Vertragsverhandlungen mit einem Händler/Distributor in Frankreich
Von unserer deutschsprachigen CBBL-Anwältin in Baden-Baden, Frau Vanina Vedel, Avocat, vedel@cbbl-lawyers.de, Tel. +49 (0) 7221 30 23 70, www.rechtsanwalt.fr
In Frankreich gibt es besondere Gesetzesvorschriften, die die Beziehung zwischen Lieferant und Händler („distributeur“) regeln¹. Diese schreiben, was für andere Rechtsordnungen überraschend sein mag, insbesondere vor, wie Vertragsverhandlungen abzulaufen haben. Es werden formale Anforderungen an die Gestaltung der Vertragsbeziehung aufgestellt.
Lieferant und Händler sind also nicht völlig frei darin, wie sie ihre Geschäftsbeziehung anbahnen und gestalten. Der französische Gesetzgeber bezweckt mit diesen Regeln, die die Vertragsfreiheit einschränken, die Verhandlungsposition des Lieferanten gegenüber mächtigen Handelsketten zu stärken.
Nachfolgend erfahren Sie, was der Inhalt dieser besonderen Vorschriften ist und wann sie anwendbar sind.
- Pflicht zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung (sog. Convention unique) und Einhaltung eines bestimmten Zeitrahmens
- Inhalt der Convention unique (einheitliche Vereinbarung) in Frankreich
- Wann sind diese Spezialvorschriften auf die Geschäftsbeziehung mit dem Handelspartner (Lieferant und Händler) in Frankreich anwendbar?
- Praxistipp
1. Pflicht in Frankreich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung (sog. Convention unique) und Einhaltung eines bestimmten Zeitrahmens
Die wesentlichen Rechte und Pflichten, die der Lieferant und der Händler für ihre Zusammenarbeit ausgehandelt haben, müssen schriftlich festgehalten werden, und zwar in Form einer zusammenfassenden einheitlichen Vereinbarung (Convention unique) oder in Form eines Rahmenvertrags mit entsprechenden individuellen Anwendungsverträgen².
Die Laufzeit dieser Vereinbarung beträgt in der Praxis typischerweise zwischen 1 und 3 Jahre(n). Vereinbarungen mit einer längeren Laufzeit dürfen zwischen einem Lieferanten und einem Händler in Frankreich nicht geschlossen werden (maximale Laufzeit eines Liefervertrages).
Zusätzlich zu den Pflichtangaben, die in der Vereinbarung zu machen sind (hierzu: siehe unten II. )), schreibt das Gesetz auch einen zeitlichen Rahmen vor, in dem die Vereinbarung geschlossen werden muss:
Die Convention unique muss spätestens bis zum 1. März des jeweiligen vom Vertrag betroffenen Geschäftsjahres abgeschlossen werden.
Zuvor muss der Lieferant seine AGB an den Händler übermitteln, falls er AGB verwendet. Auch hier ist ein zeitlicher Rahmen vorgeschrieben:
- Für Produkte aus dem Food-Bereich und Konsumgüter muss der Lieferant seine AGB dem Händler vor dem 1. Dezember des betreffenden Jahres übermitteln.
- Für alle anderen Produkte sind die AGB dem Händler innerhalb eines angemessenen Zeitraums, jedenfalls aber vor dem 1. März, zu übermitteln.
⇒ Bei Missachtung dieser Regelungen können Bußgelder verhängt werden. So ist beispielsweise für die Missachtung der Pflicht des Lieferanten, seine AGB zu übermitteln, ein Bußgeld von bis zu 375.000 € möglich.
⇒ Im Jahr 2020 wurden gegen drei große Einzelhandelsunternehmen Geldbußen in Höhe von jeweils 211.000 €, 1.140.000 € bzw. 2.931.000 € wegen Nichtbeachtung des gesetzlichen Zeitrahmens für die Beendigung der Vertragsverhandlungen verhängt.
2. Inhalt der Convention unique (einheitliche Vereinbarung) in Frankreich
Das Gesetz schreibt vor, welche Angaben in Frankreich im Vertrag zwischen Lieferanten und Händler zwingend gemacht werden müssen:
- Vereinbarungen betreffend das Kaufgeschäft an sich, also insbesondere: Kaufpreis und eventuelle Preisnachlässe,
- Serviceleistungen, die der Händler zur Förderung des Verkaufs des Produktes erbringt, wie beispielsweise Werbemaßnahmen oder besonders günstige Platzierung des Produkts in seinem Ladengeschäft (Produkt-Display). Dabei müssen insbesondere die Kosten dieser Dienstleistung festgelegt werden,
- andere Verpflichtungen zur Förderung der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien, wie zum Beispiel die Bereitstellung von Kassenstatistiken – auch hier jeweils unter Angabe der Kosten der vom Händler geplanten Maßnahmen,
- Inhalt und Kosten solcher Dienstleistungen, die von einem im Ausland ansässigen Unternehmen erbracht werden, welches mit dem französischen Händler verbunden ist:
⇒ Gemeint sind beispielsweise im Ausland ansässige Einkaufszentralen, die für den in Frankreich ansässigen Händler Dienstleistungen erbringen.
⇒ Dies soll der französischen Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde DGCCRF ermöglichen, auch bei internationalen Fallkonstellation Kontrollen durchzuführen und die Geschäftsbeziehungen der Parteien auf wettbewerbsbeschränkende Praktiken hin zu überprüfen und ggf. zu sanktionieren. Dazu erfahren Sie mehr unter Lieferungen nach Frankreich – Gewerbeaufsicht in Frankreich (DGCCRF).
In Vereinbarungen, die Konsumgüter oder Lebensmittel zum Gegenstand haben, müssen darüber hinaus noch weitere Angaben gemacht werden, wie zum Beispiel der geplante Umsatz und eine Preisanpassungsklausel.
In der Praxis müssen Händler und Lieferanten in Frankreich also genau prüfen, unter welche Produktkategorie (Lebensmittel, Konsumgüter, Frischeprodukte oder sonstige Produkte) ihre in Frankreich zu vermarktenden Produkte fallen, um die Verträge entsprechend gesetzeskonform zu gestalten.
3. Wann sind diese Spezialvorschriften auf die Geschäftsbeziehung mit dem Handelspartner (Lieferant und Händler) in Frankreich anwendbar?
Grundsätzlich gilt, dass stets eine Convention unique zwischen einem Lieferanten und einem Händler geschlossen werden muss.
- Lieferant ist dabei entweder der Hersteller oder ein Wiederverkäufer (z. B. Großhändler).
- Händler ist dabei derjenige, der Produkte im eigenen Namen ankauft und sie in eigenem Namen an seine Kunden weiterverkauft.
Eine weitere Voraussetzung für die Anwendung der Spezialvorschriften ist, dass die Geschäftsbeziehung stetig ist, d. h. unterbrechungsfrei andauert bzw. auf ein dauerhaftes Verhältnis angelegt ist. Bei einer nur punktuellen Zusammenarbeit greifen diese besonderen Regelungen aus dem französischen Handelsgesetzbuch in der Regel nicht.
Gilt das auch für Händler oder Lieferanten, die ihren Sitz außerhalb Frankreichs haben?
Falls die Vertragsbeziehung ausdrücklich dem französischen Recht unterworfen ist, gelten die besonderen Regelungen des französischen Handelsgesetzbuchs auf jeden Fall.
Falls keine ausdrücklich Rechtswahl getroffen wurde, ist die Antwort umstritten:
Die französische Verwaltung geht jedenfalls davon aus, dass es sich um zwingendes Recht handelt, das Anwendung finden muss, wenn das Vertragsverhältnis eine „ausreichende Verbindung zu Frankreich“ aufweist, was in der Regel dann zu bejahen sein sollte, wenn ein Produkt auf den französischen Markt gebracht wird.
Im Jahr 2023 wurde beispielsweise gegen eine außerhalb Frankreichs ansässige Einkaufszentrale ein sehr hohes Bußgeld verhängt und diese Entscheidung wurde erst kürzlich vom Verwaltungsgericht in Paris bestätigt.
Neu:
Mit dem am 31. März 2023 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung des Gleichgewichts der Geschäftsbeziehungen zwischen Lieferanten und Händlern³ (oft als „EGALIM 3“ bezeichnet) wurde eine neue Vorschrift in das französische Handelsgesetzbuch eingeführt (Artikel L. 444-1 A).
Diese neue Vorschrift bestimmt, dass die Artikel L. 441-1 bis L. 443-8 [= Vorschriften, durch die die Vertragsbeziehungen zwischen Lieferant und Händler geregelt werden] auf jedwede Vereinbarung zwischen einem Lieferanten und einem Käufer zwingend anwendbar sind, sobald Produkte oder Dienstleistungen in Frankreich vertrieben werden.
Zudem wird bestimmt, dass für sämtliche Streitigkeiten in diesem Zusammenhang ausschließlich die französischen Gerichte zuständig sind.
4. Praxistipp:
- Angesichts der drohenden hohen Strafen und der Befugnisse der französischen Wettbewerbsbehörde DGCCRF – auch in internationalen Vertragskonstellationen – sollten bei Geschäftsbeziehungen mit einem Händler oder einem Lieferanten in Frankreich die besonderen Regelungen des französischen Handelsgesetzbuchs unbedingt beachtet werden. Durch die Reform vom 30. März 2023 ist das Risiko für internationale Vertragspartner deutlich höher geworden.
- Große Händler in Frankreich, wie zum Beispiel Supermarkt- oder Baumarktketten, schicken ihren Lieferanten oft vorgefertigte Vertragsentwürfe zu. Der Lieferant sollte sich nicht scheuen, diese zu überprüfen und nachzuverhandeln. Dies ist gerade Sinn und Zweck dieser besonderen Gesetzgebung in Frankreich, nämlich die schwächere Vertragspartei in ihrer Verhandlungsposition zu stärken.
¹ Artikel L. 441-3 bis L. 441-8 Code de commerce « La négociation et la formalisation de la relation commerciale » (Gesetzesabschnitt ‚Die Verhandlung und das Zustandekommen der Beziehungen‘)
² Artikel L. 441-3 Absatz 1 des französischen Handelsgesetzbuches
³ Gesetz Nr 2023-221 vom 30. März 2023 « Loi tendant à renforcer l‘équilibre dans les relations commerciales entre fournisseurs et distributeurs ».
Sie haben Fragen zu Vertragsverhandlungen zwischen Lieferant und Händler in Frankreich? Sprechen Sie uns an!
Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt Herr Rechtsanwalt Emil Epp und sein Team in Strasbourg, Paris, Baden-Baden, Zürich, Bordeaux und Sarreguemines stehen Ihnen gerne zur Verfügung: epp@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45
Stand der Bearbeitung: November 2023