen Vorschriften der Europäischen Union anwenden. EU-Recht findet insbesondere dann Anwendung, wenn die wettbewerbswidrigen Praktiken auch Auswirkungen auf den europäischen Markt haben, und zwar auch dann, wenn diese Praktiken ihren Ursprung in Frankreich haben.

Französisches Wettbewerbsrecht findet Anwendung, wenn die Handlungen zum Ziel haben, den Wettbewerb auf einem Markt in Frankreich einzuschränken. Französisches Recht ist auch dann anwendbar, wenn es sich bei den Unternehmen, die wettbewerbseinschränkende Handlungen in Frankreich vornehmen, um ausländische Unternehmen handelt.

7. Wie ist der Wortlaut der einschlägigen Vorschrift des französischen Handelsgesetzbuchs?

Artikel L 420-2 Abs. 2 des französischen Handelsgesetzbuchs sieht folgendes vor:

„Verboten ist zudem die missbräuchliche Ausnutzung durch ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe der wirtschaftlichen Abhängigkeit, in der sich ein Unternehmen oder ein Lieferant ihm/ihr gegenüber befindet, wenn dies das Funktionieren des Wettbewerbs oder die Struktur der Konkurrenz beeinflussen würde. Diese Missbräuche können insbesondere in der Verkaufsverweigerung, in der Produktkopplung, in diskriminierenden Handlungen im Sinne des Artikels L. 442-6 oder in sog. accords de gamme [Vereinbarungen, die große Marken ihren Vertriebspartnern anbieten, im Rahmen derer gegen Gewährung eines Rabatts auf ein Hauptprodukt die Listung eines anderen Produkts der Produktlinie erwirkt wird] liegen.“

Sie wünschen Beratung? Sprechen Sie uns gerne an!

Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt Herr Rechtsanwalt Emil Epp und sein Team in Strasbourg, Paris, Baden-Baden, Zürich, Bordeaux und Sarreguemines stehen Ihnen gerne zur Verfügung: epp@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45


Stand der Bearbeitung: Januar 2023