Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in Frankreich
CBBL Rechtsanwalt in Frankreich, Emil Epp, Kanzlei EPP Rechtsanwälte Avocats
Emil Epp
Rechtsanwalt
EPP Rechtsanwälte Avocats
Strasbourg, Paris, Baden-Baden


Aktuelles zum Insolvenzrecht: Unternehmensinsolvenz in Frankreich – Neue Regeln durch die Reform 2021

Von unseren deutschsprachigen CBBL-Anwältinnen in Zürich und Straßburg, Frau Clémentine Paquet, Avocat, paquet@cbbl-lawyers.de, und Frau Elisabeth Walckenaer, Avocat, walckenaer@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 (0)3 - 88 45 65 45, www.rechtsanwalt.fr


Seit mehr als einem Jahr werden in Frankreich zahlreiche Rechtsgebiete an die besonderen Anforderungen der Corona-Pandemie angepasst.

Durch die Verordnung Nr. 2021-1193 vom 15. September 2021 wurden nun auch die Vorschriften für Unternehmen in Schwierigkeiten (insbesondere: Firmen in Insolvenz) in Frankreich geändert.

Diese Verordnung wurde in Anwendung von Artikel 196 des Pacte-Gesetzes erlassen (Gesetz Nr. 2019-486 vom 22. Mai 2019 betreffend das Wachstum und den Umbau von Unternehmen, verkündet im frz. Amtsblatt JO am 23. Mai 2019). Durch die Verordnung wird die Europäische Richtlinie (EU) 2019/1023 vom 20. Juni 2019 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) in französisches Recht umgesetzt.

Dies bot in Frankreich die Gelegenheit, auch die Maßnahmen der Verordnung Nr. 2020-596 vom 20. Mai 2020 zur Bekämpfung der Corona-Pandemie dauerhaft und fest in das französische Handelsgesetzbuch zu integrieren.

Wir möchten im Folgenden die besonders praxisrelevanten Neuerungen der Reform darstellen, nämlich:

  1. Aufwertung der Maßnahmen zur Vermeidung von Insolvenzen in Frankreich
  2. Reform des beschleunigten Erhaltungsverfahrens (französisches Schutzschirmverfahren)
  3. Einführung von "Kategorien der betroffenen Parteien" in Frankreich
  4. Reform der Vorschriften in Frankreich betreffend Gläubiger, zu deren Gunsten Kreditsicherheiten bestehen
  5. Sonstige geänderte Vorschriften in Frankreich

1. Aufwertung der Maßnahmen zur Vermeidung von Insolvenzen in Frankreich

Zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen in Frankreich bringt die Reform eine Reihe von Neuerungen mit sich. Durch die neuen Regeln soll das sogenannte Warnverfahren (procédure d’alerte) (= eines der vorinsolvenzlichen Verfahren in Frankreich) beschleunigt werden. Ferner sollen die Bestimmungen der Corona-Verordnung Nr. 2020-596 betreffend die Schonfrist im Schlichtungsverfahren (procédure de conciliation) Gesetzeskraft erlangen und fortan dauerhaft gelten.

Beschleunigung des Warnverfahrens (procédure d’alerte)

Die Reform des französischen Rechts für Unternehmen in Schwierigkeiten, die durch die Verordnung Nr. 2021-1193 vom 15. September 2021 durchgeführt wurde, bringt zunächst zwei Änderungen des Warnverfahrens (procédure d’alerte) mit sich, die wir in diesem Abschnitt darstellen möchten.

Das Warnverfahren ist ein präventives Insolvenzverfahren, das verhindern soll, dass die wirtschaftlichen Probleme des Unternehmens unumkehrbar werden und so letztlich zur Zahlungsunfähigkeit führen. Sinn dieses Verfahrens ist es, die Aufmerksamkeit der Unternehmensleitung auf die bestehenden Probleme zu lenken, damit notwendige Maßnahmen zeitnah eingeleitet werden können, um eine tatsächliche Insolvenz zu verhindern.

Es gibt in Frankreich verschiedene Möglichkeiten, ein Warnverfahren auszulösen. Der Auslöser kann von innerhalb oder von außerhalb des Unternehmens herrühren. Je nach Sachverhalt kann eine solche offizielle "Warnung" beispielsweise vom Wirtschaftsprüfer des Unternehmens ausgesprochen werden oder vom Betriebsrat, von den Gesellschaftern selbst, vom Präsidenten des zuständigen Gerichts oder von einer zugelassenen Präventionsstelle, bei der das Unternehmen Mitglied ist.

Eine der Änderungen durch die Reform 2021 ist die Stärkung der Befugnisse des Präsidenten des Handelsgerichts:

Er hat künftig die Möglichkeit, bereits im Zeitpunkt der Ladung des Geschäftsführers ein sog. "kleines Ermittlungsverfahren" (mini-enquête) einzuleiten. Vor der Reform musste das Gericht das formale Gespräch mit dem Geschäftsführer oder die förmliche Feststellung, dass der Geschäftsführer seiner Ladung nicht nachgekommen ist, abwarten, um solche Ermittlungen zu beginnen (Artikel L. 611-2 des französischen Handelsgesetzbuchs).

Eine weitere Änderung betrifft die Beschleunigung des Warnverfahrens, indem eine in der Corona-Verordnung Nr. 2020-596 vom 20. Mai 2020 enthaltene Maßnahme nun fest im Gesetz verankert wird. Die Regelung gibt dem Abschlussprüfer (Wirtschaftsprüfer) die Möglichkeit, den Präsidenten des zuständigen Gerichts über die Zahlungsschwierigkeiten zu informieren, sobald diese Information dem Vorsitzenden des Verwaltungs- oder Aufsichtsrats des Unternehmens oder dem Geschäftsführer zugegangen ist (Artikel L. 611-2-2 des französischen Handelsgesetzbuchs).

Die Zielrichtung dieser Maßnahmen besteht darin, eine Beschleunigung des Warnverfahrens zu erreichen, um es in der Praxis wirksamer zu machen.

Gnadenfristen bei Schlichtungsverfahren

Im Rahmen von insolvenzrechtlichen Schlichtungsverfahren in Frankreich wird mit der Verordnung Nr. 2021-1193 vom 15. September 2021 ein weiteres wichtiges Instrument der Corona-Maßnahmen vom 20. Mai 2020 im Gesetz fest verankert, nämlich die Möglichkeit für das Schuldner-Unternehmen, gemäß Artikel 1343-5 des französischen Zivilgesetzbuchs für die Dauer des Verfahrens sogenannte Gnadenfristen zu beantragen. Diese Gnadenfristen betreffen Gläubiger, die nicht innerhalb der vom Schlichter gesetzten Frist den Antrag auf Aussetzung der Fälligkeit akzeptiert haben (Art. L. 611-7 Absatz 5 des französischen Handelsgesetzbuchs).

Ein solcher Antrag ist seitens des Schuldners beim Präsidenten des Gerichts, das das Schlichtungsverfahren eröffnet hat, zu stellen.

Der Schuldner hat somit künftig die Möglichkeit, gerichtlich zu beantragen, dass ihm ein Zahlungsaufschub gewährt oder eine Ratenzahlung eingeräumt wird. Allerdings kann das Gericht die Begleichung der noch nicht fälligen Forderungen zeitlich nur bis zum Ende des Auftrags des Schlichters aufschieben bzw. als Ratenzahlung anordnen, jedoch nicht über zwei Jahre hinaus. In Bezug auf die fälligen Forderungen muss das Gericht Artikel 1343-5 des frz. Zivilgesetzbuchs anwenden: Personen, die als Gesamtschuldner mitverpflichtet sind oder die eine persönliche Sicherheit gewährt haben (z.B.: Bürgschaft) oder die einen Vermögensgegenstand als Sicherheit gewährt oder abgetreten haben, kommen ebenfalls in den Genuss dieser Gnadenfristen.

Die Verordnung ergänzt außerdem einen neuen Artikel in das Handelsgesetzbuch, wonach "die Hinfälligkeit oder die Auflösung der Schlichtungsvereinbarung diejenigen Klauseln, deren Zweck es ist, die Folgen [der Aufhebung der Schlichtungsvereinbarung] zu regeln, nicht unwirksam macht" (Artikel L. 611-10-4 des französischen Handelsgesetzbuchs). Die Parteien können auf diese Weise in der Schlichtungsvereinbarung vereinbaren, was mit den Sicherheiten und Garantien im Falle einer Aufhebung der Vereinbarung geschehen soll. Dadurch wird die Gestaltungshoheit (Privatautonomie) der Parteien auch über die Wirksamkeit der Schlichtungsvereinbarung hinaus gestärkt.

2. Reform des beschleunigten Erhaltungsverfahrens (französisches Schutzschirmverfahren/procédure de sauvegarde)

Neues Verfahren beim beschleunigten Erhaltungsverfahren

Durch die Reform 2021 wurden das beschleunigte Erhaltungsverfahren und das beschleunigte Finanzerhaltungsverfahren zu einem einheitlichen Verfahren zusammengefasst.

Das Gesetz gibt die Möglichkeit, die Wirkungen des Verfahrens (hinsichtlich der Gläubiger) auf die Finanzgläubiger (z.B.: Banken) zu beschränken.

Das beschleunigte Erhaltungsverfahren steht allen Unternehmen offen, die zuvor ein Schlichtungsverfahren (conciliation) durchlaufen haben. Die Dauer des Verfahrens beträgt zwei Monate ab dem Eröffnungsbeschluss und kann bis auf maximal vier Monate Dauer verlängert werden (Artikel L. 628-8 des französischen Handelsgesetzbuchs).

Eine wichtige Neuerung durch die Reform 2021 ist beim beschleunigten Erhaltungsverfahren die Einführung von "Kategorien der betroffenen Parteien". Diese sollen die ehemaligen Gläubigerausschüsse (comités des créanciers) ersetzen.

Die "Kategorien der betroffenen Parteien" finden auf jeden Fall im beschleunigten Erhaltungsverfahren Anwendung (sauvegarde accélérée), unter bestimmten Voraussetzungen auch im klassischen Erhaltungsverfahren (sauvegarde judiciaire) sowie im gerichtlichen Sanierungsverfahren (redressement judiciaire).

Verkürzung der Fristen für die Beobachtungsphase und den Erhaltungsplan

Bisher wurde in Frankreich für Unternehmen in Schwierigkeiten als Beobachtungsphase eine Dauer von sechs Monaten angesetzt, die um weitere sechs Monate verlängert werden konnte. Ausnahmsweise und nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft konnte das Gericht aufgrund einer begründeten Entscheidung den Beobachtungszeitraum dann noch einmal um weitere sechs Monate verlängern, so dass die maximale Gesamtdauer des Beobachtungszeitraums im Erhaltungsverfahren 18 Monate betrug.

Durch die Reform wurde die Möglichkeit dieser letztgenannten Verlängerung abgeschafft. Bei einem gerichtlichen Sanierungsverfahren (redressement judiciaire) ist diese zusätzliche Verlängerungsmöglichkeit jedoch weiterhin gegeben (Artikel L. 631-7 Absatz 2 des französischen Handelsgesetzbuchs).

Ein Urteil zur Eröffnung eines gerichtlichen Erhaltungsverfahrens ordnet eine Beobachtungsphase von maximal 6 Monaten an, wobei diese Dauer auf der Grundlage einer "besonders begründeten Entscheidung" einmalig um 6 weitere Monate verlängert werden kann. Die Dauer des Beobachtungszeitraums beim Erhaltungsverfahren wurde somit auf maximal zwölf Monate (vor der Reform: maximal 18 Monate) verkürzt.

Ziel dieser Änderung ist es, einen schnelleren Ausstieg aus dem Erhaltungsverfahren zu begünstigen. Der Umstand, dass die Verlängerung des Beobachtungszeitraums nach Ablauf der ersten sechs Monate nur durch eine "besonders" begründete Entscheidung des Gerichts erfolgen kann, trägt ebenfalls zum Ziel der Beschleunigung des Erhaltungsverfahrens bei, was mit den unterschiedlichen Philosophien des Erhaltungs- (sauvegarde judiciaire) und des Sanierungsverfahrens (redressement judiciaire) zusammenhängt:

Die Situation des Schuldners, der ein Erhaltungsverfahren (sauvegarde judiciaire) beantragt, rechtfertigt eine kürzere Verfahrensdauer als bei einer gerichtlichen Sanierung (redressement judiciaire), da der Schuldner beim Erhaltungsverfahren (noch) nicht zahlungsunfähig ist, aber (bereits) mit Schwierigkeiten konfrontiert ist, die er aktuell nicht ohne Hilfe überwinden kann. Im Erhaltungsverfahren besteht also eine tendenziell größere Aussicht darauf, dass man mit schnell durchgeführten geeigneten Maßnahmen eine Zahlungsunfähigkeit abwenden kann. Bei der gerichtlichen Sanierung (redressement judiciaire) hingegen besteht bereits bei Eröffnung des Verfahrens Zahlungsunfähigkeit.

Ebenfalls in dem Bestreben, die Dauer des Insolvenzverfahrens zu verkürzen, wurde Artikel L. 626-10 des französischen Handelsgesetzbuchs geändert:

Falls die Schuldner-Gesellschaft sich zur Begleichung von Schulden verpflichtet und diese Verpflichtung durch eine Erklärung des Steuerberaters oder des Wirtschaftsprüfers bescheinigt wird, in der alle festgestellten bzw. unbestrittenen sowie identifizierbaren Forderungen, insbesondere jene, deren Anmeldefristen noch nicht abgelaufen sind, aufgeführt werden, hat das zur Folge, dass die Beobachtungsphase effizienter ablaufen und somit schneller beendet werden kann.

So kann das Gericht einen Erhaltungs- oder Sanierungsplan schneller prüfen, ohne zuvor das Ende des Verfahrens langwieriger Forderungsprüfungen abzuwarten. Dies soll in erster Linie solchen Unternehmen zugutekommen, deren Buchhaltung besonders gut geführt ist, so dass der Steuerberater oder der Wirtschaftsprüfer das Verfahren effizient unterstützen können.

3. Einführung von "Kategorien betroffener Parteien" in Frankreich

Die Einführung von "Kategorien betroffener Parteien" ist die wesentlichste Neuerung, die durch die Insolvenzrechts-Reform 2021 in Frankreich eingeführt wurde.

Anwendungsbereich

Die „Kategorien betroffener Parteien“ sind jedenfalls im Rahmen des beschleunigten Erhaltungsverfahrens anwendbar.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann diese Kategorien-Einteilung sowohl im klassischen Erhaltungsverfahren (sauvegarde judiciaire) als auch im Sanierungsverfahren (redressement judiciaire) angewendet werden, nämlich entweder auf Antrag des Schuldners oder aufgrund der Größe des Schuldnerunternehmens, wenn dieses mindestens einen der nachfolgenden Schwellenwerte überschreitet:

  • 250 Beschäftigte und Umsatz von 20 Millionen € netto oder
  • Umsatz von 40 Millionen € netto.

Einordnung der Parteien in verschiedene Kategorien

Die „Kategorien betroffener Parteien“ werden nach dem Kriterium eines gemeinsamen wirtschaftlichen Interesses bestimmt. Gläubiger, deren Rechte durch den Erlass eines Erhaltungs- oder Sanierungsplans in gleicher Weise beeinträchtigt werden könnten, werden in einer Kategorie zusammengefasst werden.

Die Einteilung der verschiedenen Gläubiger in Kategorien liegt im Ermessen des Insolvenzverwalters, muss aber auf objektiven, nachprüfbaren Kriterien beruhen und folgende drei Voraussetzungen erfüllen:

  • Gläubiger, die für ihre gesicherten Forderungen Inhaber von dinglichen Sicherheiten am Vermögen des Schuldners sind, müssen in einer anderen Kategorie aufgeführt werden als andere Gläubiger,
  • bestehende Vereinbarungen über die Nachrangigkeit müssen beachtet werden und
  • die Anteilseigner des Schuldnerunternehmens werden, falls sie betroffen sind, aufgefordert, in einer oder mehreren Kategorien mit abzustimmen.

Anhand dieser drei Voraussetzungen lässt sich eine Kategorienstruktur der Gläubiger von ‚am stärksten bevorrechtigt‘ bis hin zu ‚am wenigsten bevorrechtigt‘ aufstellen.

Bedeutung der „Kategorien betroffener Parteien“

Jede einzelne Kategorie stimmt jeweils über den ihr vorgelegten Planentwurf mit einer Mehrheit von zwei Dritteln (2/3) der abgegebenen Stimmen ab.

Im Rahmen eines Sanierungsverfahrens (redressement judiciaire) können die Kategorien betroffener Parteien auch einen konkurrierenden alternativen Planentwurf vorlegen. Diese Möglichkeit besteht jedoch nicht im Rahmen eines Erhaltungsverfahrens.

Wenn der Plan seitens der verschiedenen Kategorien betroffener Parteien angenommen wird, muss das Gericht – vor Erteilung der gerichtlichen Zustimmung – die Einhaltung folgender Voraussetzungen prüfen:

  • Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Parteien innerhalb einer Kategorie wurde gewahrt.
  • Der Plan wurde allen betroffenen Parteien mitgeteilt.
  • Bei einem Erlass des Plans würde es zu keiner ungünstigeren Situation für jene Gläubiger kommen, die mit dem Plan nicht einverstanden waren, als dies bei einer gerichtlichen Liquidation (liquidation judiciaire) oder einem Verkauf des Unternehmens der Fall wäre.
  • Es darf zu keiner übermäßigen Beeinträchtigung der Interessen der betroffenen Parteien durch neue Finanzierungen, die im Rahmen der Umsetzung des Plans vorgenommen werden, kommen.
  • Es muss eine angemessene Aussicht darauf bestehen, dass eine Insolvenz (Zahlungseinstellung; cessation des paiements) vermieden und die Rentabilität des Unternehmens gesichert wird.
  • Die Gläubigerinteressen müssen ausreichend geschützt werden (Artikel L. 626-31 des französischen Handelsgesetzbuchs).

Falls eine oder mehrere Kategorie(n) betroffener Parteien den Plan nicht annimmt/annehmen, kann der Schuldner oder der Insolvenzverwalter im Einvernehmen mit dem Schuldner, beim zuständigen Gericht beantragen, dass der Plan gerichtlich erlassen wird, damit dieser auch den Gläubigern aus denjenigen Kategorien, die den Plan abgelehnt haben, auferlegt wird.

Das Gericht gibt einem solchen Antrag statt, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  • Ausreichender Schutz der Gläubigerinteressen
  • Der Plan muss angenommen worden sein von einer Mehrheit der Kategorien betroffener Parteien und mindestens von einer Kategorie von Gläubigern, die dinglich gesichert sind oder die einen höheren Rang haben als die Kategorie der nicht bevorrechtigten Gläubiger; falls diese Voraussetzung nicht erfüllt ist: Zustimmung von mindestens einer Kategorie (ausgenommen: Kategorie der Anteilseigner), bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie bei der Verteilung des Liquidationsvermögens oder des Veräußerungserlöses keinen Anspruch auf Zahlung hätte, falls man die gesetzliche Rangfolge der Gläubigerbefriedigung anwenden würde.
  • Die Forderungen der betroffenen Parteien einer Kategorie, die gegen den Plan gestimmt hat, müssen durch gleiche oder gleichwertige Mittel vollständig befriedigt werden, falls eine Kategorie mit niedrigerem Rang Anspruch auf eine Zahlung erwirbt oder im Rahmen des Plans eine Gewinnbeteiligung erhält.
  • Keine Kategorie betroffener Parteien darf mehr als den Gesamtbetrag der ihr zustehenden Forderungen und Zinsen erhalten.
  • Falls der Plan von einer Kategorie der Anteilseigner nicht angenommen wurde, darf die Annahme des Plans gerichtlich nur erzwungen werden bei Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten mit einem Jahresnettoumsatz von mindestens 20 Millionen Euro oder bei Unternehmen mit einem Jahresnettoumsatz von mindestens 40 Millionen Euro.

Das Gericht hat also einen großen Ermessensspielraum bei der Frage, ob es einen Plan erlässt oder nicht, da es den Plan auch trotz Ablehnung durch bestimmte Kategorien betroffener Gläubiger verbindlich anordnen kann. Dies bedeutet, dass die Richter hier eine große wirtschaftliche Gestaltungsmacht haben.

4. Reform der französischen Vorschriften betreffend Gläubiger, zu deren Gunsten Kreditsicherheiten bestehen

Durch ihre Verknüpfung mit der Verordnung Nr. 2021-1192 vom 15. September 2021 (Reform der Kreditsicherheiten) ändert die Verordnung Nr. 2021-1193 vom 15. September 2021 mehrere der nachfolgenden Bestimmungen betreffend Gläubiger und Sicherungsgeber.
Um die Rechte der Gläubiger im Beobachtungszeitraum zu verbessern und die Durchsetzung dieser Rechte zu vereinfachen, ermöglicht Artikel 15 der Verordnung Nr. 2021-1193 dem Insolvenzrichter, die Bestellung einer jedweden vertraglichen dinglichen Sicherheit zu genehmigen.

Ergänzung der Möglichkeit der Bezahlung der Forderung eines Transporteurs

Der Insolvenzrichter kann den Schuldner auch ermächtigen,

  • "eine Verfügungshandlung vorzunehmen, die nicht mit der laufenden Verwaltung des Unternehmens zusammenhängt,
  • eine vertragliche dingliche Sicherheit zur Sicherung einer Forderung, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, zu bestellen,
  • den Frachtführer, der eine Klage gemäß Artikel L. 132-8 des französischen Handelsgesetzbuchs erhebt, zu bezahlen (neu eingeführt durch die Reform) oder
  • einen Vergleich abzuschließen (Artikel L. 622-7 Absatz 2 des französischen Handelsgesetzbuchs).

Die in der Praxis häufig genutzte Möglichkeit, dass der Gläubiger seine Forderung, welche erst nach Verfahrenseröffnung entsteht, absichert, begünstigt die Finanzierung des Schuldnerunternehmens, das sich bereits im Insolvenzverfahren befindet. Die oben genannten Absicherungen neu entstehender Forderungen ist auf diese Weise ein Anreiz für Gläubiger, dem insolventen Unternehmen weiterhin Kredit zu gewähren.

Bei der neuen Regel betreffend Zahlungsklagen von Frachtführern handelt es sich im Kern um eine neue Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Bezahlung von Forderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind – normalerweise müssen solche Forderungen von den Gläubigern zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Diese neue Regel ist in der Praxis besonders relevant, um die Fortführung der Geschäftstätigkeit des Schuldner-Unternehmens, welches einem Transportunternehmer Geld schuldet, zu begünstigen, insbesondere wenn die Fortsetzung des Vertrages mit diesem Transportunternehmer für die Sanierung des Schuldner-Unternehmens von großer Bedeutung ist.

Das «Post-Money-Vorrecht»

Um die Finanzierung des Unternehmens während des Beobachtungszeitraums des Insolvenzverfahrens zu sichern, wurde Art. L. 622-17 des frz. Handelsgesetzbuchs geändert, indem ein Vorrecht eingeführt wurde für "Liquiditätszuführungen" („apport de trésorerie“), die während des Beobachtungszeitraums erfolgen.

Es handelt sich dabei um eine Begünstigung von Gläubigern, die dem notleidenden Unternehmen in Frankreich Geld zur Verfügung stellen (New Money bzw. Fresh Money). Im Rahmen dieses Vorrechts werden Gläubiger, die dem Unternehmen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Geld zur Verfügung stellen, begünstigt, wenn es später zu einem Verkauf oder zu einer Zerschlagung des Unternehmens kommt.

Vor der Reform 2021 konnten nur Darlehen in den Genuss eines solchen Vorrechts kommen. Mit der Reform will der Gesetzgeber die möglichen Finanzierungsquellen erweitern, indem ein Anreiz für Finanzierer geschaffen wird: Die Finanzierung eines insolventen Unternehmens in Frankreich ist für Gläubiger künftig also risikoärmer gestaltbar.

Das Vorrecht kommt jedoch nicht zur Anwendung für Einlagen, die von den Aktionären bzw. den Gesellschaftern des Schuldnerunternehmens im Rahmen einer Kapitalerhöhung eingezahlt werden. Das Vorrecht steht den „Kapitalbringern“ im Kern also nur zu, wenn es sich bei der Einlage tatsächlich um "frisches Geld" handelt und nicht beispielsweise um eine Einlage, der im Gegenzug eine Forderung des Einlegenden (gegen die Schuldnergesellschaft) gegenübersteht.

Die Gewährung eines solchen Vorrechts erfordert ferner eine gerichtliche Erlaubnis der Einbringung frischer Mittel und die Bekanntmachung der entsprechenden Entscheidung.

Die Reform ändert auch die in Artikel L. 622-17 Absatz 3 des frz. Handelsgesetzbuchs festgelegte und besonders praxisrelevante Reihenfolge der Befriedigung der Gläubiger (Rangfolge der Befriedigung).

Bislang genoss das Vorrecht der (Rück-) Forderung aufgrund Liquiditätszuführung (Gewährung von Fresh Money nach der Insolvenzeröffnung) denselben Rang wie Forderungen aus der Erfüllung von Verträgen, die gemäß Artikel L. 622-13 des frz. Handelsgesetzbuchs nach der Insolvenzeröffnung fortgesetzt wurden unter Vereinbarung mit dem Vertragspartner, dass dieser eine aufgeschobene Zahlung akzeptiert. Künftig werden Forderungen, die im Zusammenhang mit einer nach Insolvenzeröffnung erfolgenden Zuführung von Barmitteln stehen, in den zweiten Rang gestellt und werden somit noch vor den Forderungen aus der Erfüllung von Verträgen vorrangig befriedigt (Artikel L. 622-17 des frz. Handelsgesetzbuchs).

Unterbrechung von Klagen gegen das Unternehmen sowie der Eintragung von Sicherheiten gegen das Unternehmen

In der geänderten Fassung bestimmt Artikel L. 622-21 des frz. Handelsgesetzbuchs, dass ein Gläubiger, der Inhaber einer vertraglichen dinglichen Sicherheit ist (z. B. Pfandrecht), kein Klageverfahren und keine Vollstreckungsmaßnahme gegen das Unternehmen einleiten darf. Er muss seine Forderung vielmehr zur Insolvenztabelle in Frankreich anmelden.

Der Gläubiger muss die Art seiner Sicherheit und künftig auch ihren Sicherungswert angeben, sowie gegebenenfalls auch, ob die vertraglich eingeräumte dingliche Sicherheit gerade als Sicherheit für die Schulden eines Dritten bestellt wurde (Artikel L. 622-25 des frz. Handelsgesetzbuchs).

Forderungen und Sicherheiten, die nicht ordnungsgemäß und fristgerecht angemeldet wurden, können dem Schuldner künftig nicht nur während der Durchführung des Erhaltungs- bzw. Sanierungsplans nicht entgegengehalten werden, sondern auch danach ist eine Geltendmachung gegen den Schuldner ausgeschlossen, wenn die im Plan genannten oder vom Gericht beschlossenen Verpflichtungen seitens der Schuldnergesellschaft ordnungsgemäß erfüllt worden sind (Artikel L. 622-26 des frz. Handelsgesetzbuchs).

Persönliche Sicherheiten, die von Dritten zugunsten der Schuldnergesellschaft eingeräumt waren, sollten ebenfalls vor einer Zahlung (Zahlung durch die Sicherungsgeber anstelle der Schuldnergesellschaft) angemeldet werden (Artikel L. 622-34 des frz. Handelsgesetzbuchs). Dies gilt sowohl für Sicherungsgeber, die natürliche Personen sind, als auch für Sicherungsgeber, die juristische Person sind.

Schließlich stellt Art. L. 624-3-1 Absatz 2 des frz. Handelsgesetzbuchs nun klar, dass einem Sicherungsgeber die förmliche Forderungsaufstellung nicht entgegengehalten werden kann, wenn dem Sicherungsgeber die abschließende Entscheidung des Insolvenzrichters (juge commissaire) über die Zulassung von Forderungen zur Teilnahme an der Masse nicht übermittelt worden ist.

5. Sonstige geänderte Vorschriften in Frankreich

Nachfolgend sollen einige weitere Punkte, die durch die Reform vom 15. September 2021 geändert wurden, in der gebotenen Kürze angesprochen werden.

Auf die Forderungen zu zahlende Mindestjahresrate

Bezüglich der Modalitäten von Erhaltungs- und Sanierungsplänen wurde Artikel L. 626-18 des frz. Handelsgesetzbuchs dahingehend geändert, dass ab dem sechsten Jahr der Planerfüllung im Rahmen der Schuldentilgung eine Mindestjahresrate in Höhe von 10 % der Verbindlichkeiten eingeführt wird.

Diese Bestimmung stärkt die Rechte der Gläubiger im Rahmen von Insolvenzverfahren und zielt darauf, solche Erhaltungs- bzw. Sanierungspläne zu vermeiden, die für die Zwecke der Schuldentilgung geringere Jahresraten (z. B.: jährlich nur 5 % der Verbindlichkeiten) bis zur neunten Jahresrate bestimmen. Mit der letzten Rate ist die Restschuld (Saldo) zu begleichen.

Grundsatz "Schweigen der Gläubiger gilt als Zustimmung"

Die frz. Verordnung Nr. 2021-1193 verankert eine Maßnahme, die im Rahmen der Corona-Verordnung Nr. 2020-596 eingeführt worden war, indem sie einen neuen Absatz 2 in Artikel L. 626-26 des frz. Handelsgesetzbuchs einfügt, der den Grundsatz festschreibt, dass ein Schweigen der Gläubiger als Zustimmung zu wesentlichen Änderungen des Plans gilt. Ausgenommen von diesem Grundsatz sind Änderungen des Plans, durch die Schuldenerlasse oder eine Umwandlung von Anteilen in Kapital erfolgt.

Dieser Grundsatz, der nach der alten Rechtslage im Zeitpunkt der Erstellung des Erhaltungs- oder Sanierungsplans galt, gilt künftig auch bei wesentlichen Änderungen des Plans.

Der Geschäftsführer der französischen Gesellschaft

Die Verordnung Nr. 2020-596 vom 20. Mai 2020, die während der Corona-Pandemie erlassen wurde, hatte verschiedene befristete Maßnahmen zum Gegenstand, die die Geschäftsleitung eines Unternehmens, das sich in Frankreich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, unterstützen sollten.

Aufgrund des sehr positiven Feedbacks aus der Wirtschaft wurden diese Maßnahmen nun mit der Reform 2021 dauerhaft im Handelsgesetzbuch festgeschrieben.

Dies betrifft insbesondere folgende Punkte:

  • Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens („liquidation judiciaire simplifiée“) für Einzelunternehmer, wobei die einzige Voraussetzung für die Eröffnung darin besteht, dass kein Immobilienvermögen (mit Ausnahme von Immobilien, in denen der Unternehmer seinen Wohnsitz hat) vorhanden ist (Artikel L. 641-2 Abs. 1 des frz. Handelsgesetzbuchs)
  • Anwendung der Vorschriften der beruflichen Wiederherstellung („rétablissement professionnel“), indem der Wert des Hauptwohnsitzes bei der Bestimmung des Gesamtvermögens des Schuldners ausdrücklich unbeachtet bleibt (Artikel L. 645-1 des frz. Handelsgesetzbuchs).

Die durch die Verordnung Nr. 2021-1193 vom 15. September 2021 durchgeführte Reform des Rechts der Unternehmensinsolvenzen in Frankreich war in einem besonderen wirtschaftlichen Kontext mit großer Spannung erwartet worden.

Zwar ist die seit dem Beginn der Corona-Pandemie befürchtete Welle von Unternehmensinsolvenzen in Frankreich ausgeblieben, doch die Sorgen der verschiedenen Akteure in der Wirtschaft sind nach wie vor präsent.

Diese Reform verfolgt das konstruktive Ziel, diejenigen Unternehmen in Frankreich, die durch die Pandemie finanziell geschwächt wurden, die aber weiterhin wirtschaftlich „lebensfähig“ sind, zu retten, indem gerade die präventiven und unterstützenden Möglichkeiten des Insolvenzrechts gestärkt wurden.

Nach wie vor bleibt es jedoch in der Praxis wichtig, bei erkennbaren oder absehbaren Schwierigkeiten bereits im vorinsolvenzlichen Stadium frühzeitig und proaktiv die entsprechenden Stellen mit einzubeziehen.

Nicht selten wird bei einem eventuellen späteren Eintritt einer Insolvenz in Frankreich eine solche Vorgehensweise honorierend bewertet – insbesondere seitens des Insolvenzverwalters und der Handelsgerichte. Dies wiederum führt in der Regel zum Absehen von Haftungsansprüchen gegen die Geschäftsführer bzw. die Muttergesellschaft.

Sie haben weitere Fragen zur Unternehmensinsolvenz in Frankreich und den neuen Regeln durch die Reform 2021? Sprechen Sie uns an!

Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt Herr Rechtsanwalt Emil Epp und sein Team in Strasbourg, Paris, Baden-Baden, Zürich, Bordeaux und Sarreguemines stehen Ihnen gerne zur Verfügung: epp@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45


Stand der Bearbeitung: März 2023