Ihre deutschsprachige Rechtsanwaltskanzlei in Frankreich
CBBL Rechtsanwalt in Frankreich, Emil Epp, Kanzlei EPP Rechtsanwälte Avocats
Emil Epp
Rechtsanwalt
EPP Rechtsanwälte Avocats
Strasbourg, Paris, Baden-Baden


Wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Unternehmens in Frankreich – Handlungsoptionen

Von unserem deutschsprachigen CBBL-Anwalt in Strasbourg, Herrn Emil Epp, Rechtsanwalt, epp@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45, www.rechtsanwalt.fr


Sie haben ein Unternehmen in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Ihre französische Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung hat wirtschaftliche Schwierigkeiten und Sie beabsichtigen daher, diesen Standort ganz oder teilweise zu schließen. Welche Möglichkeiten haben Sie in diesem Fall und welche Fragen sollten Sie sich vorab stellen?

Welche Möglichkeiten hat ein Unternehmen bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Frankreich?

Als Geschäftsführer eines Unternehmens in Frankreich, das drohende oder akute wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, sollten Sie prüfen, ob nicht eine der folgenden Handlungsoptionen sachgerecht sein kann:

  • Die Einleitung von Kündigungsverfahren aus wirtschaftlichen Gründen (betriebsbedingte Kündigungen) ist eine Möglichkeit.Diese Maßnahme, flankiert durch andere Rationalisierungsmaßahmen, kann mittelfristig die Kosten reduzieren und so zur weiteren Zahlungsfähigkeit des Unternehmens in Frankreich beitragen.
  • Die Alternative hierzu wäre die Einleitung eines Insolvenzverfahrens in Frankreich mit dem Ziel der Sanierung des Unternehmens oder der Liquidation (procédure de redressement oder procédure de liquidation judiciaire) (Sanierungsverfahren oder Liquidationsverfahren).Was sind die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Kündigungsverfahrens aus wirtschaftlichen Gründen (betriebsbedingte Kündigungen) oder eines Sanierungs- oder Liquidationsverfahrens in Frankreich?

Betriebsbedingte Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen

Die französische Gesellschaft muss wirtschaftliche Schwierigkeiten nachweisen oder sie muss zu Maßnahmen zur Aufrechterhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gezwungen sein.

Sanierungs- oder Liquidationsverfahren

Die französische Gesellschaft muss zahlungsunfähig sein. Dies bemisst sich nach französischem Insolvenzrecht, man spricht von cessation des paiements (= Einstellung der Zahlungen). Zahlungsunfähigkeit liegt demgemäß vor, wenn die verfügbaren liquiden Vermögenswerte (Barmittel, Bankguthaben, börsennotierte Wertpapiere etc.) nicht ausreichen, um die fälligen Verbindlichkeiten zu decken.

Welche Unterschiede bestehen zwischen diesen Verfahren in Frankreich?

Betriebsbedingte Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen

Der Arbeitgeber spricht den Arbeitnehmern die Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen aus. Dabei muss in Frankreich ein recht formalisiertes Kündigungsverfahren beachtet werden. Die Kündigungsgründe müssen im Kündigungsschreiben sehr genau dargelegt werden. Die konkret durchzuführenden Verfahrensschritte hängen von der Anzahl der beabsichtigten Entlassungen ab.

Sanierungs- oder Liquidationsverfahren

Bei dieser Vorgehensweise ist es grundsätzlich nicht die französische Gesellschaft selbst, die die Kündigungen gegen die eigenen Arbeitnehmer ausspricht. Es sind also seitens der Geschäftsführung in Frankreich keine Kündigungsverfahren zu organisieren und durchzuführen.

Die französische Gesellschaft leitet ein Insolvenzverfahren ein, indem es beim zuständigen Handelsgericht (oder Landgericht) in Frankreich einen Insolvenzantrag stellt. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird seitens des Gerichts ein Insolvenzverwalter bestellt, der größtenteils die Leitung des Unternehmens übernimmt. Dieser führt nötigenfalls dann auch die Kündigungen der Arbeitnehmer in Frankreich durch.

Mit welchen Kosten ist in den jeweiligen Verfahren in Frankreich zu rechnen?

Kosten der betriebsbedingten Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen in Frankreich

Im Rahmen einer Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen (licenciement économique) zahlt der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer:

  • eine Kündigungsentschädigung (Höhe ist abhängig von der Betriebszugehörigkeit, von der Höhe des Gehalts und vom geltenden frz. Tarifvertrag) (indemnité de licenciement),
  • eine Kündigungsfristentschädigung (= Fortzahlung des Gehalts während der Kündigungsfrist) (indemnité de préavis),
  • eine Urlaubsabgeltung für bis zum Vertragsende nicht in Anspruch genommene Urlaubstage.

Falls im Rahmen der Kündigungen ein Plan zur Erhaltung von Arbeitsplätzen („Plan de sauvegarde de l’emploi“, kurz PSE; ein solcher ist Pflicht in französischen Unternehmen mit mehr als 50 Arbeitnehmern und mehr als 10 ausgesprochenen Kündigungen) aufgestellt wird, sind Begleitmaßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer durchzuführen. Diese Maßnahmen verursachen zusätzliche Kosten für den Arbeitgeber. Es sollte daher bereits im Vorfeld darauf geachtet werden, dass diese Kosten die Mittel des Konzerns/der Unternehmensgruppe nicht übermäßig beeinträchtigen.

Den gekündigten Arbeitnehmern kann schließlich auch eine abschließende Entschädigung im Rahmen eines individuellen Vergleichsvertrags gezahlt werden. Der Vorteil eines Vergleichs ist, dass darin vom gekündigten Arbeitnehmer ein wirksamer Klageverzicht für die Zukunft erlangt werden kann. Auf dieses Weise können sowohl die französische Gesellschaft als auch die deutsche, österreichische oder schweizerische Muttergesellschaft vor arbeitsrechtlichen Klagen des Gekündigten geschützt werden.

Kosten bei Sanierungs- oder Liquidationsverfahren in Frankreich

Im Rahmen dieser Insolvenzverfahren werden die Kündigungsentschädigung, die Kündigungsfristentschädigung und die Urlaubsabgeltung vollständig von der AGS gezahlt (AGS: staatliche französische Versicherungskasse, die grundsätzlich die Abfindungszahlungen im Rahmen von Sanierungs- oder Liquidationsverfahren übernimmt).

Auch nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann es aus Sicht der Geschäftsführer des frz. insolventen Unternehmens und aus Sicht der der Gesellschafter sachgerecht sein, den gekündigten Arbeitnehmern eine abschließende Entschädigung im Rahmen eines Vergleichs zu zahlen, um jedwede spätere Rechtsstreitigkeit auszuschließen. Im Wege solcher Vergleiche – und nur auf diesem Wege – lassen sich wirksame Klageverzichte der Arbeitnehmer in Frankreich einholen.

Welche sonstigen wirtschaftlichen Faktoren sind zu berücksichtigen bei der Wahl zwischen den beiden Handlungsoptionen Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen und Sanierungs- oder Liquidationsverfahren in Frankreich?

  • Image der Marke des Unternehmens in Frankreich
  • Fortführung der Tätigkeit in Frankreich gewünscht?
  • Risiken von weiteren Rechtsstreitigkeiten
  • Lieferanten, die erhebliche Forderungen gegen die frz. Gesellschaft haben, könnten gegenüber der gesamten Unternehmensgruppe einen Lieferstopp aussprechen – dies könnte so auch Unternehmenseinheiten in Deutschland, Österreich oder der Schweiz betreffen

Mit welcher Verfahrensdauer ist bei den verschiedenen Verfahren in Frankreich zu rechnen?

Verfahrensdauer bei betriebsbedingten Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen in Frankreich

Das einzuhaltende Verfahren hängt von der Anzahl der beabsichtigten Kündigungen und der Größe des Unternehmens ab.

Die Verfahrensdauer ist am längsten, wenn das betroffene französische Unternehmen mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigt und die Kündigung von mindestens 10 Arbeitnehmern beabsichtigt. In einem solchen Fall ist nämlich der Wirtschafts- und Sozialausschuss (comité social et économique) des Unternehmens anzurufen und ein Sozialplan zu verhandeln und aufzustellen. Dieser Sozialplan ist anschließend von der französischen Arbeitsbehörde zu genehmigen.

Verfahrensdauer beim Sanierungsverfahren in Frankreich

Die Tätigkeit des Unternehmens wird nach der Eröffnung des Sanierungsverfahrens fortgeführt. In der Regel unterstützt der Insolvenzverwalter die Geschäftsführung bei der Fortführung der Tätigkeit. Der Insolvenzverwalter versucht, innerhalb von 3 bis 18 Monaten den Geschäftsbetrieb (fonds de commerce) (Vermögenswerte des Unternehmens wie zum Beispiel: Kundschaft, gewerblicher Mietvertrag, Firmenname, Marken, Patente, Software, Warenlager) zu verkaufen und einen Teil der Arbeitnehmer auf die übernehmende Gesellschaft zu übertragen. Alternativ kann auch ein gerichtlicher Sanierungsplan (mit einer Laufzeit von maximal 10 Jahren) erlassen werden, mit dem Ziel der Fortführung der Aktivität der Gesellschaft und mit einem Tilgungsplan hinsichtlich der Forderungen der Gläubiger der Gesellschaft.

Verfahrensdauer beim Liquidationsverfahren in Frankreich

Durch die Einleitung eines Liquidationsverfahrens in Frankreich wird die Tätigkeit der Gesellschaft unmittelbar eingestellt. Sämtliche Arbeitnehmer werden anschließend durch den Liquidator gekündigt.

Die Liquidation kann entweder umgehend ab dem gerichtlichen Eröffnungsbeschluss, also von Beginn an, eröffnet werden, oder erst in Folge der Umwandlung eines zunächst eingeleiteten Sanierungsverfahrens in ein Liquidationsverfahren.

Welche zusätzlichen Verpflichtungen bestehen bei der Unternehmensschließung in Frankreich?

Weitere Verpflichtungen bei betriebsbedingten Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen in Frankreich

  • Verpflichtung zur Suche nach einer alternativen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die betroffenen Arbeitnehmer innerhalb des Konzerns (d.h. nicht nur innerhalb des betroffenen französischen Unternehmens!)
  • Verpflichtung zur Suche eines Übernehmers im Falle der Schließung des Unternehmens
  • Verpflichtung zur Einholung der Genehmigung bei der französischen Arbeitsbehörde für die Kündigung der gesetzlich geschützten Arbeitnehmer
  • Falls die französische Gesellschaft einem Konzern, der insgesamt mehr als 1.000 Arbeitnehmer zählt, angehört: Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Neubelebung des regionalen Arbeitsmarkts (z.B. durch Finanzierung von spezifischen Fortbildungsmaßnahmen)

Weitere Verpflichtungen beim Sanierungs- und Liquidationsverfahren in Frankreich

  • Verpflichtung zur Suche nach einer alternativen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die betroffenen Arbeitnehmer innerhalb des Konzerns (d.h. nicht nur innerhalb des betroffenen französischen Unternehmens!)

Welche Risiken bestehen hinsichtlich möglicher Klagen in Frankreich?

Klagerisiko bei betriebsbedingten Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen in Frankreich

  • Klage des gekündigten Arbeitnehmers vor dem französischen Arbeitsgericht zur Anfechtung des wirtschaftlichen Grundes und der Wirksamkeit der Kündigung (Klagefrist für die Einleitung eines Gerichtsverfahrens: 12 Monate)

Klagerisiko bei Sanierungs- und Liquidationsverfahren in Frankreich

  • Bei Vorliegen des Mitarbeitgeberstatus (co-emploi):Klage der gekündigten Arbeitnehmer vor dem frz. Arbeitsgericht gegen die Muttergesellschaft und/oder die anderen Gesellschaften der Gruppe zur Anfechtung des (betriebsbedingten) wirtschaftlichen Grundes und der Wirksamkeit der Kündigung (Klagefrist für die Einleitung eines Gerichtsverfahrens: 12 Monate)
  • Klage der Insolvenzorgane gegen den Geschäftsführer der französischen Gesellschaft wegen Geschäftsführungsfehlers, insbesondere wegen verspäteter Einleitung (Frist: 45 Tage ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit) des Sanierungs- oder Liquidationsverfahrens (Insolvenzverschleppung)
  • Haftungsklage gegen den Geschäftsführer oder den faktischen Geschäftsführer der französischen Gesellschaft wegen mangelnder Masse und Geschäftsführungsfehlern, durch welche die Passiva erhöht worden sind.
  • Klage gegen die Muttergesellschaft und/ oder die anderen Gesellschaften des Konzerns wegen unangemessener finanzieller Unterstützung mit erwiesenem Betrug oder wegen erwiesener faktischer Geschäftsführung durch den Gesellschafter oder wegen unverhältnismäßig gewährter Garantien der Gesellschafter oder wegen unzulässiger Vermögensvermischung zwischen Muttergesellschaft und französischer Tochtergesellschaft.

Welche Kosten entstehen bei einer Schließung ohne Insolvenzverfahren in Frankreich im Vergleich zu einer Schließung mit Insolvenzverfahren?

Neben den reinen Durchführungskosten der gewählten Handlungsoption entstehen Kosten aufgrund der Kündigungen der Arbeitnehmer in Frankreich.
Diese Kosten haben wir Ihnen kompakt zusammengestellt in unserer Zusammenfassung "Schließung eines Unternehmens in Frankreich – Mit oder ohne Insolvenzverfahren" ganz unten unter Punkt IV.

Sie wünschen Beratung bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten Ihres Unternehmens in Frankreich? Sprechen Sie uns an!

Unser deutschsprachiger CBBL-Anwalt Herr Rechtsanwalt Emil Epp und sein Team in Strasbourg, Paris, Baden-Baden, Zürich, Bordeaux und Sarreguemines stehen Ihnen gerne zur Verfügung: epp@cbbl-lawyers.de, Tel. +33 - 3 - 88 45 65 45


Stand der Bearbeitung: März 2023