Unlauterer Wettbewerb in Frankreich durch Herbeiführung eines wesentlichen Ungleichgewichts
Von unserer deutschsprachigen CBBL-Anwältin in Straßburg, Frau Déborah Niel, Avocat, niel@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45, https://rechtsanwalt.fr
In Frankreich kann die sogenannte Herbeiführung eines wesentlichen Ungleichgewichts („déséquilibre significatif“) durch ein Unternehmen wettbewerbsrechtlich sanktioniert werden.
2. Beispiele für die „Herbeiführung eines wesentlichen Ungleichgewichts“ in Frankreich
4. Was sind die Rechtsfolgen bei dieser Art des unlauteren Wettbewerbs in Frankreich?
5. Vor welchem Gericht kann in Frankreich geklagt werden?
6. Wie kann ich meine Rechte als Unternehmer in Frankreich durchsetzen?
1. Was bedeutet in Frankreich im Wettbewerbsrecht „Herbeiführung eines wesentlichen Ungleichgewichts“?
Das Verbot, ein wesentliches Ungleichgewicht herbeizuführen, bezieht sich auf Fälle, in denen ein Geschäftspartner seine Verhandlungsmacht ausnutzt, um seinem Verhandlungspartner Verpflichtungen aufzuzwingen, die eigentlich zum Aufgabenkreis des Ersteren gehören und lediglich zu dessen Vorteil sind und die, darüber hinaus, meist zu einem zu hohen Preis vereinbart werden.
Es handelt sich hierbei oft um Sachverhalte, die in Deutschland unter die gesetzlichen Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) (§§ 305-310 BGB) fallen würden.
2. Beispiele für die „Herbeiführung eines wesentlichen Ungleichgewichts“ in Frankreich
Solche wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen werden in Frankreich meist bei größeren Vertriebsstrukturen angetroffen.
Oft handelt es sich um Einkaufszentralen, die eigene Musterverträge verwenden, die sie sämtlichen Lieferanten anbieten und in denen die Einkaufszentralen sehr vorteilhafte Konditionen für sich vorformulieren, aber kaum Vorteile für den Lieferanten.
Andere Vertragsarten können ebenfalls von einem „wesentlichen Ungleichgewicht“ betroffen sein, wie beispielsweise Subunternehmerverträge, KFZ-Mietverträge, Leasingverträge und Lizenzverträge.
„Klauseln, die zur Schaffung eines wesentlichen Ungleichgewichts führen“, sind in Frankreich zum Beispiel auch Klauseln, in denen Preisanpassungen vereinbart sind, die eine der Vertragsparteien zwingen, unter bestimmten Umständen ihre Preise (ohne Verhandlungsmöglichkeit) zu senken. Es kann sich auch um Klauseln betreffend Zahlungsfristen oder betreffend die Rücksendung unverkaufter Ware handeln.
3. Welche Merkmale sind für die Einordnung einer Handlung als „Herbeiführung eines wesentlichen Ungleichgewichts“ in Frankreich maßgeblich?
Artikel L. 442-6 I Abs. 2 des frz. Handelsgesetzbuchs bestimmt:
« I.- Haftbar und zur Widergutmachung des Schadens verpflichtet ist jeder Hersteller, Kaufmann, Industrielle oder jede im Handwerksregister eingetragene Person, der/die:
[…]
2° einen Geschäftspartner Verpflichtungen, durch die ein bedeutendes Ungleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien entstehen würde, unterwirft oder dies versucht“.
a) Wann ist das Merkmal „einen Geschäftspartner Verpflichtungen unterwerfen“ gegeben?
Das Merkmal „Unterwerfen“ eines Geschäftspartners setzt im französischen Recht folgendes voraus:
• Starke Position
Handelt es sich bei den Vertragsparteien um Parteien, deren wirtschaftliche Kraft stark unterschiedlich ist, ist dies für das französische Gericht ein Indiz dafür, dass ein Unterordnungsverhältnis vorliegt.
Das Unterordnungsverhältnis ergibt sich aus der Position des Vertragspartners im Hinblick auf seine Verhandlungsmacht.
Umgekehrt betrachtet: Ein Unterwerfen liegt dann nicht vor, wenn Klauseln tatsächlich frei ausgehandelt wurden, z.B. wenn der Lieferant Änderungswünsche des Händlers bei der Vertragsverhandlung akzeptiert.
• Nötigung
Ein starkes Ungleichgewicht zwischen den Parteien alleine, wie es regelmäßig im Großhandel zwischen einem Händler und dem Lieferanten vorkommt, reicht noch nicht aus, um das Merkmal der „Unterwerfung“ zu erfüllen.
Es muss im konkreten Fall das zusätzliche Element einer Nötigung vorliegen.
Um feststellen zu können, ob Nötigung vorliegt, ist das Verhalten des stärkeren Verhandlungspartners zu analysieren. Als Nötigung können beispielsweise die Ausübung unsachgemäßen Drucks oder das Aussprechen von Drohungen angesehen werden.
b) Wann liegt in Frankreich ein wesentliches wirtschaftliches Ungleichgewicht vor?
Ein solches Ungleichgewicht liegt vor, wenn ein Wirtschaftsakteur seinem Geschäftspartner übermäßige und unverhältnismäßige nachteilige Handelsbedingungen aufzwingt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Geschäftspartner eine im Vergleich zum Wert der erbrachten Leistung nur unverhältnismäßige Gegenleistung erhält.
Das Ungleichgewicht muss zudem erheblich sein.
Hierbei werden nicht nur die verschiedenen eingeräumten Geschäfts- und Preisbedingungen beurteilt, es wird vielmehr das gesamte Geschäftsverhältnis zwischen den Vertragspartnern berücksichtigt.
4. Was sind die Rechtsfolgen bei dieser Art des unlauteren Wettbewerbs in Frankreich?
Die Rechtsfolge, die am häufigsten von Klägern in Wettbewerbssachen beantragt wird, ist das Unterlassen/ die Einstellung der wettbewerbswidrigen Handlungen.
Die strittigen Klauseln können von einem Gericht auch für unwirksam erklärt werden. Dies hat dann zur Folge, dass die Geschäftspartner zu diesen Punkten erneut verhandeln müssen, wobei bestimmte Klauseln für künftige Verträge auch verboten werden können.
Die Erstattung von rechtsgrundlos gezahlten Beträgen und die Wiedergutmachung des erlittenen Schadens in Form von Schadensersatz können ebenfalls beantragt werden.
Praxistipp: Ein Unternehmen kann vor einem französischen Gericht auch beantragen, dass die vertraglichen Beziehungen erneut verhandelt werden müssen, wenn dem Unternehmen Verpflichtungen auferlegt worden sind, durch die ein erhebliches Ungleichgewicht geschaffen wurde.
5. Vor welchem Gericht kann in Frankreich geklagt werden?
In derartigen Wettbewerbsstreitigkeiten sind in Frankreich lediglich bestimmte auf wettbewerbseinschränkende Praktiken spezialisierte Gerichte zuständig.
Die Zuständigkeit dieser speziell zuständigen Gerichte kann auch durch eine Gerichtsstandsklausel nicht umgangen werden.
Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil sind vor dem Berufungsgericht Paris einzulegen.
Zu den Handelsgerichten in Frankreich finden Sie hier nähere Informationen.
6. Wie kann ich meine Rechte als Unternehmer in Frankreich durchsetzen?
Gerichtliche Schritte können lediglich von Vertragspartnern eingeleitet werden, nicht aber seitens anderer Unternehmen oder von Verbrauchern.
In Frankreich besteht in wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten allerdings die Besonderheit, dass der Wirtschaftsminister und der Präsident der Republik ebenfalls wettbewerbsrechtliche Klagen erheben können. Sie können somit Verfahren gegen Unternehmen einleiten, selbst wenn die Geschäftspartner, die die eigentlich benachteiligten Vertragspartner sind, dies gar nicht wünschen. Da bei Unternehmen, die Opfer unlauterer Geschäftspraktiken geworden sind, die Sorge, wirtschaftliche Repressalien zu erleiden, groß ist, klagen sie häufig nur dann selbst, wenn sie „nichts mehr zu verlieren“ haben, d.h. wenn die Geschäftsbeziehung ohnehin bereits beendet ist.
Wie Sie in Frankreich ihre Rechte als Unternehmer wahren und durchsetzen können, erfahren Sie in unserem Artikel zum Thema „Unlauterer Wettbewerb in Frankreich“.
7. Rolle des französischen Prüfungsausschusses für Handelspraktiken (Commission d'examen des pratiques commerciales / CEPC)
Der französische Prüfungsausschuss für Handelspraktiken gibt Stellungnahmen und Empfehlungen ab, die keine rechtliche Verbindlichkeit haben. Die von dieser Kommission zu bestimmten wettbewerbsrechtlich relevanten Klauseln erstellten Kommentierungen können jedoch als Anfang eines Verhaltenskodexes für die französische Wirtschaft angesehen werden.
Falls Sie hierzu weitere Informationen wünschen, steht Ihnen unsere Kanzlei jederzeit gerne zur Verfügung.
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Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt in Straßburg, Herr Rechtsanwalt Emil Epp, steht Ihnen gerne zur Verfügung: epp@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45
Stand der Bearbeitung: April 2022